Senegal: Das gebrochene Versprechen
22. März 2016Die Senegalesen sind einiges gewohnt von ihren Präsidenten. Schon Macky Salls Vorgänger hat die Nerven seiner Wähler ordentlich strapaziert: Erst hatte Abdoulaye Wade kurz vor Ende seiner zweiten Amtszeit 2011 noch schnell die Verfassung ändern lassen, um künftig sieben statt nur fünf Jahre regieren zu dürfen. Dann erwirkte er beim Verfassungsrat eine Ausnahmegenehmigung und trat ein drittes Mal an, obwohl das verboten war. Viele Senegalesen fühlten sich betrogen, protestierten. Die Stimmung im Vorfeld der Wahlen war aufgeladen, man befürchtete einen Bürgerkrieg.
Dann kam Macky Sall mit dem Satz: "Ich werde meine Amtszeit auf fünf Jahre begrenzen" und die Herzen der Senegalesen flogen ihm zu. Wade scheiterte in der Stichwahl, Sall wurde neuer Präsident. Wenn der Rapper Thiat, derzeit einer seiner lautesten Kritiker, daran zurückdenkt, dann lacht er verächtlich: "Über 60 Prozent haben ihn nur gewählt, weil er versprochen hat, seine Amtszeit zu verkürzen. Die ganze Welt hat applaudiert."
Kluger Schachzug oder Verfassungstreue?
Am Sonntag dann konnten die Senegalesen über eine ganze Reihe von Verfassungsreformen abstimmen und auch über die Frage, ob das Mandat des Staatschefs künftig verkürzt werden soll. Für Macky Salls aktuelle Amtszeit gilt das allerdings nicht mehr. Die Regierungsseite hatte für ein "Ja" geworben und das jetzt auch bekommen - wenn auch nicht so deutlich, wie erhofft. Rund 63 Prozent der Wähler stimmten für die vom Präsidenten vorgeschlagenen Änderungen, teilte die Wahlkommission jetzt mit. Macky Sall selbst hatte mit 80-prozentiger Zustimmung gerechnet.
Für Rapper Thiat ist der Volksentscheid eine Farce. Er ist Mitglied der Gruppe "Y'en a marre'", auf Deutsch: "Es reicht", und ist enttäuscht, dass Macky Sall seine Amtszeit nicht sofort verkürzt, sondern frühestens, wenn er wiedergewählt wird. "Wenn er es wirklich gewollt hätte, dann hätte er diese Entscheidung ans Parlament delegieren können", sagt Thiat, der eigentlich Cyrille Oumar Touré heißt. "Immer und immer wieder hat er bekräftigt, dass er sein Mandat verkürzen will. Und dann - erst vier Jahre später - sagt er: Es geht leider nicht." Für Thiat steht fest: "Sall hat das senegalesische Volk verraten."
Tatsächlich bekräftigte Sall immer wieder, ihm seien die Hände gebunden. Er rief den Verfassungsrat an, de facto eine Marionettenkammer mit fünf Mitgliedern, die allesamt vom Präsidenten selbst ernannt werden. Und der habe ihm eine Verkürzung verweigert und ihm nahe gelegt, die Senegalesen in einem Volksentscheid abstimmen zu lassen. Für Kritiker wie Thiat klingt das nach einer faulen Ausrede, um doch noch sieben Jahre an der Macht zu bleiben.
Große Debatte, kleine Wahlbeteiligung
Auch auf Andrea Kolb von der Konrad-Adenauer-Stiftung wirkt Salls Vorgehen kalkuliert und strategisch. Kolb beobachtet die politische Situation im Land seit 2011. "Den Menschen hier ging es wirklich darum, dass Macky Sall sein Versprechen einhält und jetzt ist die Bevölkerung frustriert und enttäuscht."
Die Kontroverse um das Referendum hat die senegalesische Gesellschaft gespalten. Wenige Tage vor der Wahl kam es mehrfach zu gewaltsamen Zusammenstößen beider Lager. Doch obwohl das Referendum im Vorfeld eine so große Debatte ausgelöst hatte, blieben die Wahllokale am Tag des Referendums erstaunlich leer. Tröpfchenweise trudelten die Wähler ein. Lange Schlangen - Fehlanzeige. Die Wahlbeteiligung lag bei gerade mal 38 Prozent. Laut Andrea Kolb lag das zum einen daran, dass 200.000 Wahlkarten nicht rechtzeitig ausgegeben wurden. Und als dann klar wurde, dass - egal wie sie abstimmen - Macky Sall volle sieben Jahre durchregieren würde, hätten "viele Menschen sich einfach nicht wirklich interessiert für die Verfassungsänderung".
Die Gruppe "Y'en a marre" hatte vor dem Referendum eine große Kampagne organisiert - ebenso wie das Präsidentenlager. Beide Seiten hatten mit Hausbesuchen die Wähler überzeugen wollen, für "Ja" oder "Nein" zu stimmen. Die Sall-Kampagne wurde nicht müde, ihr Engagement für eine gute Regierungsführung zu betonen. "Es geht in erster Linie darum, die senegalesische Demokratie zu konsolidieren", sagte Seydou Gueye, Sprecher der "Allianz für die Republik", der Partei von Staatspräsident Macky Sall. "Die Reform will die Institutionen und den Rechtsstaat stärken und eine gute Regierungsführung erreichen."
Vertrauen verspielt?
Was in der Debatte um die Verkürzung der Amtszeit fast in Vergessenheit geraten ist: Bei dem Referendum ging es noch um weitere wesentliche Punkte. So sieht die Verfassungsänderung auch eine Modernisierung des senegalesischen Parteiensystems vor, Umweltschutz als Menschenrecht, die Stärkung der Bürgerrechte und der Opposition. Doch so positiv das Referendum auch sei, sagt Andrea Kolb, "es hat einen negativen Beigeschmack."
2017 wird im Senegal ein neues Parlament gewählt. Und 2019 dürfte Macky Sall bei der nächsten Präsidentenwahl wieder antreten - für eine zweite Amtszeit. Für Andrea Kolb ist klar: "Die Regierungskoalition muss sich jetzt neu aufstellen und wieder um ihren Rückhalt in der Bevölkerung kämpfen." Doch für Rapper Thiat hat der Präsident alles Vertrauen verspielt. "Mit diesem Referendum könnte er sogar durchkriegen, ein drittes Mal zu kandidieren." Das hatte sein Vorgänger Abdoulaye Wade schließlich auch schon geschafft.
Mitarbeit: Mamadou Lamine Bâ