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Sex und Drogen - wie Amsterdam sein Image ändern will

Andreas Kirchhoff
21. Juli 2023

Kiffen verboten! Die neuen Schilder auf den Brücken und an den Grachten im Viertel De Wallen, dem Rotlichtbezirk von Amsterdam, sind nicht zu übersehen. Wer dagegen verstößt, dem droht eine Strafe von 100 Euro.

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Ein Verbotsschild in Amsterdam
Amsterdam will den Kiff- und Sauftourismus aus der Innenstadt verbannenBild: Andreas Kirchhoff/DW

Es ist nicht das erste Verbotsschild, mit dem die Hauptstadt der Niederlande auf die wachsende Zahl von Partytouristen reagiert. Weitere Strafen drohen jenen, die auf der Straße Alkohol trinken und denen, die es nicht mehr rechtzeitig bis zur nächsten öffentlichen Toilette schaffen.

Eine Bootsfahrt mit Cannabis

Er wolle Urlaub machen, ein bisschen Gras rauchen und Spaß haben, sagt ein junger Tourist aus Newcastle. Er wartet am Oudesijds Voorburgwal an der Anlegestelle des Smoke Boats, direkt gegenüber vom Eingang eines Luxushotels. Auf dem Smokeboat darf er ganz legal Cannabis konsumieren. Mehrmals täglich legt das Boot mit einem Dutzend Touristen zu einer einstündigen Rundfahrt über die Grachten ab, Sightseeing und Kiffen inklusive.

Amsterdam
Werbung für ein "Smokeboat" in Amsterdam - eine TouristenattraktionBild: Andreas Kirchhoff/DW

Ein anderer Engländer, der wegen einer Gartenmesse nach Amsterdam gekommen ist und jetzt einen freien Tag im Rotlichtviertel genießt, hält einen Joint in der Hand. Er weiß, dass es verboten ist, aber er glaubt nicht, dass es wirklich Polizisten gibt, die ihm einen Strafzettel aufbrummen.

Partytourist Stay Away

An diesem Sommertag ist die Altstadt gut besucht, es ist fast so voll wie vor der Pandemie. Amsterdam ist ein attraktives Reiseziel. Die Häuser und Grachten aus dem Goldenen Zeitalter des 17. Jahrhunderts zählen zum UNESCO Welterbe.

Auch in diesem Jahr werden wieder 20 Millionen Übernachtungen in Amsterdam erwartet. Mehr dürfen es nicht sein, hatte die Stadt 2021 beschlossen, aber die Menge ist nur eine von vielen Herausforderungen. Ein wachsendes Problem sind auch die Partytouristen, die nachts lärmend über die schmalen Straßen und Brücken der Innenstadt ziehen.

Um diese Auswüchse zu bekämpfen, gelten seit Februar dieses Jahres neue Regeln. Fensterbordelle, Bars und Kneipen im Rotlichtviertel müssen jeweils zwei Stunden früher schließen.

Alkohol-Verbotsschilder in Amsterdam
Nicht alle nehmen die Verbotsschilder ernstBild: Andreas Kirchhoff/DW

Zuletzt hatte Amsterdams Stadtparlament außerdem beschlossen, Kreuzfahrtschiffen das Anlegen nahe der Innenstadt zu verbieten.

Zudem gibt es unter dem Titel "Stay Away" eine Onlinekampagne, die besonders feierwütige Briten fernhalten soll. Laut einer Umfrage sind Besucher von der Insel besonders anfällig für den hemmungslosen Cannabiskonsum. Und der, so warnen die "Stay Away"-Videoclips, ende dann auf der Polizeiwache oder im Krankenhaus.

Stoppt den Irrsinn

Erste Schritte, aber längst nicht genug, findet Els Iping von der Anwohner-Initiative "Stop de gekte", zu Deutsch "Stoppt den Irrsinn”. Sie betont, dass im historischen Stadtkern noch immer Amsterdamer leben, auch Familien mit Kindern. Els Ipin selbst wohnt schon seit 40 Jahren hier und hat schon oft ihre Außentreppe am Morgen reinigen müssen, weil einige Touristen die Mischung von Alkohol- und Drogenkonsum nicht vertragen.

