So putzig, so bizarr: Seepferdchen
21. Oktober 2019Seepferdchen leben weltweit in tropischen und gemäßigten Meeren. Die meisten Arten tummeln sich in den wohltemperierten Meeren um Australien und Neuseeland, aber auch an der europäischen Atlantikküste bis hoch in den Ärmelkanal und zur Mündung der Themse kommt eine Art vor.
Doch Moment mal! Was sind Seepferdchen überhaupt genau? Wozu gehören sie? Von wem stammen sie ab? Die Ähnlichkeit zum Pferd ist auf den ersten Blick naheliegend. Doch dieses Verwandtschaftsverhältnis lässt sich ausschließen, kopfabwärts ist's mit den Gemeinsamkeiten vorbei. Der Körper der Seepferdchen wirkt zerbrechlich, das hintere Schwanzende wurmartig. Hufe? Fehlanzeige.
Im weitesten Sinne sind Seepferdchen Fische – nur eben ohne Schuppen. Stattdessen haben sie eine zarte Haut, die sich über ringförmig angeordnete, knöcherne Platten spannt. Jede Art weist eine ganz bestimmte Anzahl dieser Ringe auf. Gemeinsam mit den Fetzenfischen und weiteren Arten bilden Seepferdchen die Familie der Seenadeln (Syngnathidae).
Schlechte Schwimmer
Auch in puncto Schwimmen haben sie nicht besonders viel mit Fischen gemeinsam. Seepferdchen sind ausgesprochen schlechte Schwimmer. Das kann man ihnen allerdings auch nicht verübeln, denn sie stehen schließlich in aufrechter Position im Wasser, sprich: Sie sind nicht gerade stromlinienförmig.
Und als würde das nicht reichen, fehlt ihnen die für Fische typische Schwanzflosse gänzlich. Zur Vorwärtsbewegung nutzen sie die Rückenflosse, die Flossen links und rechts dienen der Steuerung.
Damit lassen sich keine Rekorde brechen. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 1,5 Metern pro Stunde ist das Zwerg-Seepferdchen Hippocampus Zosterae der langsamste Fisch der Welt. Zum Vergleich: Eine Weinbergschnecke schafft drei Meter pro Stunde.
Das Zwerg-Seepferdchen ist mit vier Zentimetern Körperlänge einer der kleineren Vertreter aus der Familie der Seenadeln. Doch es geht noch kleiner. Es gibt sogar Seepferdchen, die gerade mal anderthalb Zentimeter messen. Größere Exemplare dagegen kommen auf stattliche 35 Zentimeter Körperlänge.
Wie romantisch!
So wie es sie in verschiedenen Größen gibt, gibt es Seepferdchen auch in allen Farben des Regenbogens, vor allem in rot, orange, gelb, grün oder grau. Dazu kommen Muster, Streifen oder Punkte. Da sind die kleinen Kerlchen experimentierfreudig. Es gibt sie mit langen oder kurzen Schnauzen und sie können sogar ihre Farbe verändern, wenn es darum geht, sich zu verstecken.
Doch nicht nur dann. Von Seepferdchen können wir uns in puncto Flirten sogar etwas abgucken. Jeden Morgen zu Sonnenaufgang schwimmt das Weibchen zum Männchen und fordert es zum romantischen Tanz auf: Sie wechseln die Farbe, drehen sich im Kreis, schwimmen zusammen durch ihr Revier, die Schwänze eng umschlungen. Entzückend, oder? Danach trennt sich das Pärchen und jeder widmet sich seinem eigenen Tagesablauf – was in erster Linie Nahrungsaufnahme bedeutet. Aber dazu später mehr.
Männersache!
