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"Ruhe bewahren & Hausaufgaben machen"

Jan-Hendrik Raffler16. November 2015

Helmut Spahn, Sicherheitschef der Fußball-WM 2006 in Deutschland und derzeit Generaldirektor des Internationalen Zentrums für Sicherheit im Sport (ICSS), spricht im DW-Interview über die Sicherheit deutscher Stadien.

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Porträt - Helmut Spahn
Bild: Getty Images/Lars Baron

DW: Sollten Veranstalter von (Sport-) Großevents nach den Anschlägen in Paris grundsätzlich etwas an ihren Sicherheitsmaßnahmen ändern?

Helmut Spahn: Nein! Jetzt heißt es Ruhe bewahren und keine Schnellschlüsse ziehen! Man darf jetzt nicht das machen, was diese Terroristen von uns wollen: unser Leben umstellen und plötzlich all das tun, was uns in unseren Freiheitsrechten einschränkt, bis wir Sport nicht mehr genießen können. Wir sollten unsere Hausaufgaben machen. Und zwar mit Bedacht und, auch wenn es schwierig ist, möglichst emotionslos, neutral und objektiv. Insbesondere in Europa und Deutschland habe ich keinerlei Bedenken, dass das klappt und dass man sich dementsprechend professionell aufstellt.

Zumindest die Sicherheitsvorkehrungen im Stadion von Paris scheinen gewirkt zu haben. Kein Terrorist konnte ins Stadion eindringen. Wie steht es mit der Sicherheit in deutschen Stadien?

Grundsätzlich sind deutsche Stadien sicher. Hier haben alle ihre Hausaufgaben gemacht. Wenn ich persönlich in ein Fußballstadion gehe, mache ich mir keine großen Sorgen. Man kann darauf vertrauen, dass die deutschen Behörden und die Veranstalter alles tun, um größtmögliche Sicherheit zu gewährleisten.

Sollten die Sicherheitsvorkehrungen rund um ein Fußballspiel nicht trotzdem erhöht werden? Zumindest jetzt in den ersten Wochen nach dem Anschlag?

Das wird definitiv so sein. Vor allem rund um die Fußball-Länderspiele in diesen Tagen werden sich alle Behörden zusammensetzen, die für die Sicherheit verantwortlich sind. Also DFB, Polizei, privater Sicherheits- und Ordnungsdienst, die lokalen Behörden. Alle werden die aktuelle Situation analysieren und die Entscheidung treffen, ob Sicherheitsvorkehrungen nachjustiert werden müssen, oder nicht. Das läuft alles sehr professionell ab.

Sie waren 2006 Sicherheitschef der Fußball-WM in Deutschland. Welche Maßnahmen hatten sie getroffen, um die Sicherheit zu gewährleisten?

Wir hatten zum Beispiel um die Fußball-Stadien einen äußeren Sicherheitsring gezogen. Dann haben wir in enger Absprache mit den deutschen Behörden, aber auch mit allen beteiligten Nationen und den Nachbarstaaten unsere Maßnahmen abgestimmt. Diese Absprachen sind etwas ganz Wesentliches. Darüber hinaus haben wir zusammen mit der Polizei alle akkreditierten Personen in den Stadien überprüft. Zudem haben wir Awacs-Flugzeuge in der Luft gehabt, die den Luftraum überprüft haben, und wir haben die Stadion-Tickets personalisiert. Diese ganzen Maßnahmen haben sicherlich potentiellen Attentätern suggeriert: Eine Fußball-WM, ein Fußballstadion, ist zwar ein lohnendes Ziel, aber die Dichte der Maßnahmen ist so groß, dass das Entdeckungsrisiko sehr hoch ist.

Hat es bei der WM 2006 in Deutschland kritische Momente gegeben, was die Sicherheit angeht?

Im Nachhinein gab es ja eine Situation, die so genannten Kofferbomber, die später versucht haben, ein Attentat durch zu führen. Das ist zum Glück aus technischen Gründen nicht gelungen. Bei der Vernehmung haben die Attentäter ausgesagt, dass sie eigentlich versucht hätten, das ganze während der WM 2006 zu tun. Man habe aber davon Abstand genommen, weil man auch als Terrorist die Lage analysiert.

Hamburg bewirbt sich um die Olympischen Spiele 2024. Was muss Hamburg tun, damit das Event sicher ist und wann fängt man im Vorfeld mit der Sicherheitsplanung an?

Ein Grundkonzept muss da sein. Jeder Veranstalter, der sich für Olympische Spiele oder eine WM bewirbt, muss Sicherheitsgarantieren abgeben, die in der Regel von der Regierung erteilt werden. Das ist mit Sicherheit auch in Hamburg der Fall. Aber eins ist doch klar: Ich kann nicht sieben Jahre vor der Großveranstaltung ein detailliertes Sicherheitskonzept vorlegen. Niemand weiß, was sich in den nächsten Jahren tut. Es kann durchaus sein, dass in zwei, drei Jahren das Problem mit dem IS kein relevantes mehr ist. Aber es kann sein, dass es neue Problem gibt. Deshalb ist es wichtig, flexibel aufgestellt zu sein. Es müssen flexible Konzepte erarbeitet werden und ständig wiederkehrende Risiko-Analysen durch geführt werden. Die Grundparamter, also dass ich mich auch um eine terroristische Bedrohung kümmern muss, müssen Bestandteil eines jeden Konzepts sein.

Der ausgebildete Polizist Helmut Spahn gilt weltweit als Experte für Sicherheitskonzepte. Unter anderem war er für die Sicherheit bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 verantwortlich. Heute leitet der 54-Jährige in Katars Hauptstadt Doha die weltweit vernetzte Sicherheitsfirma "International Centre for Sport Security (ICSS)".

Das Interview führte Jan-Hendrik Raffler.