Kampf gegen mächtige Gegner
9. Dezember 2017Seine Luxusautos sind abtransportiert, sein fünfstöckiges Anwesen in der Nähe der Champs-Élysées in Paris ist abgesperrt: Teodorin Obiang, Vizepräsident und Playboy aus Guinea, lebt vielleicht in seinem afrikanischen Heimatland noch auf großem Fuß. In Frankreich ist er ein verurteilter Verbrecher - dank der Hartnäckigkeit der französischen Nichtregierungsorganisation Sherpa. Es war der erste schlagzeilenträchtige Erfolg für die NGO, die daran arbeitet, ökonomischen und sozialen Wandel auf juristischem Weg herbeizuführen.
"Es ist ein neuer Wind", sagt William Bourdon, Sherpa-Gründer und Anwalt von Transparency International France. Gemeinsam sind beide Organisationen gegen Obiang vorgegangen. Auch gegen die Familien von zwei afrikanischen Staatschefs wird ermittelt. Angehörige des Präsidenten der Republik Kongo, Denis Sassou-Nguesso, und des verstorbenen Staatoberhauptes von Gabun, Omar Bongo, stehen im Verdacht, sich unrechtmäßig bereichert zu haben. "Was vor 10 oder 15 Jahren als absolut unrealistisch galt, ist heute möglich", sagt Bourdon.
Sherpa wurde 2001 gegründet und hat nur wenig Geld und Personal. Zwei hauptamtliche Anwälte arbeiten mit einem Team aus gut zwei Dutzend Freiwilligen in einem Büro im Stadtzentrum von Paris, unweit des Bahnhofs Saint-Lazare. Die Nichtregierungsorganisation ist so knapp bei Kasse, dass sie Geld zusammenbetteln musste, um Zeugen für einen ihrer Fälle einfliegen zu lassen. Ständig hängt zudem das Damoklesschwert über Sherpa, dass einer der angeprangerten Konzerne eine Verleumdungsklage gewinnen könnte.
Kreativ werden
Aber begrenzte Mittel schränken das Engagement der Korruptionsbekämpfer nicht unbedingt ein. Das hat Sherpa mächtige Gegner beschert, aber auch viele Unterstützer. Nun ist BNP Paribas ins Visier von Sherpa und zwei anderen Organisationen geraten. Sie werfen der Großbank vor, 1994 wissentlich eine 1,3-Millionen-Dollar-Überweisung abgewickelt zu haben, mit deren Hilfe Waffen für die Hutu-Kämpfer während des Völkermords in Ruanda gekauft wurden.
Seit Juni läuft auch ein Verfahren gegen den größten Baustoffhersteller der Welt, Lafarge-Holcim. Dem Unternehmen wird vorgeworfen, über Mittelsmänner den "Islamischen Staat" bestochen zu haben, damit ein Lafarge-Werk im umkämpften Syrien weiter produzieren konnte. Das Unternehmen teilte inzwischen mit, dass interne Ermittlungen ergeben hätten, dass in diesem Fall "signifikante" Fehler gemacht wurden, die gegen konzerneigene Standards verstoßen hätten. Es seien Gegenmaßnahmen ergriffen worden.
Sherpa geht auch gegen die französische Baufirma Vinci SA vor, weil diese mutmaßlich Zwangsarbeiter bei der Errichtung von Gebäuden für die WM 2022 in Katar eingesetzt hat. Auch die Supermarktkette Auchan ist im Sherpa-Visier, weil sie ihre Kunden im Zusammenhang mit dem Fabrikeinsturz in Bangladesch in die Irre geführt haben soll, was die Arbeitsbedingungen in dem südasiatischen Land angeht.
"Wir müssen kreativ sein", sagt Sherpa-Juristin Marie-Laure Guislan. Es gehe darum, eine rechtliche Handhabe gegen französische multinationale Konzerne zu finden, die in Machenschaften verstrickt sind, die oft tausende Kilometer entfernt begangen wurden. "Die Menschenrechtsverletzungen müssen offensichtlich sein - wie Umweltschäden oder Arbeitsbedingungen. Und sie müssen sehr groß sein, sodass sie Auswirkungen auf die ganze Gesellschaft haben."
Justiz als Waffe
Während einige Nichtregierungsorganisationen korrupte Unternehmen und einzelne Übeltäter outen und an den Pranger stellen, ist nach Ansicht des Sherpa-Teams der Gang zum Gericht das wirkungsvollere Instrument. Anprangern helfe manchmal, sagt Guislan, doch die Bereitschaft der Beschuldigten, etwas an dem kritisierten Vorgehen zu ändern, komme oft erst vor Gericht.
Vor gut zehn Jahren fing Sherpa damit an, juristisch gegen Teodorin Obiang aus Äquatorial Guinea vorzugehen. Der Vorwurf: Der Sohn von Langzeitpräsident Teodoro Obiang-Nguema nutze öffentliche Mittel, um sein Luxusleben in Frankeich zu finanzieren. Zur Verteidigung sagten die Anwälte des Playboys, dass dessen Pariser Anwesen - samt hauseigenem Fitnessstudio und Nachtklub - als diplomatische Vertretung diene.
Doch am Ende folgten die Richter den Sherpa-Argumenten. Sie verurteilten Teodorin Obiang vor wenigen Wochen zu einer Bewährungsstrafe von drei Jahren und einer Geldstrafe von 30 Millionen Euro; er ging in Berufung.
Straflosigkeit durchbrechen
Der Fall Obian zeigt, wie sich Frankreichs Umgang mit dem Geflecht von Schattenwirtschaft und politischen Beziehungen zu ehemaligen Kolonien, genannt "France-Afrique", verändert hat. Dem Land war lange Zeit vorgeworfen worden, bei den Verbrechen von afrikanischen Diktatoren und deren Familien weggeschaut zu haben.
So schien Teodorin Obian immun gegen jegliche Art von Druck zu sein. Doch nun wäre dies ein Fall, bei dem es Frankreichs Justiz gelungen sei, die ewige Straflosigkeit zu durchbrechen, sagt Sarah Saadoun von Human Rights Watch: "Es ist ein enormer Sieg in einem Umfeld, in dem es sehr schwer ist, Siege zu erringen."
Ebenfalls richtungsweisend sind die neuen gesetzlichen Regeln zur Sorgfaltspflicht für die Wirtschaft, die in diesem Jahr in Kraft traten. Sie zwingen multinationale Unternehmen dazu, sich mit dem Auswirkungen ihres Handelns auf die Erde und die Menschen auseinanderzusetzen. Während die Gewerkschaft Medef und Konservative das neue Gesetz kritisieren, wird es von Antikorruptionsorganisationen als Vorbild für den Rest Europas gefeiert.
Wachsender Druck
Solche Erfolge sorgen dafür, dass der Druck auf Sherpa und seine Mitarbeiter ebenfalls wächst. So hat Sherpa-Gründer William Bourdon schon Morddrohungen bekommen. Und nach Angaben der Juristin der NGO versuchen Unternehmen, die Nichtregierungsorganisation mit Verleumdungsklagen zu überziehen, um sie zum Schweigen zu bringen.
Es gibt durchaus Kritiker, die sagen, dass Sherpa leichtfertig und auf unfaire Weise den Ruf von großen Unternehmen aufs Spiel setzt, um das Interesse der Öffentlichkeit zu wecken und das Spendenaufkommen zu erhöhen. "Sie ziehen vor Gericht und ihr Ziel ist erreicht", sagt auch Jean-Pierre Versini-Campinchi. Er ist Anwalt des französischen Bauunternehmens Vinci, das wegen der Zwangsarbeitsvorwürfe in Katar Sherpa verklagt. "Je größer das Unternehmen, desto größer das Medieninteresse", fügt er hinzu. "Sherpa weiß, dass Missstände - wenn es sie gibt - nicht bei Vinci vorkommen, sondern in viel kleineren Unternehmen."
Sherpa-Gründer William Bourdon fürchtet zudem, dass korrupte afrikanische Staatschefs sich ein "zynisches Schweigen" des Westens erkaufen, indem sie sich zum Antiterrorkampf bereit erklären. Aber er sieht auch eine positive Entwicklung: In Frankreich wachse eine Generation mit einem größeren sozialen Gewissen heran. Und in Afrika würden immer mehr NGOs Sherpas Justiz-Taktik übernehmen.