Homosexualität in Indien strafbar
11. Dezember 2013Der Oberste Gerichtshof Indiens hat Homosexualität wieder unter Strafe gestellt. Die Verfassungsrichter kassierten damit das Urteil eines anderen Gerichts aus dem Jahr 2009, nach dem einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher Sex unter Erwachsenen nicht mehr strafbar war. Das Gesetz, das auf dem seit dem 19. Jahrhundert geltenden Strafrecht basiere, könne nur vom Parlament geändert werden, hieß es zur Begründung. Nach dem 1850 von der britischen Kolonialmacht erlassenem Gesetz, festgehalten im Paragraphen 377 des indischen Strafgesetzbuchs, ist "widernatürlicher Sex" verboten und kann mit zehn Jahren Haft bestraft werden. Interpretiert wird dies allgemein als Verbot von Homosexualität.
Das Gericht in Neu Delhi hatte im Juli 2009 geurteilt, die Bestimmung im Strafrecht, die "widernatürlichen Geschlechtsverkehr" untersagt, verstoße gegen die Grundrechte. Damit, so jetzt das Verfassungsgericht, habe die untere Instanz jedoch ihre Kompetenzen überschritten.
Zurück ins Mittealter
Die Entscheidung rief vor allem bei Aktivisten der indischen Bewegung gegen Diskriminierung von Schwulen und Lesben Empörung und Enttäuschung hervor. "Wir sehen das als Verrat an genau jenen Menschen, die das Gericht verteidigen und beschützen sollte", sagte Arvind Narayan, ein Anwalt von Schwulen- und Lesbenrechtsgruppen. Man habe nie erwartet, dass das Gericht eine Entscheidung treffe, die den internationalen Entwicklungen zuwiderlaufe, sagte ein anderer Anwalt. "Das wirft uns ins Mittelalter zurück", beklagte er. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sprach von einem schweren Rückschlag.
Noch für diesen Mittwoch riefen Aktivisten zu Protesten auf. In Mumbai versammelten sich etwa 50 Menschen mit Regenbogenfahnen und einem Banner, auf dem die Zahl 377 durchgestrichen war. Indiens Justizminister Kapil Sibal sagte zu, das Parlament mit dem Gesetz zu befassen. Dieses wird aber im kommenden Jahr neu gewählt, und es erscheint unwahrscheinlich, dass vorher als unpopulär geltende Gesetze verabschiedet werden könnten.
Immer noch ein Tabu
Die Gerichtsentscheidung aus dem Jahr 2009 war vor allem von religiösen Gruppen, unter ihnen die katholische Kirche, kritisiert worden. Über das neue Urteil zeigten sich damalige Kritiker nun erfreut. "Wir wissen, dass Homosexualität unnatürlich ist, sie ist gegen alle Gesetze", sagte etwa der Generalsekretär der islamischen Organisation All India Muslim Personal Law Board, Abdul Raheem Quraishi.
Gleichgeschlechtliche Liebe war im traditionell konservativen Indien lange tabu, viele Inder betrachten Homosexualität als Krankheit. In den vergangenen Jahren drängten Schwule und Lesben jedoch zunehmend in die Öffentlichkeit und organisierten Paraden in Metropolen wie Mumbai und Neu Delhi. In der Politik und im öffentlichen Leben Indiens gibt es jedoch bislang keine ranghohen Repräsentanten, die offen homosexuell leben.
Das Urteil von 2009 galt indischen Aktivisten als Durchbruch im Kampf für ihre Rechte. Die größte Demokratie der Welt war damit neben Nepal das einzige Land in Südasien, in dem homosexuelle Handlungen nicht verboten waren. Nach dem neuen Urteil befindet sich Indien wieder in Gesellschaft vieler seiner Nachbarstaaten sowie zahlreicher arabischer und afrikanischer Länder.
gmf/qu (afp, dpa, epd, rtr)