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Katastrophenschutz in Deutschland

19. Juli 2021

In Deutschland sind für Katastrophenschutz die Bundesländer zuständig. Die können bei Bedarf Hilfe beim Bund anfordern, der dann Technisches Hilfswerk, Bundeswehr oder Bundespolizei in die betroffenen Gebiete schickt.

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Alarmsirene auf Hausdach
Eine klassische Sirene auf einem HausdachBild: picture-alliance/dpa/J. Büttner

Wenn der Bevölkerung Gefahr durch Naturereignisse wie Hochwasser droht, dann ist erst einmal die kleinste Verwaltungseinheit, die Kommune, am Zug. Wenn sich abzeichnet, dass eine Gemeinde mit dem Krisenmanagement nicht allein fertig wird, werden die Ressourcen der nächst höheren Verwaltungsregion - das sind in Deutschland Landkreise und die sogenannen kreisfreien Städte - aktiviert. Die schicken dann Feuerwehren oder Ambulanzen auf den Weg.

Insgesamt gibt es in Deutschland 107 kreisfreie Städte (zum Beispiel Köln, Kiel oder Leipzig) und 294 Landkreise. Reichen die Möglichkeiten auf Kreisebene nicht mehr aus, wird Hilfe aus anderen, weniger betroffenen Kreisen angefordert. Die Katastrophenhilfe wird dann in der Regel von einem überregionalen Krisenstab - etwa auf Landesebene - organisiert, der die Einsatzkräfte vor Ort koordiniert.

Deutschland Symbolbild Wasser Rettung
Stützen des Katastrophenschutzes: THW und DLRGBild: imago-images/Eibner/Walther

Die Rolle des Bundes

Erst wenn ein einzelnes Bundesland das Krisenmanagement vor Ort nicht mehr allein bewältigen kann, wird der Katastrophenschutz des Bundes aktiv. Dafür muss der Kreis oder die Stadt den Katastrophenfall ausrufen. Dann kann die Bundeswehr mit Bergepanzern Trümmer räumen und Straßen wieder befahrbar machen. Oder es kommen Hubschrauber der Bundespolizei bei der Suche und Evakuierung von Menschen zum Einsatz.

Außerdem gibt es in Deutschland das Technische Hilfswerk (THW), das besonders für den Einsatz in Hochwasser- oder Erdbebengebieten ausgerüstet ist. Die Experten des THW kommen nicht nur in Deutschland, sondern weltweit zum Einsatz, versorgen unter anderem Menschen in Katastrophengebieten mit Strom und Trinkwasser. Insgesamt arbeiten für das THW rund 80.000 Menschen, viele von ihnen ehrenamtlich. Eine Aufgabe in der aktuellen Hochwasserlage: Wasser aus vollgelaufenen Stauseen abpumpen, um zu verhindern, dass Staumauern brechen und noch mehr Regionen überflutet werden.

Millionen von freiwilligen Helfern

Dazu kommen die in allen Bundesländern tätigen freiwilligen Rettungsdienste wie der Arbeiter-Samariter-Bund, die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG), das Deutsche Rote Kreuz (DRK), die Johanniter-Unfall-Hilfe und der Malteser Hilfsdienst zum Einsatz. Allein das Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) verfügt über 30 Berufsfeuerwehren und fast 400 Freiwillige Feuerwehren, die im Kataststrophenfall zur Verfügung stehen. Insgesamt arbeiten in Deutschland nach Bundesangaben 1,7 Millionen Helfer ehrenamtlich, also ohne Bezahlung.

Krisen-Kommunikation

Auf Länderebene gibt es Hochwasserzentralen, die den Wasserstand von Flüssen und Seen überwachen, und so früh wie möglich vor Hochwasser warnen. Grenzüberschreitende Gewässer wie der Rhein werden international überwacht. Zuständig ist hier die Internationale Kommission zum Schutz des Rheins.

