Afrikanische Sounds
20. März 2012Wer hören will, wie Afrika klingen kann, muss in Mainz erst einmal unter die Erde. Ausgerechnet im Keller des Instituts für Ethnologie und Afrikastudien befindet sich eine akustische Schatzkammer: das Archiv für afrikanische Musik. Die Sammlung ist einmalig in Deutschland: Soul, Reggae, Highlife, HipHop, Jazz und vor allem Popmusik - gebannt auf mehr als 10.000 Tonträgern aus ganz Afrika südlich der Sahara. Auch regionale Stile sind vertreten, zum Beispiel Big Flava, eine Variante des HipHop aus Ostafrika.
Mehrere tausend Platten
In insgesamt fünf Räumen lagern Schallplatten, Musikkassetten und CDs, Videokassetten und DVDs - gewissenhaft sortiert nach Regionen und Ländern. 1991 trug der Ethnologe Wolfgang Bender die ersten Platten zusammen, kaufte in den folgenden Jahren immer mehr Tonträger an. Andere bekam er geschenkt, von Wissenschaftlern etwa, die ihre Mitbringsel aus Afrika bei ihm abgaben.
"Der große Schwung kam dann, als Bender die Sammlung von Radio France International geholt hat", erinnert sich Hauke Dorsch, der das Archiv seit zwei Jahren leitet. Als sich der französische Radiosender damals von allen Vinylscheiben trennte, habe Bender die Platten nach Mainz geholt und so die Sammlung enorm vergrößert. Dorsch selbst erforscht die afrikanischen Sounds. Seine Doktorarbeit schrieb er über Griots, die westafrikanischen Berufssänger, Dichter und Instrumentalisten.
Schellackplatten aus den 40ern
Die ältesten Tonträger im Archiv sind Schellackplatten aus Ghana, Kenia und Tansania. Manche stammen noch aus den 1940er Jahren. Auch Vinylplatten aus Kamerun, Guinea, Zentral- und Südafrika werden gesammelt. Auf den Musikkassetten finden sich viele äthiopische Interpreten. Aster Aweke ist eine der Bekanntesten. Ihre Fans nennen sie auch die "Aretha Franklin Afrikas". Auf einer Aufnahme aus den 1980er Jahren klingt ihre Stimme verzerrt, lautes Rauschen mischt sich zwischen die Takte. Die Klangqualität vieler Stücke hat über die Jahre stark abgenommen.
Doch nicht nur die Musik bekannter und unbekannter afrikanischer Künstler wird in Mainz gesammelt. Auch viele Ethnologen haben während ihrer Forschungsreisen nach Afrika Aufnahmen gemacht, die nun im Archiv zu hören sind. Ein Lobgesang auf Hausa zum Beispiel, aufgezeichnet im nigerianischen Kano.
Afrikanische Kultur studieren
Ethnologie-Studenten können im Fundus des Archivs recherchieren und forschen. Jedes Semester gibt Hauke Dorsch außerdem Seminare zu afrikanischer Musik. Aber auch Literatur und Filme stehen auf dem Lehrplan. Neben dem Musik-Archiv hat das Institut eine ethnografische Sammlung und eine Bibliothek mit Büchern und Schriften in den ehemaligen Kolonialsprachen und in verschiedenen afrikanischen Sprachen. "Diese Konstellation ist sehr besonders und ermöglicht den Studenten eine sehr praxisbezogene Arbeit", sagt Dorsch und lächelt stolz.
Die musikalischen Schätze des Archivs sind auch für die Öffentlichkeit zugänglich. So organisieren Studenten immer wieder Ausstellungen, etwa zu Platten-Covern aus der Zeit der afrikanischen Unabhängigkeitsbewegung. Die Songs und Sounds selbst präsentieren sie in Konzerten.