1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Oliver Stones Film "Snowden" kommt heute in die Kinos

Jochen Kürten15. September 2016

US-Regisseur Oliver Stone hat den Film über Whistleblower Edward Snowden vor allem in Deutschland gedreht. In den USA habe er kein Geld für die Produktion bekommen, sagt er. Jetzt feiert "Snowden" Deutschlandpremiere.

https://p.dw.com/p/1K16y
SNOWDEN Film Still 2016 (Foto: Universum)
Bild: Universum

Geld aus Deutschland und Frankreich - und nicht aus Hollywood! Weltpremiere beim Toronto Filmfestival in Kanada - und nicht in den USA: Was sagt das aus über Oliver Stone und "Snowden"? Ist das nicht auch eine Bestätigung der Kernaussage des Films, dass nämlich die Aufdeckung der geheimen Informationen durch den Whistleblower Edward Snowden sowie die anschließende Verfolgung Snowdens durch die US-Behörden für einen dramatischen Verlust von Demokratie stehen?

Große Premiere in Toronto

Ja und nein. Eine Vorpremiere von "Snowden" fand unter Ausschluss einer größeren Öffentlichkeit bereits im Juli in San Diego bei der "Comic-Con" statt, also in den USA, der Heimat des Regisseurs und seines Filmcharakters. Und Toronto gilt ja immerhin auch als wichtigstes Festival auf dem nordamerikanischen Kontinent. Dort war "Snowden" am 9.9. zu sehen. Am 16. September kam der Film ganz offiziell in die US-Kinos. Die amerikanische Öffentlichkeit bekommt das brisante Werk über den Whistleblower also sehr wohl zu sehen.

USA Regisseur Oliver Stone (Foto: DPA)
Oliver StoneBild: picture-alliance/dpa/M. Balti Touati

Gleichwohl werden andere große Filmproduktionen von wichtigen US-Regisseuren wie Oliver Stone in Hollywood oder New York nicht selten mit großem Aplomb präsentiert, mit Rotem Teppich, Blitzlichtgewitter und allem was dazu gehört. Bei "Snowden" wird darauf verzichtet. Auch wurde der US-Start mehrfach verschoben. Und die Filmfestivals, die "Snowden" in den kommenden Tagen präsentieren, liegen alle in Europa: in Helsinki, San Sebastian und Zürich. Teile der US-amerikanischen (Film-)Öffentlichkeit scheinen also nicht gerade scharf darauf zu sein, dem Film eine allzu große Aufmerksamkeit zu schenken.

Kein Geld für "Snowden" und Stone in den USA

Gewichtiger als die Wahl der Premierentermine und -orte aber ist die Tatsache, dass Oliver Stone seinen Film in seiner Heimat gar nicht hätte realisieren können. "Jedes große Studio hatte den Film abgelehnt, Hollywood ist feige", sagte Stone gerade noch einmal in einem Interview, dass er einer deutschen Sonntagszeitung gab. Gegenüber der deutschen Wochenzeitung "Die Zeit" legte Stone noch nach: "Ein großes Studio nach dem anderen lehnte ab. Natürlich wurde niemand von der NSA aufgefordert die Finger davon zu lassen. Es war Selbstzensur."

NSA-Enthüller Edward Snowden auf einer Leinwand in Berlin 2015 (Foto: DPA)
Edward Snowden erscheint auf Konferenzen in jüngster Zeit vor allem auf Leinwänden - sein Exil in Moskau kann er nicht verlassenBild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Oliver Stone ist ja nicht irgendwer. Der Regisseur, der - passend zum Fimstart - am 15. September seinen 70. Geburtstag feiert, ist seit Jahrzehnten einer der wichtigsten und einflussreichsten Filmemacher seines Landes. Mit Werken wie "Platoon" (Thema Vietnam-Krieg), "Salvador" (über das US-Engagement in Lateinamerika), "Wall Street" (kritischer Blick auf den Börsenhandel) oder "JFK" (Verschwörungstheorien rund um die Kennedy-Ermordung) hat Stone sich immer wieder mit heiklen innen- und außenpolitischen Themen der USA beschäftigt.

Seine Filme waren erfolgreich, standen aber auch immer wieder in der Kritik - vor allem bei denjenigen, die sich angegriffen fühlten. Trotzdem: Wenn ein Oliver Stone im eigenen Land einen erfolgversprechenden Film mit Stars nicht finanziert bekommt, dann lädt das schon zu Spekulationen ein.

