"Die schmutzigen Afghanen"
12. Dezember 2017Männer, Frauen und Kinder laufen mit ein paar Habseligkeiten zum Grenzposten, um sich dort registrieren zu lassen. Tausende afghanische Flüchtlinge müssen die Nachbarländer Pakistan und Iran verlassen. An der Grenze zum Iran wurden zurzeit 2000 Rückkehrer registriert, jeden Tag. Viele von ihnen haben Jahrzehnte im Iran gelebt. Die Mehrheit der zurückkehrenden Flüchtlinge wurde abgeschoben.
Auch Salman wurde aus dem Iran ausgewiesen, zusammen mit einer Gruppe anderer Afghanen. Um für seine Familie Geld zu verdienen, war er vor zwei Wochen in den Iran gegangen und hatte dort in einer Fabrik als Tagelöhner gearbeitet. "Die Polizei ist eines Tages gekommen. Sie hat mich aus der Fabrik mit Schlägen herausgeholt und mich noch in meiner Arbeitskleidung abgeschoben. In der Abschiebehaft gab es weder Essen noch Trinken", sagt er der Deutschen Welle. Viele Afghanen im Iran werden diskriminiert. "Sie nennen uns 'schmutzige Afghanen'. Selbst denjenigen, die legal im Iran sind, zerreißen die iranischen Sicherheitskräfte die Papiere und sagen: 'Du dreckiger Afghane, warum bist du hergekommen?'"
Rückkehr aus dem feindseligen Iran
In 15 der 31 Provinzen Irans dürfen Afghanen sich nicht aufhalten. In vielen Städten und Orten haben Afghanen keinen Zutritt. Bildung bleibt ihnen verwehrt. Viele Afghanen arbeiten als Tagelöhner, aber oft werden sie nicht bezahlt.
Matin Qaderi, Leiter des Büros für Flüchtlingsfragen am Grenzposten Islam Qala in Herat, erlebt das immer wieder. "Klagen sie vor Gericht auf Löhne, werden sie direkt abgeschoben", sagt Qaderi der DW. Erfolgssichten sind aber praktisch gleich null.
Laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM), die unter dem Dach der Vereinten Nationen ist und der 162 Mitgliedstaaten angehören, werden bis Ende des Jahres 2017 etwa 560.000 Afghanen aus den Nachbarländern Iran und Pakistan zurückkehren.
Zum Vergleich: Laut Bundesregierung wurden in der ersten Jahreshälfte 2017 245 Afghanen auf dem Luftweg aus Deutschland abgeschoben, 2016 waren es rund 320. Am Mittwoch soll die nächste Sammelabschiebung von Deutschland nach Kabul stattfinden, diesmal mit 50 Afghanen. Nach Angaben der Internationalen Migrationsorganisation IOM sind europaweit seit Anfang des Jahres 3938 Afghanen freiwillig zurückgekehrt.
Bedarf an humanitärer Hilfe steigt
Viele der Rückkehrer stehen mit nichts da. Omar Majeedi, der im Auftrag der IOM Afghanen ohne Papiere aus dem Iran und Pakistan unterstützt, stellt fest: "Die Rückkehrer aus Pakistan und dem Iran sind in Afghanistan mit denselben Problemen konfrontiert, wegen derer sie geflohen waren: Wachsende Unsicherheit im ganzen Land und fehlende Jobs."
Ein Komitee der afghanischen Regierung (DiREC, Displacement and Return Executive Committee) soll sich seit 2016 zusammen mit Vertretern von internationalen Organisationen und Mittelgebern um die Aufnahme der Rückkehrer kümmern. Organisationen wie IOM, UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR, Help Germany und War Child sind nur einige der vielen, auf die die Rückkehrer angewiesen sind.
Trotzdem reicht die Hilfe nicht aus. Laut einem Bericht der UN werden in 2018 etwa 3,3 Millionen Menschen in Afghanistan auf humanitäre Hilfe angewiesen sein.
In T-Shirt bei Minusgraden
Ahmad (Name geändert), der bei Minusgraden in einem T-Shirt vor dem UNHCR-Büro in der afghanischen Stadt Islam Qala nahe der iranischen Grenze steht, ist einer von ihnen. Er habe nicht mal seine Kleidung und Schuhe oder Geld holen dürfen, als er aufgelesen und in Abschiebehaft gebracht worden sei, berichtet er der DW. "Ich war zwölf Tage in Abschiebehaft, wo ich zur Arbeit gezwungen war, um damit die Kosten für meine Ausreise zu bezahlen", sagt er. "Ich habe schließlich mein Handy verkauft, dann haben sie mich rausgelassen. Jetzt bin ich hier an der Grenze und habe nicht mal Geld, um in meine Heimatprovinz zu kommen."
Zu den Rückkehrern aus dem Iran und aus Pakistan kommt eine wachsende Zahl an Binnenflüchtlingen. Nach UN-Angaben wurden über 360.000 Afghanen zwischen Januar und Oktober 2017 als Folge von Kampfhandlungen zu Binnenflüchtlingen. Bereits jetzt leben alleine in der Provinz Nangarhar eine Million Binnenflüchtlinge in behelfsmäßigen Behausungen. In den kalten Wintermonaten müssen viele ums Überleben kämpfen.
Mitarbeit: Waslat Hasrat-Nazimi