Notfall-App NINA
Sollte eigentlich auf keinem Smartphone fehlen: Die Katastrophen-Warn-App NINABild: picture-alliance/dpa/R. Vennenbernd

Der Deutsche Wetterdienst (DWD), der dem Bund unterstellt ist, warnt bereits im Vorfeld vor wetterbedingten Gefahren, wie im aktuellen Fall vor Starkregen. Über Warn-Apps wie NINA werden diese Warnungen vor Wetterextremen, zu denen auch Stürme und Flutwellen an den Küsten gehören, an die Bevölkerung weitergeleitet. Das Problem: Nur eine kleine Minderheit der Menschen in Deutschland hat Warnapps wie NINA auf dem Smartphone.

Die Fäden laufen dabei im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) zusammen. Auf Kritik, die Behörden hätten die Bevölkerung in den Hochwassergebieten zu spät gewarnt, reagierte ihr Chef, Armin Schuster, in einem aktuellen Radio-Interview: "Unsere gesamte Warn-Infrastruktur hat vollständig funktioniert. Wir haben zwischen Mittwoch und Samstag etwa 150 Warnmeldungen absetzen können." Der Deutsche Wetterdienst habe mit seiner Vorhersage "ziemlich richtig gelegen" und früh vor starken Überschwemmungen gewarnt, so Schuster: "Aber natürlich ist die nicht so präzise, dass man exakt sagen kann: Welchen Ort trifft es in welcher Intensität und in welcher räumlichen Ausdehnung."

Informations-Management mit Verbesserungsbedarf

Auch die Hochwasserzentralen wurden aktiv und gaben Warnungen heraus. "Dann geht es an die Kreisbehörden und die haben die Chance, mit ihren Leitstellen auf unser Warnsystem zuzugreifen. Und das haben die gemacht. 150 mal ging das dann an die Medien raus. Das ging an die Warn-Apps", fasst Schuster den Ablauf der Ereignisse zusammen.

Deutschland Bonn | Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK)
Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) in BonnBild: Christoph Hardt/Future Image/imago images

Die Katastrophenhelfer der verschiedenen Rettungskräfte verständigen sich untereinander über ein von der Bundesregierung aufgebautes digitales Funknetzwerk, das völlig unabhängig vom Mobilfunk ist und auch dort funktioniert, wo Funkmasten zerstört und der Handy-Empfang gestört oder ausgefallen ist. Nach Angaben der Bundesregierung hat das Funknetz eine Abdeckung in Deutschland von 99 Prozent.

In den Zeiten des Kalten Krieges hatten viele öffentliche Gebäude wie Schulen und Postämter Sirenen auf den Dächern, die vor Gefahren warnen konnten. Ein Großteil davon wurde in den vergangenen Jahrzehnten abgebaut, um Kosten zu sparen. In der jetzigen Situation werden Forderungen laut, diese Sirenen, mit denen im Zweiten Weltkrieg die Bevölkerung vor Luftangriffen gewarnt wurde, wieder flächendeckend einzuführen. Allerdings funktionieren auch die Sirenen nur bei intaktem Stromnetz.

Sirene und Warn-App

Auch BBK-Chef Armin Schuster räumt ein, dass der Katastrophenschutz Reformen braucht. Der frühere Bundestagsabgeordnete ist seit Ende 2020 Chef der Behörde und hat im Mai ein Reformprogramm für den Bevölkerungsschutz auf den Weg gebracht. Ein zentraler Teil: Die Wiedereinführung von Warn-Sirenen auf deutschen Dächern. "Wir sind in den ersten drei Monaten mitten in der Umsetzung. Ich bin sehr positiv angetan, in welcher Geschwindigkeit wir in die Umsetzung kommen und die Länder mitmachen. Seit zwei Monaten gibt es auch ein Förderprogramm zum Wiederaufbau von Sirenen", so Schuster.

Bis Jahresende will das BBK eine Übersicht über mögliche Gefahrenlagen für ganz Deutschland zusammenstellen. "Dann wissen wir, wie sieht es in Deutschland wo aus und was dann muss von Bund und Ländern investiert werden".

Um die Bevölkerung besser zu erreichen, setzt Schuster künftig auf einen Mix aus analogen Warnmitteln wie Sirenen und digitalen wie Smartphones-Apps.

Thomas Kohlmann
Thomas Kohlmann Redakteur mit Blick auf globale Finanzmärkte, Welthandel und aufstrebende Volkswirtschaften.