Oliver Stone: ein engagierter Zeitgenosse hinter der Kamera

Als Bürger mache er den Mund auf, weil er sich keinen Maulkorb verpassen lassen möchte, sagte Stone in dem Gespräch mit der "Zeit": "Ich gebe zu, dass sich meine Rolle des amerikanischen Kinoerzählers und die des amerikanischen Bürgers vermischen."

Spionage NSA Skandal - Demo in hannover 2013 (Foto: picture alliance/DPA/P. Steffen)
Weltweite Symbolfigur für MeinungsfreitBild: picture alliance/dpa/P. Steffen

Stone musste sich bei seinem Projekt über "Amerikas Staatsfeind Nr.1", der sich seit 2013 im Exil in Moskau aufhält, also Geld aus anderen Quellen beschaffen. So finanzierte er "Snowden" teils mit französischem Kapital, vor allem aber mit deutschem. Der Münchner Produzent Philip Schulz-Deyle sprang ein, als klar wurde, dass Stone nicht in den USA filmen konnte und sammelte den Großteil der 38-Millionen Dollar-Produktionskosten ein: "Moritz Borman (Stones US-Produzent, Anm. der Red.) hatte Anfang 2014 gefragt, ob ich mir vorstellen kann, dass sich 'Snowden' in Deutschland realisieren lässt, obwohl so gut wie kein Schauplatz in Deutschland liegt - und ich als Produktionspartner einsteigen möchte", so Schulz-Deyle gegenüber dem Branchenfachmagazin "Filmecho/Filmwoche".

Die NSA in München

So wurden große Teile von Stones Film in Deutschland gedreht. In den Münchner Bavaria-Studios wurden Dekors des Hongkonger Mira-Hotels nachgebaut, in dem Snowden nach seiner Ausreise aus den USA zunächst Unterschlupf fand. Katakomben des Münchner Olympiaparks sowie des historischen Postpalastes in der bayrischen Hauptstadt wurden zur NSA-Zentrale umfunktioniert.

SNOWDEN Film Still 2016 (Foto: Universum)
Filmszene aus Oliver Stones Film "Snowden"Bild: Universum

Der Film zeichnet den Werdegang Edward Snowdens akribisch nach. Zunächst ein aufstrebender, sehr intelligenter und begabter junger Mann, der seinem Land dienen will, wandelt sich Snowden im Lauf der Filmhandlung zum nachfragenden und dann zum kritischen Mitarbeiter der US-Geheimdienste. Irgendwann mündet die Kritik dann in den Gedanken, etwas tun zu wollen, sich zu wehren. Im eigenen Land mit seinem Wissen an die Öffentlichkeit zu gehen, wird von Snowden als zu risikoreich angesehen. Deshalb entschließt sich der junge IT-Spezialist zur Flucht ins Ausland.

"Snowden würde gern zurückkehren…"

Daraus hat Oliver Stone einen überaus spannenden und packenden Politkrimi gemacht. Und es ist keine fiktive Hochspannungsstory à la Hollywood, die Stone dem Zuschauer erzählt:. Snowden befindet sich immer noch im Moskauer Exil. Wenn er könnte, so Oliver Stone, dann würde Edward Snowden eher heute als morgen in seine Heimat zurückkehren. Doch derzeit würde er wohl keinen halbwegs fairen Prozeß in den USA bekommen.

Menschenrechtsorganisationen rufen derzeit in einer gemeinsamen Kampagne Obama auf, den Whistleblower zu begnadigen. Auch Stone selbst forderte in bei der Weltpremiere seines Films im kanadischen Toronto eine Begnadigung Snowdens. "Wir hoffen", sagte er, "dass Obama einen Geistesblitz hat."

In den USA blieb der Film beim Kinostart hinter den Erwartungen zurück. Mit einer eingespielten Summe von acht Millionen Dollar (7,2 Mio Euro) schaffte es der Film mit Joseph Gordon-Levitt am Wochenende lediglich auf den vierten Platz der nordamerikanischen Kinocharts. Es sei der schlechteste Start eines Oliver-Stone-Films bisher, so der "Hollywood Reporter". Am 19. September feiert Stones Film Europa- und Deutschlandpremiere in München. Man darf gespannt sein, wie er beim deutschen Publikum ankommt.

Mehr zu "Snowden" in der Ausgabe von KINO (17.9.). Außerdem stellen wir vor: Fatih Akins Bestseller-Verfilmung "Tschick" und die in Venedig ausgezeichnete Nachwuchsdarstellerin Paula Beer im Porträt.