Sebastian Vettel schlägt sich selbst
9. Juni 2019"Nicht so! Nicht so! Ihr müsst total blind sein!", schimpfte Sebastian Vettel nach dem Rennen in Montreal über Funk und meinte damit die Renn-Stewards, die ihm in seinen Augen die Chance auf einen verdienten Sieg verbaut hatten. Dabei war Vettel selbst an seiner Misere alles andere als unschuldig: In der 48. Runde unterlief dem viermaligen Weltmeister ein dummer Fahrfehler. Direkt vor Verfolger Lewis Hamilton in Führung liegend, kam er in einer Schikane von der Strecke ab, musste kurz auf die Wiese ausweichen und fuhr direkt vor dem Briten wieder zurück auf die Fahrbahn. Nur weil der Brite scharf bremste, kam es nicht zu einem Unfall. Wenig später bekam Vettel die Quittung: Eine Fünf-Sekunden-Zeitstrafe wegen Behinderung. Eine nachvollziehbare Bewertung, die Vettel so allerdings überhaupt nicht nachvollziehen konnte. "Sie klauen uns das Rennen!", hatte er sich schon direkt nach Bekanntgabe der Strafe von der Strecke aus beschwert.
Vettel tauscht die Plätze
"Wo sollte ich den zum Teufel nochmal hin?", setzte er nach dem Ende des Rennens, bei dem er zwar als Erster über die Ziellinie fuhr, aber dennoch nur Zweiter wurde, seine Funk-Tirade fort. "Das ist nicht fair. Ich hatte Gras auf den Reifen und hatte Glück, dass ich nicht in die Mauer gefahren bin." Vettel war so wütend, dass er nach der Auslaufrunde zu allem Überfluss in der Boxengasse auch noch an der Waage vorbeifuhr, auf der Rennwagen und Pilot den Regeln zufolge gewogen werden müssen, wenn es keine weitere Strafe geben soll. Ganz alleine und vollkommen sauer musste Vettel sein Auto alleine wieder zurück schieben, sicherlich nichts, was seine schlechte Laune minderte.
Danach war er erstmal weg: Keine Gratulation an den Rivalen, keine Interviews - Vettel bewegte sich im zackigen Gang ins Ferrari-Motorhome, um ein wenig zur Ruhe zu kommen. Erst zur Siegerehrung - auch das ein Pflichttermin für die drei Bestplatzierten - tauchte er wieder auf. Allerdings nicht, ohne zuvor noch die Tafeln, auf denen die Platzierungen stehen, vor den parkenden Rennwagen auszutauschen. Die "2", die eigentlich ihm gehörte, stellte er vor Hamiltons Mercedes.
Danach: Wortlosigkeit. Zwar gratulierte Vettel seinem Rivalen im Warteraum hinter dem Balkon mit dem Siegerpodest, doch gesprochen wurde kaum. Die Ferrari-Piloten Vettel und Charles Leclerc, der auf Platz drei gefahren war, saßen in der einen Ecke, Hamilton in der anderen.
Am Ende kleinlaut: "Lewis war respektvoll"
Dabei hatte der Brite - anders als der schlechte Verlierer Vettel - im Erfolg Größe bewiesen. "Das war nicht die Art und Weise, wie ich gewinnen wollte", sagte er direkt nach der Zieldurchfahrt in Richtung seiner Boxencrew. "Ich wäre lieber noch an ihm vorbeigefahren." Im Sieger-Interview räumte er dann aber ein, dass Vettel dafür zu schnell und der Ferrari zu gut gewesen sei. Auch für die Emotionen Vettels hatte er Verständnis: "Das ist seine Meinung. Das ist auch normal", sagte Hamilton. "Ich bin die Kurve normal gefahren. Aber wenn man die Strecke verlässt, sollte man nicht einfach so direkt auf die Strecke zurück fahren."
Bei Vettel dauerte es ein wenig, bis diese Erkenntnis langsam durchzusickern schien. So kamen erst am Ende endlich ein paar vernünftige Sätze aus seinem Mund: "Ich weiß nicht, warum die Leute hier buhen. Die Leute sollen Lewis nicht ausbuhen. Wenn, dann sollten wir diese komische Entscheidung ausbuhen", sagte Vettel nach der Siegerehrung, bei der Hamilton ihn mit auf das oberste Treppchen gezogen hatte. Die Entscheidung der Stewards wollte er nicht mehr kommentieren, sondern war fast schon kleinlaut - vielleicht, weil ihm mittlerweile dämmerte, dass er überzogen hatte. "Ich denke, ich habe genug gesagt", sagte Vettel und ergänzte noch. "Lewis war sehr respektvoll."