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Snowden: NSA späht Bürgerrechtler aus

8. April 2014

Wie der US-Geheimdienst NSA systematisch Politiker belauscht, hat der Geheimdienstenthüller Snowden längst bekanntgemacht. Dass die NSA auch Bürger- und Menschenrechtler ausforscht, verriet er jetzt per Videokonferenz.

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Edward Snowden bei der Videoschalte im Europarat (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Für den Informanten Edward Snowden ist die NSA-Abhöraffäre noch längst nicht abgehakt. Vor dem Europarat in Straßburg erhob der frühere Geheimdienstmitarbeiter via Videokonferenz neue Vorwürfe gegen den US-Geheimdienst und mahnte die Politiker in Europa, schleunigst die Privatsphäre ihrer Bürger besser zu schützen. Snowden sagte, auch Bürgerrechtler seien Ziel von Ausspähungen. "Die NSA hat speziell die Kommunikation von Vorsitzenden oder Mitarbeitern einer Reihe von Bürgerrechts- oder Menschenrechtsgruppen ins Visier genommen." Auch andere Nichtregierungsorganisationen sowie Gewerkschaften und Unternehmen würden ausgespäht.

Zudem geriet eine Vielzahl unverdächtiger Bürger ins Schleppnetz des Geheimdienstes, weil sie bestimmte Webseiten aufriefen, sagte Snowden bei seinem etwa halbstündigen Auftritt. Die Technik ermögliche es heute, Profilbilder von Millionen von Menschen anzufertigen, gegen die keinerlei Verdacht vorliege, sagte der in Moskau im Exil lebende Amerikaner in der Konferenz mit Experten und Mitgliedern der Parlamentarischen Versammlung des Europarats in Straßburg.

Die NSA etwa benutze E-Mail-Kontakte, Kreditkarten-Nummern, den Zugriff von Bürgern zu Internet-Seiten und andere Informationen, um Profile von Einzelpersonen oder Gruppen zu erstellen, erläuterte Snowden. Sie sammele auf diese Weise unter anderem Angaben über die sexuelle Ausrichtung von Menschen und ihre religiösen Praktiken, die dann gegen die Betroffenen verwendet werden könnten.

"Illegale" Informationen auch vor Gericht

Die Ausforschung geschehe "ohne jeden Gerichtsbeschluss, ohne Anweisung durch einen Richter", sagte Snowden, dem Mitglieder des Rechtsausschusses in der Parlamentarier-Versammlung zuvor mehrere Fragen übermittelt hatten. Das Gleiche gelte für das Ausspähen von Politikern in anderen Staaten, etwa in Deutschland. In den USA könnten solche "auf illegale Weise" gesammelten Informationen zudem vor Gericht gegen Beschuldigte verwendet werden.

Snowden hatte den NSA-Skandal im Juni 2013 ins Rollen gebracht, als er geheime Unterlagen über die Arbeit des Nachrichtendienstes an Journalisten übergab. So überwachte die NSA nicht nur massenhaft E-Mails und Telefonate von unbescholtenen Bürgern rund um die Welt, sondern hörte auch Spitzenpolitiker aus befreundeten Staaten ab, unter ihnen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Snowden wird von den USA per internationalem Haftbefehl wegen Geheimnisverrats gesucht.

Prestige-Erfolg für Europarat

Mit Snowdens Auftritt ist dem Europarat ein kleiner Coup gelungen. Die Staatenorganisation steht normalerweise im Schatten der Europäischen Union. Doch im EU-Parlament kam es nur zu einer schriftlichen Befragung des Spionage-Enthüllers. Die Video-Übertragung lief teils ruckelig, zu sehen war Snowdens Kopf vor einem dunklen Hintergrund. Dem Europarat gehören 47 Mitgliedsländer an, darunter auch Russland. Dort hat Snowden vorläufig Asyl erhalten.

Snowden-Anhörung in Berlin?

Bei seinem etwa 30-minütigen Auftritt erläuterte der Whistleblower, dass der US-Geheimdienst NSA eng mit den deutschen Geheimdiensten zusammenarbeite. "Die NSA und Deutschland tauschen Daten hin und her", sagte Snowden. "Sie haben eine enge Partnerschaft." Es gebe legitime Gründe für eine Zusammenarbeit der Geheimdienste, aber es fehle eine rechtsstaatliche Kontrolle.

In Berlin hat der Bundestag einen Untersuchungsausschuss zu den Spionageaktivitäten der USA und Großbritanniens eingesetzt. Er nahm am Donnerstag die Arbeit auf. Das achtköpfige Gremium soll auch die Rolle der Bundesregierung in der NSA-Affäre beleuchten. Auf Antrag von Linken und Grünen soll Snowden auch von diesem Ausschuss gehört werden.

kle/se (dpa, afp)