Signal an die Politik
30. September 2014Waren es die vielen kontroversen Diskussionen im Vorfeld? Der Streit darüber, ob man angesichts der kritischen Lage in der Ukraine und den gegen Russland verhängten Sanktionen das lange geplante deutsch-russische Wirtschaftstreffen nicht besser hätte absagen sollen? Vor allem die Grünen und die CDU in Mecklenburg-Vorpommern hatten das gefordert. War es das große Medieninteresse? Die angekündigte Teilnahme von Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder? Oder sind wirklich so viele Unternehmer an der Verbesserung der deutsch-russischen Geschäftsbeziehungen interessiert?
Mit 250 Gästen hatten die Organisatoren des Russland-Tages in Rostock-Warnemünde gerechnet, am Ende meldeten sich mehr als 400 Teilnehmer an. Dazu kamen noch fast einhundert Journalisten und so musste der Begrüßungsabend, der eigentlich in der Sky-Lobby im Hotel Neptun stattfinden sollte, kurzerhand ins gegenüber liegende Kurhaus verlegt werden. Bei allen sei nun "konstruktive Improvisation" gefragt, erklärte Erwin Sellering, Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern den Gästen zur Begrüßung. Vor allem bei der Suche nach den passenden Gesprächspartnern.
Unter dem politischen Radar bleiben
Das Gespräch suchen, dafür soll der Russland-Tag nach Sellerings Ansicht da sein. Mehr könne und wolle das Wirtschaftstreffen auf regionaler Ebene nicht leisten. "Uns allen ist bewusst, dass dieses Wirtschaftstreffen in politisch sehr schwierigen Zeiten stattfindet", so der Ministerpräsident. Dennoch liege es "im vitalen Interesse" seines Landes, die über Jahre gewachsenen Wirtschaftsbeziehungen mit Russland weiter auszubauen.
Auf dem Russland-Tag würden alle darauf setzen, dass sich der Konflikt nicht weiter verschärfe, sondern dass er konstruktiv gelöst werde."Klar ist aber auch, dass die politischen Gespräche zur Lösung der Krise auf anderer Ebene geführt werden müssen. Wir sollten uns also nicht damit überfordern, dass wir politische Statements oder Forderungen an die andere Seite richten."
Vitale Wirtschaftsinteressen
Eine klare Botschaft, die bei den Russen gut ankommt. Mecklenburg-Vorpommern unterhält seit Jahren eine enge Partnerschaft zum Leningrader Gebiet rund um St. Petersburg. Gegenseitige politische Besuche mit Wirtschaftsdelegationen waren in der Vergangenheit selbstverständlich. 2013 stand Russland auf Platz vier der Liste der wichtigsten Außenhandelspartner des nordöstlichen Bundeslandes. Im ersten Halbjahr 2014 rückte Russland auf Platz zwei vor.
Zudem haben eine Reihe wichtiger Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern inzwischen russische Eigentümer: die Nordic-Werften in Wismar, Warnemünde und Stralsund, sowie der Holzverarbeiter Illim Timber in Wismar. Schließlich ist Lubmin der Anlandepunkt der Ostseepipeline Nordstream, durch die russisches Gas nach Deutschland fließt. Mecklenburg-Vorpommern ist ein strukturschwaches Bundesland, es gibt wenig Industrie. Der Tourismus ist die Branche, mit der am meisten verdient wird.
Signal an die Politik senden
Die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen seien keine Einbahnstraße, bei der es nur um die Gasversorgung gehe, betonte der aus der Oblast Leningrad angereiste Gouverneur Aleksander Jurjewitsch Drosdenko. Im vergangenen Jahr habe der Warenumsatz des Leningrader Gebiets mit Deutschland über eine Milliarde Euro betragen. Ein Viertel davon sei auf Exporte aus dem Gebiet entfallen, aber 800 Millionen Euro seien für Importe aus Deutschland ausgegeben worden.
Auch Drosdenko setzt darauf, die Wirtschaftsbeziehungen jenseits der großen politischen Linien weiterentwickeln zu können. Ministerpräsident Sellering und er seien nicht für die globale Politik zuständig. "Es ist nicht unser Ziel und unsere Aufgabe, politische Entwicklungen zu bestimmen, sondern die ökonomischen und sozialen, die einfachen Beziehungen zwischen Menschen zu entwickeln und zu vertiefen." Diese Botschaft müsse der Russland-Tag als Signal an die Politik senden.