Serbien wirbt um baldigen EU-Beitritt
29. Juni 2011Es war kein Zufall, dass Serbiens Präsident Boris Tadic seine Vorstellungen über ein friedliches Zusammenleben auf dem Balkan in der Friedrich-Ebert-Stiftung schilderte. Denn hier fühle er sich "unter Freunden", wie der Präsident mehrfach betonte. Und er erinnerte daran, dass er das Engagement der Stiftung in Serbien noch aus den Zeiten als Oppositionspolitiker zu schätzen wisse.
Wie ein roter Faden zog sich sein Plädoyer für eine Aussöhnung zwischen den ehemaligen Kriegsparteien auf dem Balkan durch seinen Vortrag. "Versöhnung ist unsere Verpflichtung gegenüber nachfolgenden Generationen", sagte der Präsident. Mit der Auslieferung des mutmaßlichen serbischen Kriegsverbrechers Ratko Mladic habe Serbien dazu einen wichtigen Beitrag geleistet. Auch der noch flüchtige Kriegsverbrecher Goran Hadzic werde ausgeliefert werden.
Vor dem Recht sind alle gleich
In den vergangenen Jahren hatte Tadic mehrfach Gesten der Versöhnung gegenüber seinen Nachbarn gemacht: Unter anderem initiierte er im März 2010 im serbischen Parlament eine Deklaration zu Srebrenica, in der das Verbrechen gegenüber den bosnischen Muslimen im Jahr 1995 verurteilt wurde. Jetzt erwartet der serbische Präsident, dass auch die anderen ehemaligen Kriegsparteien mutmaßliche Kriegsverbrecher ausliefern.
"Niemand darf sich über das Recht stellen und alle Kriegsverbrecher müssen ausgeliefert werden", forderte er und mit Blick auf die vom Europarat erhobenen Vorwürfe wegen angeblichen Organhandels im Kosovo sagte er, er erwarte, dass der UN-Sicherheitsrat eine unabhängige Untersuchung einberuft, die den Vorwürfen nachgeht.
Vehement bestritt Tadic, dass die Auslieferung von Ratko Mladic an das Kriegsverbrechertribunal ein politisches Kalkül gewesen sei, um den EU-Beitritt Serbiens voranzutreiben. Serbien habe vielmehr Wort gehalten, jetzt sei die EU an der Reihe, ihre Zusage bezüglich einer reellen Beitrittsperspektive einzulösen. Dabei machte Tadic deutlich, dass sich Serbien nicht als Bittsteller sieht, der besonders bevorzugt behandelt werden möchte.
Die EU solle vielmehr Wort halten und die Bemühungen Serbiens im Kampf gegen die Korruption und das organisierte Verbrechen sowie seine wirtschaftlichen und politischen Reformanstrengungen würdigen. Er verstehe die Sorgen der Erweiterungsgegner in der EU, aber es sei im Interesse der Gemeinschaft sich an ihre Zusage zu halten. Denn sollten die Integrationsbemühungen auf dem Balkan ins Stocken geraten, könnte dies neue Spannungen in der Region hervorrufen, warnte der serbische Präsident.
Keine Grenzverschiebungen mehr
Tadic unterstrich, dass Serbien ein Schlüsselland in der Region sei und stabilisierend auf seine Nachbarn einwirke. Mit Blick auf Abspaltungstendenzen der mehrheitlich von Serben bewohnten Republika Srpska in Bosnien-Herzegowina betonte er, dass seine Regierung gegen jegliche Veränderungen von bestehenden Grenzen sei und ein einheitliches Bosnien-Herzegowina unterstütze. Auch käme weder ein Großalbanien noch ein Großserbien in irgendeiner Weise in Betracht.
Die Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo schloss Tadic kategorisch aus, verwies aber auf den laufenden Dialog zwischen Belgrad und Priština, der derzeit von der EU in Brüssel moderiert wird. Hierbei geht es um die Lösung wichtiger Alltagsfragen wie Bewegungsfreiheit und Telekommunikation. Ihm sei aber klar, dass eine nachhaltige Lösung für beide Seiten gefunden werden müsse. Ein Vorbild sei der deutsch-deutsche Grundlagenvertrag von 1972, der beiden deutschen Staaten damals die Mitgliedschaft bei den Vereinten Nationen ermöglichte.
Der serbische Präsident gab sich optimistisch: Nachdem Kroatiens Beitritt zur Europäischen Union nun praktisch beschlossene Sache sei, werde auch Serbien nicht allzu lange darauf warten müssen. Etwa fünf Jahre werde es wohl noch dauern bis Serbien Mitglied werden kann. Deutschland, so hofft er, wird Serbien auf diesem Weg politisch unterstützen.
Autor: Verica Spasovska
Redaktion: Blagorodna Grigorova