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Berlusconis surreales Theater

Kirstin Hausen19. September 2013

Italiens ehemaliger Regierungschef wendet sich mal wieder direkt an das Volk: In einer 16-minütigen Videobotschaft stellt sich Berlusconi als unschuldiges Opfer der Justiz und politischer Verfolgter dar.

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Silvio Berlusconi (Foto: rtr)
Bild: Reuters

Eigentlich ist alles ganz einfach. Laut italienischem Gesetz muss ein Parlamentarier mit einer Haftstrafe von mehr als zwei Jahren sein politisches Amt abgeben. Silvio Berlusconi ist rechtskräftig zu vier Jahren Gefängnis verurteilt worden. Doch er sitzt noch immer im Senat. Die Abstimmung eines Gremiums über Berlusconis Ausschluss ist mehrfach verschoben worden und immer noch nicht ist klar, ob und wann Berlusconi sein Amt abgeben muss.

Wie immer, wenn es für ihn knapp wird, schindet Berlusconi Zeit. Zeit, um sich die nötigen Stimmen zusammenzukaufen? Der Verdacht ist erlaubt, da es in der Vergangenheit bereits Gerüchte um diese ehrenrührige und illegale, aber effektive Methode, Parlamentarier zu überzeugen, gegeben hat. So soll Silvio Berlusconi 2006 den Sturz des damaligen Regierungschefs Romano Prodi erzielt haben, indem er drei Millionen Euro an den Senator Sergio De Gregorio und dessen Stiftung zahlte, um ihn und ein paar Mitstreiter zum Wechsel in sein politisches Lager zu bewegen. In Neapel läuft deswegen ein Prozess und De Gregorio persönlich beschuldigt Berlusconi, ihn bestochen zu haben. Es ist nur einer von mehreren Prozessen, die gegen Silvio Berlusconi im Gange sind.

Berlusconi, das Unschuldslamm

Und so beklagt sich Berlusconi, das Lieblingsopfer der italienischen Justiz zu sein. Man wolle ihn über den Gerichtsweg "ausschalten", weil es politisch niemand mit ihm aufnehmen könne.

In einer 16-minütigen Video-Ansprache ans Volk, die Berlusconi wie gewohnt am Schreibtisch in seiner Villa in Arcore sitzend hat aufnehmen lassen, beschuldigt er die Richter und Staatsanwälte, ihn, seine Familie, seine Freunde und seine Angestellten "zerstören zu wollen" und gegen ihn einen Straftatbestand "erfunden zu haben, ohne auch nur einen Beweis zu haben". Er behauptet, fast 50 Prozesse erduldet zu haben, ohne jemals verurteilt worden zu sein, was nicht der Wahrheit entspricht. "Sechs Lügen in 16 Minuten" zählt Massimo Giannini, Ressortchef bei der links-liberalen Tageszeitung La Repubblica.

Skurril, surreal und unfreiwillig komisch

Das Video entbehrt nicht einer unfreiwilligen Komik. Berlusconi redet sich in Fahrt und spätestens, als er sich theatralisch an die Brust schlägt und an alle, die ihr Vaterland Italien lieben, appelliert zu rebellieren, schlägt die Rede zur Selbstverteidigung in einen Wahlkampfspot um.

Genau wie vor 20 Jahren propagiert er "Forza Italia" als die Partei der rechtschaffenen Bürger, die sich gegen den Steuerdruck des Staats zur Wehr setzen und Hüter der Demokratie sein wollen. Insgesamt bietet Berlusconi ein surreales Theater, auf das in den sozialen Netzwerken und auf den Onlineseiten der italienischen Medien mit Häme und Ironie reagiert wird. Hunderte Parodien sind im Umlauf, Antwortbotschaften ernster und weniger ernster Natur.

Sorge um Stabilität der Regierung

Auf die Regierung von Enrico Letta geht Berlusconi in seiner Videoansprache nicht ein, doch die Kabinettsmitglieder von der Demokratischen Partei sorgen sich um die Stabilität der Regierungskoalition. Mehrfach hatten Berlusconis Minister gedroht, bei einem Ausschluss ihres Chefs aus dem Senat zurückzutreten und Letta so zu stürzen.

Die Berlusconi-Partei PDL ist zu einer Solidaritätsgemeinschaft geworden, die ihr Schicksal an das von Silvio Berlusconi geknüpft hat. Sollte er fallen, stürzt das ganze Parteigebilde wie ein Kartenhaus zusammen. Und niemand schert aus, um die eigene politische Zukunft zu sichern. Das ist bemerkenswert in einem Land, in dem das Wort der Parteidisziplin unbekannt ist und die Abgeordneten sich mehr an ihr eigenes Gewissen oder die eigenen Interessen gebunden fühlen als an die Parteilinie.

Die PDL-Mitglieder verhalten sich dagegen wie das Fußvolk eines Herrschers, der keinen Widerspruch duldet. Frei nach dem Motto "in den Teller, von dem ich esse, spucke ich nicht" wiederholen sie brav die Litanei von Berlusconis Unschuld.

Es wird eng für Berlusconi

Der Senatsausschuss wird über Berlusconis Amtsenthebung abstimmen, die Zeit läuft. Aber obwohl es eng wird, gibt der 76-Jährige seine politischen Ambitionen nicht auf. Im Gegenteil - gerade erst hat er die neue Parteizentrale von "Forza Italia" eröffnet und verkündet, auch dann weiter Politik zu machen, wenn er seinen Senatssitz verlieren sollte. Als Spitzenkandidatin bei den nächsten Wahlen könnte seine älteste Tochter Marina antreten.

Die teilt mit ihrem Vater nicht nur die Schwäche für Plastische Chirurgie, sondern auch den Willen, die Macht zu behalten. Als Präsidentin der Fininvest würde sie dann auch das Heer der "Abgeordneten-Angestellten" von Berlusconi dirigieren und ihr Vater könnte sich ganz auf sein schauspielerisches Talent konzentrieren. Und sich mit Videoansprachen eine weltweite Fangemeinde im Internet erobern.