1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Keine Angst vor Kitsch

6. Juni 2009

Silbermond gehören zu den erfolgreichsten Bands in Deutschland. Ihr neues Album "Nichts Passiert" schaffte direkt den Sprung an die Spitze der deutschen Charts. Obwohl es manchmal so gar nicht nach Silbermond klingt.

https://p.dw.com/p/HyHX
Stefanie Kloß und der Gitarrist Thomas Stolle (Quelle: AP/Keystone, Steffen Schmidt)
Frontfrau Stefanie Kloß und Gitarrist Thomas Stolle auf der BühneBild: AP

Seit zehn Jahren gibt es die Band Silbermond. Als Schülerband spielten die Musiker um die Sängerin Stefanie Kloß noch internationale Hits nach. Als sie dann eigene Songs mit deutschen Texten präsentierten, wurden sie zunächst noch belächelt. Das hat sich mittlerweile geändert. Denn durch die Zusammenarbeit mit Künstlern wie Udo Lindenberg hat sich das Quartett Glaubwürdigkeit - nicht nur bei ihren Fans – erspielt, und der Erfolg ihrer ersten Alben gab ihnen ohnehin recht. Vor allem Silbermonds Livekonzerte sind ein Garant für gute Unterhaltung. Das hat auch damit zu tun, dass Sängerin Stefanie Kloß und ihre Kollegen sehr viel Wert auf guten Kontakt mit ihren Fans legen. Bei Preisverleihungen gehen sie auch mal für längere Zeit vom roten Teppich und geben bereitwillig Autogramme oder stehen für Fotos mit ihren Fans zur Verfügung. Im Deutsche Welle Interview erzählen Silbermond vom dritten Album, ihrem Umgang mit der deutschen Sprache und über ihre Liveperformance.

Die beste Platte unseres Lebens

DW-WORLD.DE: Auf eurem neuen Album "Nichts Passiert" habt ihr euch ein wenig weg vom typischen Silbermond-Deutschrock bewegt und auch mit anderen Musikstilen gearbeitet. War das Zufall oder wolltet ihr von vornherein andere Wege gehen?

Album-Cover 'nichts passiert' (Quelle: dw)
Das aktuelle Album von Silbermond "Nichts Passiert"

Stefanie Kloß: Auch wenn wir uns jetzt schon zehn Jahre kennen, man entdeckt bei sich immer neue Seiten. Das ganze letzte Jahr war für uns sowohl musikalisch ein kleines Experiment als auch menschlich. Wir haben uns selber ein bisschen auf die Probe gestellt. Es war am Anfang nicht ganz einfach in den Schreibprozess hereinzukommen, weil nach den beiden ersten Alben natürlich eine gewisse Erwartungshaltung vorhanden war. Das kann man nicht so einfach ignorieren, auch wenn man es gerne möchte. Und dann kommt auch noch der eigene Anspruch dazu, dass man die beste Platte seines Lebens schreiben möchte. Wir haben sehr viel herumexperimentiert. Wir haben auch mal einen Song mit einer Keyboardfläche begonnen und mal nicht mit einem Gitarrenriff. Außerdem haben wir viel mit elektronischen Sounds gearbeitet. Beim zweiten Album hatten wir so etwas noch verflucht.

In den letzten zwei, drei Jahren habt ihr mit Musikern aus den verschiedensten Musikrichtungen zusammen gearbeitet, so z.B. mit dem Rapper Curse oder auch mit Udo Lindenberg. Inwieweit hatten diese Arbeiten Einfluss auf die neuen Songs?

Andreas Nowak: Das hat sicherlich im Unterbewusstsein eine Rolle gespielt. Im HipHop geht man ja ganz anders an die Musik heran. Da geht es zunächst erst einmal mit einem Beat los. Diesmal haben wir auch Loops programmiert und erst dann die Rhythmen auf das Schlagzeug übertragen. Diese Kollaborationen waren für uns eine große Bereicherung.

"Leicht und naiv Musik machen"

Songs wie "Tanz aus der Reihe" haben sogar einen leichten Dance-Musik-Charakter. So etwas hätte man euch vor zwei, drei Jahren noch nicht zugetraut.

