Slowenien: Lipica, Heimat der Lipizzaner
Sein Name ist Neapolitano Capriola XIV. Er ist weiß, 19 Jahre alt und einer der sechs Stammhalter im slowenischen Lipica – dem ältesten Lipizzaner-Gestüt der Welt. Seit über 400 Jahren werden hier Lipizzaner gezüchtet.
Lipizzaner gehören zu den schönsten und edelsten Pferden der Welt. Auch Kaiserschimmel genannt, sind Lipizzaner wahrlich die Adeligen unter den Pferden. Nicht nur wegen des unverwechselbar graziösen Aussehens und des eleganten federnden Gangs - auch ihre Stammlinien werden penibel verfolgt und geschützt.
Auf das Stammbuch kommt es an
Jedes Pferd aus Lipica hat einen in dicken Büchern verbrieften Stammbaum. Das ist wichtig, denn die Reinheit der Pferderasse gehört zu einem der wichtigsten Merkmale der Lipizzaner. "Bei der Zucht müssen wir darauf achten, dass es zu keiner Paarung zwischen Verwandten kommt", sagt Boris Poles, der Stallmeister in Lipica. "Deswegen haben die alten Züchter verschiedene Familien gebildet, verschiedene Blutlinien, als Grundlage für die Züchtung. In der klassischen Zucht gibt es sechs Hengstlinien und 16 Linien bei den Stuten."
Durch das Lipizzaner-Reinheitsgebot gestaltet sich die Aufzucht als ein kompliziertes Unternehmen, bei dem alle vier Jahre ein anderer Hengst die Familienlinie fortsetzen muss. Die Menschen in Lipica haben damit schon lange Erfahrung, seit Generationen arbeiten viele von ihnen rund um die Pferdezucht, sagt Poles: "Die Tradition ganzer Dörfer ist mit dem kaiserlichen Gestüt in Lipica verbunden."
Kleine Linde mit großer Wirkung
Das kleine Dorf Lipica liegt an der Hochebene oberhalb der italienischen Hafenstadt Triest. Den Namen - er bedeutet "Kleine Linde" - bekam es wegen der vielen Lindenbäume, die hier wachsen. Das slowenische Wort für Linde ist "Lipa". Auch heute noch wird für jedes neue Fohlen, das zur Welt kommt, ein neuer Baum gepflanzt. Etwa 50 Familien leben im Dorf. Alle arbeiten entweder auf dem Gestüt oder in den dazugehörenden Hotels.
Die Geburtsstunde der Lipizzaner-Rasse schlug im Jahr 1580. Damals ließ der Habsburger Kaiser Rudolf II. eine Herde leichter Pferde aus Spanien nach Österreich bringen und im Gestüt Lipica mit den einheimischen Karstpferden kreuzen. Zunächst als Kriegs- und Arbeitspferde gezüchtet, nutzte man sie mit der Zeit immer mehr als Paradepferde, zum Kutschenfahren und für die Dressur in der klassischen Reitkunst.
Klein und kompakt oder groß und schnell?
Auch heute bestimmen diese Richtlinien die Zucht der Lipizzaner: "Die Klassische Reitschule verlangt ein starkes Pferd, das kompakt und nicht zu hoch ist. Das hat mit der Stabilität zu tun, wenn es sich zum Beispiel aufbäumt. Um Kutschen zu ziehen, ist es am wichtigsten, dass das Pferd schnell und zäh ist. Deswegen werden dafür die größeren, schmaleren Pferde genommen", sagt Poles.
Lange Zeit kamen alle Lipizzaner der Kaiserlichen Reitschule in Wien, die wegen des Ursprungs der Pferde "Spanische Hofreitschule" heißt, nur aus Lipica. Doch als die österreichisch-ungarische Monarchie 1918 zerfiel, führte man die halbe Herde aus Lipica in das österreichische Gestüt Piber über und versorgte fortan von dort aus die Reitschule in der Hauptstadt. Das Gestüt in Lipica setzte die Zucht fort und gründete bald eine eigene Klassische Reitschule, die sich heute erfolgreich auf den zahlreichen internationalen Wettbewerben vorstellt.
Inzwischen hat auch das Slowenische Verteidigungsministerium mit der Bildung einer eigenen Lipizzanerstaffel nur für Empfänge und zur protokollarischen Zwecken begonnen. Damit werden Lipizzaner aus Lipica künftig wieder im internationalen Rampenlicht stehen.