Signa-Insolvenz: Die möglichen Folgen in Deutschland
30. November 2023Das jahrelange Zittern der Beschäftigten in den Galeria-Karstadt-Kaufhof-Warenhäusern in deutschen Innenstädten geht weiter. "Es ist eine absolute Verunsicherung vorhanden", stellt Corinna Groß von der Gewerkschaft Verdi gegenüber der DW fest.
Zwei Insolvenzen haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den vergangenen Jahren schon durchgemacht. Von über 170 Filialen zu Beginn des Jahres 2020 sind nur noch 91 übriggeblieben. Um die zukunftstüchtig zu machen, hatte Galeria gerade im Frühjahr einen Insolvenzplan vorgelegt. Der steht durch die Insolvenz der Signa Holding nun zum Teil wieder in Frage, und das Geld könnte knapp werden. Denn der Insolvenzplan sieht vor, dass der Mutterkonzern Signa 200 Millionen Euro zur Sanierung von Galeria beisteuert. Allerdings ist ein Großteil dieser Gelder noch nicht geflossen.
Deutschlands letzte große Kaufhauskette Galeria Karstadt Kaufhof gehört einer der rund 1000 Firmen des Signa-Netzwerks, der schweizerischen Signa Retail Selection AG, die ebenfalls Gläubigerschutz beantragt hat.
Signa-Insolvenz als Chance für Galeria?
"Wenn diese Investitionen nicht kommen, um die Warenhäuser auf den neuesten Stand zu bringen, dann haben wir ein großes Problem", so Hendrik Schröder gegenüber der DW. Er ist Professor für Marketing und Handel an der Universität Duisburg-Essen. "Und dieses Problem wird auch derjenige haben, der möglicherweise ein Interesse an der Übernahme der Warenhäuser hat."
In der Gewerkschaft Verdi hegt man derweil die Hoffnung, dass die Insolvenz in Eigenverantwortung auch die Chance biete, einen neuen Eigentümer für Galeria zu finden. Die Möglichkeit eines Verkaufs besteht formal seit Mittwochabend. Da hatte die Signa Retail Selection AG Schritte in die Wege geleitet, Geschäfte geordnet abwickeln zu können, will heißen: Geschäftsteile verkaufen zu können.
Die Hoffnung der Beschäftigtenvertreter: Es möge sich ein interessierter Händler finden, der die Warenhäuser übernimmt. Das wäre aus Sicht von Verdi in jedem Fall einem Immobilieninvestor wie bisher Signa vorzuziehen. "Weil Mieten sofort den Gewinn aus den Unternehmen ziehen", so Corinna Groß. "Wenn der Eigentümer also ein Immobilieninvestor ist, dann ist das meines Erachtens die schlechteste Grundlage für ein Einzelhandelsunternehmen."
Immerhin gehen der Konzern selbst und auch Verdi davon aus, dass in unmittelbarer Zukunft alle Geschäfte wie gewohnt weiterlaufen werden - aktuell also vor allem mit Blick auf das umsatzstarke Weihnachtsgeschäft. Aus dem Galeria-Konzern heißt es, die Situation habe aktuell keine unmittelbar negativen Auswirkungen, man werde den Ausgang des Signa-Insolvenzverfahrens in Ruhe abwarten.
Wie viele Millionen haben deutsche Banken im Feuer?
Unruhe dürfte dagegen in einigen Banken entstehen. Denn Signa ist vor allem über die Aufnahme von Schulden gewachsen - sprich: mit Hilfe von Bankkrediten. Zum Beispiel hat die Schweizer Privatbank Julius Bär im November Abschreibungen in Höhe von 70 Millionen Franken vorgenommen. Das potenzielle Ausfallvolumen liegt jedoch bei gut 600 Millionen Schweizer Franken.
Auch deutsche Landesbanken dürften engagiert sein: Die hessische Helaba sei mit einem mittleren dreistelligen Millionen-Betrag involviert, heißt es in Finanzkreisen. Die Helaba dementiert das nicht offensiv. Offiziell heißt es aber, man äußere sich nicht zu einzelnen Kundenbeziehungen. BayernLB und NordLB hätten laut Beobachtern Beträge in ähnlicher Höher verliehen. Auch die württembergische LBBW sei mit von der Partie, offiziell bestätigt ist aber auch das nicht.
Immobilienmarkt ohnehin unter Druck
"Auch alle anderen Banken, die der Benko-Gruppe Geld geliehen haben, wären gut beraten, wenn sie Kapital zur Risikovorsorge zurückstellen", rät Dieter Hein gegenüber DW. Er ist bankenunabhängiger Analyst der Bankenbranche im Haus Fairesearch. "Denn man konnte im Vorfeld erwarten, dass Immobiliengruppen Probleme haben. Da ist Signa nicht die einzige Gruppe, die Probleme hat oder bekommen wird."
So wird möglicherweise auch noch mehr Unruhe an den Märkten für Gewerbeimmobilien entstehen. Die Immobilienbranche steht generell unter Druck wegen steigender Zinsen und damit steigenden Finanzierungskosten, die letztlich ja auch zum Niedergang der Signa-Holding geführt haben. Deren Geschäftsmodell basierte auf der Nullzinsphase der vergangenen Jahre und eines damit einhergehenden Immobilienbooms.
"Die Signa-Pleite ist ja derzeit nur die Spitze eines Eisberges", meint auch Sven Carstensen, Chef von Bulwiengesa, einem Beratungs- und Analyseunternehmens des Immobilienmarktes in Deutschland. "Das hat natürlich Auswirkungen auf den Gewerbemarkt; man wird vorsichtiger sein, was Finanzierungen angeht. Und ich denke, dass wird auch Narben in unseren Innenstädten hinterlassen." Es bliebe zu hoffen, dass sich relativ schnell projektweise Lösungen finden, damit Projekte zu Ende gebaut werden könnten. "Ich denke da zum Beispiel an den Elbtower in Hamburg."
Auch Carstensen hält es nicht für ausgeschlossen, dass in der Folge noch weitere Unternehmen oder einzelne Projekte am Immobilienmarkt stärkere Probleme bekommen könnten.
Mit Blick auf Galeria schließlich zeigt man sich beim Handelsverband HDE zuversichtlich. Zwar beobachte man die Entwicklungen rund um die Signa-Insolvenz und mögliche Auswirkungen auf Galeria mit Sorge. Denn Kauf- und Warenhäuser seien vielerorts zentrale Anlaufpunkte in den Innenstädten - und davon profitieren in der Folge auch die benachbarten Geschäfte und Unternehmen anderer Branchen. Doch habe das Format Kauf- und Warenhaus in der Handelslandschaft nach wie vor seinen Platz, ist sich der Handelsverband sicher.