Thomas Stolle: Wir haben einfach versucht, ganz leicht und naiv Musik zu machen, ohne darüber nachzudenken, was andere von uns erwarten und was wir von uns erwarten. Das mündete dann in solche Songs wie "Tanz aus der Reihe", weil wir wie früher mal wieder im Proberaum gejammt hatten. Wir haben das dann einfach durchgezogen, auch wenn vielleicht der eine oder andere sagt, "ach, das klingt jetzt ja gar nicht mehr nach Silbermond". Wir haben schon immer das gemacht, worauf wir Lust hatten.

Schon seit euren Anfangstagen werden eure Texte von Kritikern in die Abteilung "seichter Schlager" gesteckt. Mit "Die Liebe lässt mich nicht" habt ihr jetzt einen Song geschrieben, der tatsächlich auch von Schlagerstars gesungen werden könnte. Und das ist noch nicht einmal abwertend gemeint.

Stefanie Kloß: Wir hatten uns auf die Fahne geschrieben, dass wir ehrlich, geradeaus sein wollten und nicht mehr überlegen, ob ich jetzt diesen Text so oder so sagen kann. Davor hat ja jeder in Deutschland Angst, ob er Worte wie Herz oder Liebe überhaupt benutzen kann. Und wir sagten uns, warum nicht? Ich bin ganz ehrlich, wenn ich mir die Zeilen durchlese, dann sage ich mir: Ja, genau so ist es. Ich fühle mich beschissen, wenn mich ein Typ verlassen hat, habe kein Selbstbewusstsein mehr und gehe tagelang nicht raus, weil ich mich schlecht fühle.

Stört es euch eigentlich, dass viele Menschen euch nur durch Balladen wie "Das Beste" oder "Irgendwas bleibt" kennen?

Andreas Nowak: Die Balladen sind ein großer Teil von uns. Aber es ist natürlich so, dass eine Ballade emotional mehr greift als wenn man einen gesellschaftskritischen Song schreibt. Allerdings gehören auch die schnellen, deftigen Nummern dazu.

Gegen die Gleichgültigkeit

Der Gesang auf "Nichts Passiert" ist viel variantenreicher geworden. Hattest du in letzter Zeit verstärkt Gesangsunterricht genommen?

Silbermond aus Bautzen (Quelle: dpa/ Jochen Lübke)
Die Band "Silbermond" aus BautzenBild: dpa

Stefanie Kloß: Meine Stimme klingt auf der neuen Platte etwas anders. Denn in meinem Alter entwickelt sich die Stimme noch sehr. Die Stimme wird mit zunehmendem Alter etwas tiefer und auch voluminöser. Außerdem hat sich unser Songwriting auch ein wenig geändert. Die Tonumfänge sind wesentlich größer als beim Album davor.

Zusammen mit dem deutschen Soulmusiker Jan Delay habt ihr den Song "Nicht mein Problem" eingespielt. Ist das Kritik an der "Kein-Bock-Generation"?

Stefanie Kloß: "Nicht mein Problem" ist ein Song, der aus der Beobachtung entstanden ist. In Deutschland – und da besonders in den Großstädten - sind die Menschen immer egoistischer und gleichgültiger geworden. So nach dem Motto "wenn die Deutsche Bahn streikt, egal, ich fahre ja mit dem Auto" oder "wenn die NPD ein paar mehr Prozente bekommt, ich habe sie ja nicht gewählt." Und diese Beobachtungen haben wir versucht, auf ironische Weise einzufangen. Dabei geht es aber nicht nur um die Jugend.

Bei eurer Deutschlandtour werdet ihr jetzt in immer größeren Hallen spielen müssen. Wie wird eure Show dann aussehen? Gibt es aufwändigere Bühnendekorationen, mehr Lichteffekte und Videoanimationen?

Stefanie Kloß: Wir sagen uns jetzt nicht, dass alles live bombastischer werden muss. Man kann allerdings mit dem Licht gewisse Emotionen eines Songs verstärken. Darüber machen wir uns viele Gedanken, was man in der Hinsicht alles machen kann, um den Leuten ein cooles Liveerlebnis zu bieten. Damit die Fans dann zufrieden nach Hause gehen können.

Autor: Ralf Kennel

Redaktion: Mattthias Klaus