Viele Besucher im Zentrum kämen nicht wegen der schönen Altstadt, sagt Els Iping, "sondern wegen Fensterprostitution, Coffee Shops und Straßendealern, um sich zu betrinken und die Kante zu geben". 

Ein Ausflugsboot auf dem Wasser in Amsterdam, im Hintergrund bunte Häuserfassaden
Nicht alle Touristen kommen wegen der schönen Architektur nach AmsterdamBild: Andreas Kirchhoff/DW

Die Klischeevorstellung, dass der liberale Umgang mit Cannabis und die Fensterprostitution eben zu Amsterdam gehören, lässt sie nicht gelten. "Es gibt die Fensterbordelle seit den 1960er Jahren, aber als ich hierherzog, war das noch eine Randerscheinung. Damals gab es hier noch viele andere Händler und Geschäfte. Heute dreht sich alles um Sex, Drogen und Fast Food."

Anfeindungen nach Einschränkungen

Eine Zeit lang haben die Mitglieder der Anwohnerinitiative "Stop de Gegkte" eigene Rundgänge im Viertel gemacht. Ausgestattet mit gelben Warnwesten haben sie lärmende Nachtschwärmer darauf hingewiesen, dass in der Altstadt auch ganz normale Menschen leben, die ihre Nachtruhe brauchen. Und die meisten Touristen hätten freundlich auf diese Hinweise reagiert und sich entschuldigt.

Seit kurzem hat die Anwohnerinitiative ihre Rundgänge eingestellt. Die lokalen Gewerbetreibenden, die mit Sex, Drogen und Alkohol ihre Geschäfte machen und nun zwei Stunden eher schließen müssen, hätten sie für ihre Einbußen verantwortlich gemacht, bedrängt und beschimpft. Wenn man sich mit Els Iping am Abend im Viertel De Wallen verabredet, dauert es nicht lange, bis einer der Angestellten aus dem Rotlichtmilieu unfreundliche Bemerkungen herüberruft.

Das Theater Casa Rosso in Amsterdam
Für die Anwohner im Vergnügungsviertel sind die vielen Touristen ein Fluch, für die Betreiber ein SegenBild: Andreas Kirchhoff/DW

Tourismus in der Konsumgesellschaft

Geerte Udo ist die Chefin der Marketing Gesellschaft Amsterdam & Partners. Sie betont, dass sie für Amsterdam gar kein Marketing mehr machen müsse, so bekannt sei die Stadt mittlerweile. Aber sie räumt ein, dass die Auswüchse des Massentourismus in den letzten Jahren auch in Amsterdam zu einem Problem geworden wären. "In jeder Stadt sollte man die lokale Kultur respektieren, das haben wir in den letzten zehn, fünfzehn Jahren vielleicht ein bisschen aus den Augen verloren." Aber in der Konsumgesellschaft glaubten einige, sie könnten sich alles erlauben, weil sie ja dafür bezahlt hätten.

Angebot und Nachfrage

Amsterdam will den lästigen Partytouristen nicht nur mit Verboten und Regeln begegnen, sondern auch das Angebot ändern. Seit Jahren gibt es Vorschläge, etwa den Konsum von Cannabis für Touristen zu verbieten und die Prostitution aus der Innenstadt zu verbannen. So soll bis Ende des Jahres endlich ein neuer Standort für Sexarbeitende bestimmt werden, in einem Außenbezirk von Amsterdam. Allerdings wird dieser Plan von vielen Sexarbeitenden und auch Einheimischen abgelehnt, u.a. mit dem Argument, dass die Lage am Stadtrand gefährlicher sei.

Was die Coffee Shops angeht, fordern Anwohner wie Els Iping, die Stadt solle einfach das Gesetz anwenden. Danach darf Cannabis nur an Menschen mit Wohnsitz in den Niederlanden verkauft werden, bislang habe Amsterdam da eine Ausnahme gemacht. Die Frage, ob sich mit den neuen Regeln, den früheren Schließzeiten schon etwas verändert habe, bejaht Els Iping: "Die Menschen, die hier im Herzen des Rotlichtviertels leben, haben bemerkt, dass es etwas besser geworden ist, besonders nachts."