Auch in der Paarungszeit wird bei den Seepferdchen getanzt. Wenn Seepferdchen ihren Liebestanz aufführen, nehmen beide die gleiche Farbe an. Damit zeigen sie, dass sie zueinander gehören. Dieses Balzverhalten dauert in der Regel mehrere Tage. Dabei verhaken sie auch wieder ihre Schwänze ineinander. Biologen glauben, dass die Seepferdchen so ihren Fortpflanzungszyklus aufeinander abstimmen.
Danach ist das Männchen in der Lage, sofort die Eier zu befruchten, wenn es sie empfängt. Bei der Paarung injiziert das weibliche Seepferdchen bis zu 2000 Eier in die männliche Bruttasche. Richtig gehört! Denn bei Familie Seepferdchen ist das Männchen fürs Kinderkriegen zuständig. Etwa neun bis 45 Tage ist das Seepferdchen trächtig, dann haben sich dich Jungen vollständig entwickelt.
Und dann ist der große Tag gekommen: Es schlüpfen 100 bis 1000 quirlige Seepferdchen! Angesichts der Überlebensrate sind solche großen Würfe aber auch nötig. Denn die Seepferdchen sind nach ihrer Geburt auf sich allein gestellt. Die Eltern sind meist mit mit der nächsten Paarung beschäftigt.
Wer da nicht aufpasst, wenn ein hungriger Raubfisch vorbeikommt oder bei einer starken Strömung, ist schnell weg vom Fenster. Weniger als 0,5 Prozent der kleinen Seepferdchen erreichen das Erwachsenenalter.
Gute Nacht und gut festhalten...
Apropos Strömung: Um während des Schlafens nicht abzutreiben, halten sich die Seepferdchen mit ihrem Schwanz an Pflanzen oder Korallen fest.
So warten sie auch auf ihre Beute. Seepferdchen sind typische Lauerjäger – etwas anderes bleibt ihnen auch nicht übrig. Sie sind schließlich nicht besonders schnell und erst recht nicht furchteinflößend oder gar mit einem guten Gebiss ausgestattet. Sie haben nicht mal Zähne.
Immer hungrig
Aber dafür sie können mit einem 360-Grad-Rundumblick auftrumpfen. Und so warten sie geduldig und gut getarnt, bis ihnen potenzielle Beute vors Maul schwimmt. Mit der Taktik verputzt es etwa 3000 kleine Krebstiere, Schwebgarnelen, Wasserflöhe oder Fischlarven am Tag. Sie alle saugt das Seepferdchen blitzschnell mit dem röhrenförmigen Maul ein und verschluckt sie. Dabei gibt es jedes Mal das für Seepferdchen charakteristische klickende Geräusch.
So geht es dann den lieben langen Tag weiter. Bis zu zehn Stunden verbringen Seepferdchen mit der Lauerjagd, denn sie sind immer hungrig. Seepferdchen haben keinen Magen, das heißt, dass sie quasi ständig essen müssen, weil das Futter so schnell durch das Verdauungssystem hindurchrutscht. Was für ein Leben!
Ein Herz für Seepferdchen
Doch so gut sie sich auch tarnen können und durch ihren Knochenpanzer vor Fressfeinden geschützt sind, vor den Menschen sind sie damit lange nicht sicher: Das Geschäft mit Seepferdchen boomt.
Die Tiere werden getrocknet, gemahlen und in Suppen, Tees und Reiswein verzehrt. Glaubt man der Traditionellen Chinesischen Medizin, hilft dies bei Potenzstörungen, Kurzatmigkeit, Asthma, Schmerzen und Inkontinenz. Dazu kommen über 20 Millionen Seepferdchen im Jahr, die als Beifang in Fischernetzen enden.
Obwohl der internationale Handel seit 2004 durch das Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES) verboten ist, erzielen auch heute noch getrocknete Seepferdchen auf den Märkten in Bangkok oder Hongkong einen Preis von 600 bis 3000 Dollar pro Kilogramm.
Mehr dazu: Chinas Appetit auf getrocknetes Seepferdchen - das Ende für das Meerestier?