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Schwierige Wahlbeobachtung in Russland

Felix Riefer17. August 2016

Die Parlamentswahl in Russland wird bereits im Vorfeld kritisiert. Experten zufolge fehlen grundlegende Voraussetzungen für einen fairen Ablauf. Vor allem um die Wahlbeobachtung steht es schlecht.

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Stimmenauszählung in einem russischen Wahllokal (Foto: Kirill Kuxmar'/RIA Novosti)
Bild: picture-alliance/dpa/K. Kuxmar

Bereits im Mai dieses Jahres hat der Vorsitzende der Staatsduma, Sergej Naryschkin, der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) verweigert, die Wahlen zum Unterhaus des russischen Parlaments zu beobachten. Wegen der völkerrechtswidrigen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim hatte der Europarat im April 2014 Russland das Stimmrecht entzogen. Die Absage an die PACE-Wahlbeobachter nutzt Russland nun offenbar als politische Ohrfeige gegen den Europarat.

Die OSZE hingegen darf die Duma-Wahlen beobachten. In ihrem Bericht konnte das OSZE-Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte sogar teilweise eine Anpassung an zuvor erteilte Empfehlungen feststellen. Die OSZE hat allerdings weiterhin Bedenken, beispielsweise hinsichtlich der Lage der Medien, die als staatlich gelenkt gelten.

Zivilgesellschaftliche Mitarbeit unerwünscht

Schwieriger ist vor allem die Lage inländischer Wahlbeobachter geworden, und zwar aufgrund von drei Gesetzen. Bereits im Februar dieses Jahres wurde in Russland ein Gesetz verabschiedet, das die Zahl der Wahlbeobachter und Berater pro Wahlkommission beschränkt. Das Gesetz besagt, dass eine Wahlkommission lediglich einen Wahlbeobachter pro Wahllokal entsenden darf. Der Wahlbeobachter muss zusätzlich spätestens drei Tage im Voraus angemeldet werden. Experten zufolge lässt sich dadurch eine Wahlfälschung besser planen, da man im Vorhinein wisse, wer wohin kommt und welches Wahllokal nicht beobachtet wird.

Ferner dürfen seit März Journalisten in Russland nur noch als Wahlbeobachter akkreditiert werden, wenn sie mindestens fünf Monate vor der Wahl bereits für ihre Zeitung oder ihren Sender gearbeitet haben. Um bereits bestehende Einschränkungen bei der Wahlbeobachtung zu umgehen, hatten sich Aktivisten der Zivilgesellschaft früher als Medienvertreter zur Wahlbeobachtung registrieren lassen.

Entscheidend eingeschränkt wird die Wahlbeobachtung von einem im November 2014 verabschiedeten Gesetz. Jede Nichtregierungsorganisation, die von den russischen Behörden als "ausländischer Agent" geführt wird, darf faktisch keine Wahlen mehr beobachten. Laut dem "NGO-Gesetz" aus dem Jahr 2012 müssen sich Nichtregierungsorganisationen, die Gelder aus dem Ausland erhalten, als "ausländische Agenten" registrieren lassen.

"Staatsmacht fürchtet offenbar Demonstrationen"

Die erste NGO, die im Frühjahr 2013 auf die "Agenten-Liste" gesetzt wurde, war die im Jahr 2000 gegründete russische Wahlbeobachter-Organisation "Golos" (Stimme). Sie löste sich daraufhin auf, um sich Anfang Juli als "Bewegung für Wählerrechte 'Golos'" neu zu gründen. Die Bewegung konnte die Arbeit der früheren NGO fortsetzen. Doch knapp zwei Monate vor den russischen Parlamentswahlen ordnete ein Moskauer Gericht am 28. Juli 2016 auf Antrag des Justizministeriums die Schließung von "Golos" an.

Im Büro der NGO "Golos" (Foto: ITAR-TASS/ Alexandra Krasnova)
Die NGO "Golos" wird die Duma-Wahl nicht mehr beobachten könnenBild: picture-alliance/dpa

Im Gespräch mit der Deutschen Welle sagte der Vorsitzende der Bewegung "Golos", Grigorij Melkonjanz, die russische Regierung fürchte offenbar Demonstrationen wie nach den Parlamentswahlen Ende 2011 und nach den Präsidentschaftswahlen im Frühjahr 2012. "Die damaligen Massenproteste wurden durch massive Wahlfälschungen hervorgerufen", betonte er. Melkonjanz zufolge steht die Neubesetzung der Zentralen Wahlkommission durchaus für eine Veränderung. