1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Sie könnte es schaffen! Sie ist pro-amerikanisch"

Grit Hofmann12. Januar 2006

Lange genossen Amerikaner in Deutschland ein positives Image. Doch seit dem Irakkrieg spüren sie die deutsch-amerikanischen Spannungen auch im Alltag. Ihre Hoffnungen ruhen nun auf Bundeskanzlerin Merkel.

https://p.dw.com/p/7m45
Bild: Fotomontage/DW

Isabel und Jonas sind zwei Jahre alt. Sie spielen und lernen gemeinsam im Montessori-Kindergarten in Bonn. Die Kinder hier haben ganz verschiedene Nationalitäten. Bunt ist das Bild, das sie abgeben. Und das Stimmengewirr im Flur.

Montessori-Kindergarten, Bild 1
Ann und Jonas JoeBild: DW

Dass im Bonner Montessori-Kindergarten nur englisch gesprochen wird, stört Isabel und Jonas nicht. Englisch ist ihre Muttersprache. Ihre Mütter sind Amerikanerinnen.

Jonas wird heute von seiner Mutter Ann abgeholt. Sie lebt seit fünf Jahren in Deutschland. Ihr Mann arbeitet als Physiker im Universitätsklinikum Bonn. Ann schätzt vieles an Deutschland, zum Beispiel die vielfältige Kulturgeschichte. Doch was ihr Angst mache, seien die wirtschaftlichen Probleme des Landes, die hohe Arbeitslosigkeit: "Viele Amerikaner, die nach Deutschland kommen, sagen mir: 'Ann, wenn Du die Möglichkeit hast, wenn Du in die Vereinigten Staaten gehen kannst, vielleicht ist es besser für Dich und Deine Kindern, jetzt zu gehen. Denn wirtschaftlich sieht es nicht gerade aus, als ob es bald besser werden würde.'"

Angie im Männerclub?

Die deutsche Wirtschaft brauche endlich einen Aufschwung, betont Ann. Doch ob die konservative Bundeskanzlerin Angela Merkel das schaffen wird, weiß sie nicht. Deren politisches Programm habe sie immer noch nicht wirklich verstanden: "Nach den Wahlen ging es doch nur um Koalitionen." Angela Merkel werde es schwer haben, meint Ann: "Politisch ist Westeuropa heute ein Männerclub. Ich sehe Bush, Schröder und Chirac vor mir, die zusammen Whisky trinken und Zigarren rauchen. Ich glaube nicht, dass Angie da hinein passt. Sie gehört einfach nicht zum Club."

Was Angela Merkel aber als erstes tun sollte? "Mehr für die Familien! Definitiv mehr!", betont Ann. Und eine bessere Bildungspolitik! Ihren ältesten Sohn hat die 31jährige vor wenigen Monaten aus einem öffentlichen Kindergarten in den Montessori-Kindergarten geholt.

Leiterin des Montessori-Kindergartens, Bild 2, Concetta Bailharz
Concetta BeilharzBild: DW

Concetta Bailharz ist Leiterin des Montessori-Kindergartens. Auch sie ist Amerikanerin. Vor mehr als 20 Jahren kam sie nach Bonn. Ihr Mann hatte in der amerikanischen Botschaft gearbeitet. Inzwischen ist die Botschaft in Berlin. Doch Concetta hat ihren Kindergarten: "An american institution", wie sie betont. Kleine amerikanische Wimpel zieren ihr Büro, an der Wand im Flur hängt eine amerikanische Flagge.

Zwischen Freundschaft und Anti-Amerikanismus

Seit den Verstimmungen zwischen dem deutschen Kanzler Schröder und der Bush-Regierung hat Concetta gemerkt, dass es schwerer geworden ist, in Deutschland Amerikanerin zu sein: "Ich habe wirklich Anti-Amerikanismus gespürt, hier in Deutschland. Wir waren doch Freunde und Partner! Dann aber war es manchmal so, als hätte dir ein guter Freund die Tür vor der Nase zugeworfen."

Kann nun Angela Merkel das schwierige Verhältnis wieder ins Lot bringen? "Ich weiß nicht viel über Frau Merkel. Ich weiß nur, dass sie versucht, die Scherben wieder zusammenzukleben. Die könnte das schaffen! Denn sie ist pro-amerikanisch, was die SPD nicht war!"

Montessori-Kindergarten, Bild 5
Lisa und Isabel BelucheBild: DW

Inzwischen ist auch die Mutter der kleinen Isabel im Kindergarten angekommen. Gemeinsam mit ihrem deutschen Mann arbeitet Lisa Beluche als Tierärztin in Meckenheim. Das deutsche Gesundheitssystem ist für sie ein Zwei-Klassen-System. Und das strenge Steuersystem lasse den Menschen doch gar kein Geld zum Ausgeben. "Das ist ein Alptraum hier!", klagt Lisa.

"Es kommt darauf an, dass man wirklich etwas ändert"

Kann die neue Kanzlerin etwas verändern? "Frau Merkel ist interessant. Aber sie ist ... handicapped ...", versucht Lisa auf deutsch zu erklären. Sie sucht den richtigen Ausdruck: "Sie ist behindert wegen dieser großen Koalition. Ich befürchte, dass sie die Reformen, die passieren müssen, nicht durchsetzen kann. Aber in der Außenpolitik hat sie sich schon gut präsentiert. Etwa in der EU-Krise, da hat sie viel geleistet. Sie ist geschickter als Herr Schröder. Der kam zwar immer gut rüber, so charmant. Aber es kommt darauf an, dass man wirklich etwas ändert."