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Sensationsfund: Größte Höhlenbilder Nordamerikas

12. Mai 2022

Einige Felsbilder in der Höhle in Alabama sind so groß, dass die Künstler sie in der niedrigen Höhle nie ganz sehen konnten. Die menschenähnlichen Figuren, Tiere und abstrakten Muster bedecken mehr als 400 Quadratmeter.

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Anthropomorphe Figur an Höhlendecke
Die menschenähnlichen Figuren unterscheiden sich von bekannten Darstellungsformen der Ureinwohner Bild: S. Alvarez/J. Simek/Cambridge University Press

Was veranlasst Menschen, in engen, stockfinsteren Höhlen große Zeichnungen in die Wände oder Decken zu ritzen? Und dann auch noch so große menschenähnlichen Figuren, Tiere und abstrakte Muster, dass selbst die Künstler sie aufgrund der Enge nie vollständig betrachten können.

Die jetzt in einer Höhle im US-Bundesstaat Alabama entdeckten Felsbilder haben wahrscheinlich eine religiöse Bedeutung, glaubt das Archäologenteam um Professor Jan Simek von der University of Tennessee. Denn die Höhlen galten im Glauben der Ureinwohner als Eingänge zur Unterwelt. "Die großen Figuren in der 19. unbenannten Höhle repräsentieren daher wahrscheinlich Geister der Unterwelt", schreibt das Team um Simek im Magazin Antiquity "Ihre Macht und Bedeutung drückte sich in der Größe und dem Kontext dieser Abbildungen aus", so die Archäologen. "Die Motive sind so groß, dass ihre Schöpfer sie zeichneten, ohne sie je als Ganzes zu sehen."

Für eine religiöse Bedeutung spricht auch eine ebenfalls in der Höhle entdeckte knapp 3,40 Meter lange Zeichnung von einer Schlange mit rundem Kopf. Es ist das größte bisher in Nordamerika gefundene Felsbild. Das Muster auf dem Rücken der Schlange ähnelt der Körperzeichnung einer Diamant-Klapperschlange. "Dieses beeindruckende Tier war den Völkern im Südosten Nordamerikas heilig", so die Archäologen.

Tier-Höhlenbilder in Alabama
Bilder von Vögeln und Waffen (a), Eulen (b) und Kaninchen (c) haben die Menschen in der Höhle hinterlassenBild: A. Cressler/Cambridge University Press

Geänderter Lebenswandel

Die Figuren, Tiere und abstrakten Muster bedecken mehr als 400 Quadratmeter in der sogenannten "19. unbenannten Höhle". Diese Höhle liegt in einer weitläufigen Kalksteinformation und umfasst mehr als fünf Kilometer lange Gänge. Aber diese Gänge sind sehr feucht und extrem eng, teilweise beträgt der Durchgang nur 60 Zentimeter. Trotzdem finden sich an den Wänden und Decken hunderte Felszeichnungen, sogenannte Glyphen, die in die natürliche Sedimentschicht geritzt wurden. 

Alle chronologischen Daten deuten auf menschliche Aktivitäten in der Höhle während der mittleren und späten Woodland-Periode hin, also sind diese Zeichnungen vermutlich zwischen 133 und 700 nach Christus entstanden, zu einer Zeit, als die Menschen in Nordamerika nicht mehr je nach Saison den verfügbaren Nahrungsquellen folgten, sondern sesshaft wurden und ihre Nahrung anbauten.

USA Höhlenbilder in Alabama
Wen die überlebensgroßen Figuren darstellen sollen, ist bislang noch unklarBild: S. Alvarez/J. Simek/Cambridge University Press

Ungewöhnliche menschenähnliche Figuren

Schlangenmotive wie z.B. Klapperschlagen tauchen in vielen präkolumbischen Zeichnungen auf und sind entsprechend leicht zuzuordnen. Das sieht bei den gefundenen anthropomorphen Figuren etwas anders auch.

Zwar tauchen auch bei den bis zu 1,80 Meter große menschenähnliche Figuren bekannten Formen auf. Aber: "Da wir ihresgleichen noch nie gesehen haben, kennen wir die Identität dieser alten Höhlenmalereien nicht. Es handelt sich weder um erkennbare Figuren aus ethnografisch aufgezeichneten Geschichten der südöstlichen Ureinwohner Amerikas, noch um archäologisch bekanntes ikonografisches Material", räumen die Archäologen ein.

Denn die entdeckten Figuren haben eckige Köpfe und Torsi, die mit Mustern aus Quer- und Längslinien verziert sind. Aus den Köpfen ragen Linien, die Federn oder auch spitze Ohren darstellen könnten. (Und somit vermutlich die Fantasie derjenigen beflügeln, die an einen einstigen Alien-Besuch auf Erden glauben.)

Ein Forscher hockt in einer Höhle
Erst Photogramme mit insgesamt 16.000 sich überlappenden Teilaufnahmen machten die Bilder sichtbarBild: A. Cressler/Cambridge University Press

Ausmaß erst im 3-D-Modell erkennbar

Eine Fotografie der Zeichnungen war mangels nötigem Abstand nicht möglich. Dass die großen Figuren überhaupt zu erkennen sind, obwohl deren Schöpfer sie in den engen Gängen selber nie in voller Pracht sehen konnten, ist einem schlauen Trick zu verdanken.

Die Forschenden haben die gesamte Höhle mittels Photogramme kartographiert. Dazu machten sie von allen Wänden und Decken in der Höhle insgesamt 16.000 sich überlappende Teilaufnahmen. Anschließend wurden die gesamten Bilder am Computer zu einem 3-D-Modell zusammengefügt.

Erst durch dieses dreidimensionale Modell bekamen die Forschenden eine Vorstellung vom Ausmaß der riesigen Ritzzeichnungen. "Die 3D-Modelle der Höhle ermöglichten es, sehr große Glyphen zu identifizieren, die in Person nicht erkenntlich waren", so das Team um Jan Simek von der University of Tennessee.

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund