Skiresort statt Weltkulturerbe?
18. Februar 2018Blaue Gletscherseen, weite Nadelwälder, schneebedeckte Bergspitzen: ein Bild wie auf einer Postkarte. So erleben Besucher den bulgarischen Nationalpark Pirin; seit 1983 steht er auf der UNESCO-Welterbeliste. Er ist Heimat für seltene Tiere und Pflanzen, darunter die älteste Kiefer der Balkan-Region. Diese Idylle aber ist jetzt in Gefahr. Denn der bulgarische Premierminister hat andere Vorstellungen für den Naturschatz: Er möchte den Nationalpark in ein großes Skigebiet umwandeln. Im Dezember hat seine Regierung Pläne verabschiedet, um die Infrastruktur mit Straßen und Liftanlagen massiv auszubauen.
"Grüne Jihadistin"
Naturschützer in Sofia, unterstützt von den Grünen im Europaparlament, schlagen Alarm. Als Ska Keller, Co-Vorsitzende der grünen Fraktion, vor kurzem Bulgarien besuchte und sich dort an Protesten beteiligte, erlebte sie eine ungewöhnliche Behandlung durch die dortige Regierung. Vizepremier Waleri Simeonow attackierte die Abgeordnete "als grüne Jihadistin" und unterstützte eine Erklärung seiner Partei "Nationale Front", in der die Ausweisung Kellers aus dem Land gefordert wurde. Die Parlamentarierin reagierte schockiert: "Ich bin seit vielen Jahren aktive Politikerin und habe so etwas noch nie gehört, weder inner- noch außerhalb der Europäischen Union".
Keller beschwerte sich bei der EU-Kommission, und die intervenierte in Sofia. Schließlich führt die Regierung Borissow gerade als Ratspräsidentschaft die EU-Geschäfte und sollte sich eigentlich vorbildlich verhalten. Aber statt der erwarteten Entschuldigung kam lediglich eine karge Erklärung: Die Ansicht des Koalitionspartners entspreche nicht der Position der Regierung. Von Simeonow selbst, der bereits früher wegen Hasstiraden gegen Roma verurteilt worden war, gab es keine Stellungnahme.
Ausbau trotz EU-Schutz
Der Nationalpark Pirin steht nicht nur unter dem Schutz der UN, sondern gehört auch zum europäischen Naturerbe. Bisher aber hat sich Brüssel noch nicht mit den Ausbauplänen befasst. Für Katerina Rakovska vom World Wide Fund for Nature (WWF) steht fest: "Die Baupläne verstoßen mehrfach gegen geltendes bulgarisches Recht", außerdem setze sich die Regierung damit über eine EU-Richtlinie hinweg. Der Nationalpark Pirin ist Teil von Natura 2000, einem europaweiten Netzwerk von Naturschutzgebieten. Alle Baupläne müssten deshalb besonders auf ihre Umweltverträglichkeit geprüft werden. "Das ist im vorliegenden Fall einfach nicht geschehen", sagt Rakovska.
Warum aber will die Regierung in Sofia ausgerechnet diesen Naturpark zum Skigebiet ausbauen? Der WWF hat das Vorhaben untersucht und festgestellt, dass sich der Plan wirtschaftlich eigentlich nicht lohnt. Die Berge in der Region sind nicht geeignet, um ernsthaft Skifahrer anzuziehen. "Die Entscheidung der Regierung ist vor allem für den Betreiber des Ski-Resorts im Pirin-Park von Vorteil", sagt Katerina Rakovska.
Und hier wird die Geschichte interessant: Dieser Betreiber ist das bulgarische Unternehmen "Yulen". Borislav Sandov von den bulgarischen Grünen glaubt, dass die Öffentlichkeit von der Regierung über die wahren Hintergünde getäuscht wird. Denn er hat recherchiert, dass hinter Yulen ein Unternehmen "DUC Nominees" mit einem zypriotischen Eigentümer steht. Gräbt man weiter, erscheint schließlich eine Offshore-Gesellschaft auf den British Virgin Islands. Sandov und und seine Parteifreunde gehen davon aus, dass es von dieser Holding Verbindungen zum organisierten Verbrechen gibt.
Die WWF-Vertreterin deutet einen Korruptionsverdacht eher vorsichtig an: "Vielleicht handelt es sich hier um einen großen Interessenkonflikt."
Nationalpark Pirin – Zukunft ungeklärt
Vor allem von der EU aber erhofft sich Katerina Rakovska mehr Unterstützung. "Wir erwarten, dass die Kommission für die Implementierung der Natura 2000-Vorgaben stärker eintritt", sagt sie. Auf Anfrage der Deutschen Welle erklärte allerdings ein Kommissionsprecher, dass der Fall bislang allein in nationaler Zuständigkeit liegt. Als Hüterin der Verträge achte Brüssel bei Projekten mit Einfluss auf die Umwelt zwar auf die Einhaltung von EU-Normen. Zu diesem Zeitpunkt allerdings bestehe "kein Verstoß gegen EU-Umweltregeln."
Die Umweltschützer vom WWF, die Grünen in Bulgarien und im Europaparlament aber kritisieren den sich abzeichnenden Umwelt-Skandal scharf. Ska Keller schrieb an den bulgarischen Ministerpräsidenten: "Die neuen Management-Pläne für Pirin erlauben in der spektakulären Natur des Nationalparks einen Ausbau der kommerziellen Aktivitäten, des Holzeinschlags und der Skianlagen um bis zu 48 Prozent. Das ist viel zu viel."