Sein Vermächtnis: Letzte Ausstellung von Okwui Enwezor
Die Schau "Grief and Grievance" ist ein klares politisches Statement von Okwui Enwezor. Geplant wurde sie lange vor den großen Black Lives Matter-Protesten.
Dawoud Bey, Fred Stewart II and Tyler Collins (2012)
Fotograf Bey lehrt als Professor am Columbia College in Chicago Reportage- und Künstlerische Fotografie. Geboren als David Edward Smikle im Jamaica-Viertel von New York City legte er sich in den 1970er den Namen Dawoud Bey zu. Ursprünglich wollte er Musiker werden, aber mit 15 bekam er seine erste Kamera und zog damit los. Seine Fotoarbeiten sind in renommierten US-Museen zu sehen.
Nari Ward, Peace Keeper (1995)
Diese wuchtige Rauminstallation von Nari Ward (Jahrgang '63) war für Kurator Enwezor ein Schlüsselwerk in seinem Konzept: ein durchgesägter Leichenwagen, mit schwarzem, verkrusteten Teer überzogen. Darüber - bedrohlich nah - verrostete Auspuffrohre. Entstanden ist die Arbeit des in Jamaica geborenen US-Künstlers 1995, danach wurde sie zerstört. Für die New Yorker Ausstellung hat er sie neu gebaut.
Arthur Jafa, Love is the Message. The Message ist Death (Video/2016)
2019 wurde Arthur Jafa mit dem Goldenen Löwen der Biennale in Venedig ausgezeichnet. Geboren ist der US-Künstler 1960 in Mississippi, die brutale Rassentrennung war Alltag für ihn. Anfangs produzierte der Kameramann Musikvideos mit bekannten US-Rappern. Die Kunst kam später. 2018 untersuchte er mit der dokumentarischen Videoarbeit ”The White Album” das Weißsein in den USA.
Garrett Bradley, Alone (Filmstill/2017)
Bradley stammt aus einer New Yorker Künstlerfamilie. Ihre Eltern sind beide Maler. Studiert hat die Künstlerin Religionswissenschaften, später Filmregie an der University of California. Ihre Dokumentarfilme laufen auf internationalen Festivals. 2019 hatte sie ihre erste Einzelausstellung in Houston/Texas. Ihre Version des "American Dream" ist eine zutiefst anrührende Arbeit.
Carrie Mae Weem, Fotografien
Im schmalen Neubau des New Yorker "New Museum" ist nicht viel Platz. Die gesamte Ausstellung erstreckt sich über vier Stockwerke. Hier hängen Arbeiten der Fotografin Carrie Mae Weem. Sie stellt historische Szenerien aus der Bürgerrechtsbewegung nach, die ikonografisch in die Geschichte der USA eingegangen sind. In ihrer künstlerisch verfremdeten Version wirken sie hyperrealistisch.
Sorey_HR, Verisimilitude Sessions (2017)
Das Foto von John Rodgers zeigt den Musiker Tyshawn Sorey, vertieft in seine Improvisation am Schlagzeug. Die Session fand 2017 im Studio statt. Sorey stammt aus Newark/New Jersey. Studiert hat er Posaune, er spielt Klavier und gehört seit langem zur New Yorker Jazz-Szene. Neben Konzerten, Kompositionsarbeiten und CD-Projekten unterrichtet er als Musikpädagoge junge Musiker.
Rashid Johnson, Antoine's Organ (Rauminstallation/2016)
Die monumentale Installation von Rashid Johnson steht im Dachgeschoß des "New Museum". Ein Stellage, wie ein überdimensionales Regal für Krimskrams, vollgepackt mit Grünpflanzen, Büchern ihm wichtiger Schriftsteller und identitätsstiftenden Dingen. Von innen tönt live Klaviermusik. Der afroamerikanische Künstler, 1977 in Harlem geboren, sieht seine Rauminstallationen als hybrides Ökosystem.
Diamond Stingily, Entryways (2016)
Sie gehört zu den Jüngeren dieser Schau afroamerikanischer Künstlerinnen und Künstler. 1990 in Chicago geboren, beschäftigt sich Diamond Stingily mit Alltagsgegenständen, auf denen das Leben Spuren hinterlassen hat. Kindheitserfahrungen aus der schwarzen Community, Familien-Geschichte(n), alles nimmt sie in poetischen Skulpturen mit auf. Der Rassismus in den USA ist Thema bei ihr.
Glenn Lion, A Small Band (2015)
In schlichten Neonbuchstaben schmückt diese Lichtinstallation von Glenn Lion den Eingangsbereich des "New Museum" in Manhattan. Eine sinnfällige Alliteration, wobei hinter jedem Wort auch US-amerikanische Geschichte steckt. 85 Prozent der aktuellen Ausstellung war noch von Kurator Okwui Enwezor geplant worden. Lion unterstützte den schwerkranken Kunstexperten dabei.
Okwui Enwezor (1963-2019)
Enwezor war Anfang der 1980er Jahre nach New York gezogen. Dort studierte er Politikwissenschaften und beschäftigte sich mit Lyrik und Kunst. Er trat in der berühmten "Knitting Factory" mit eigenen Texten auf. Als Kurator arbeitet er zuerst am International Center of Photography in New York. Später wurde er als Künstlerischer Leiter von zahlreichen Großausstellungen weltweit berufen.
Der internationale Ausstellungskurator und frühere Documenta-Chef Okwui Enwezor starb 2019 in München an einer Krebserkrankung. Jetzt ist sein künstlerisches Vermächtnis posthum in New York zu bewundern - mit einer politischen Botschaft weit über die Grenzen der Vereinigten Staaten von Amerika hinaus. Das war der Wunsch des Weltbürgers Enwezor.
Die Ausstellung im "The New Museum" ( https://www.newmuseum.org/exhibitions/view/grief-and-grievance-art-and-mourning-in-america-1) ist noch bis zum 6. Juni 2021 in New York zu sehen. Der Katalog kostet 79,95 US-Dollar (69,95 Euro) und kann online oder in der Buchhandlung bestellt werden.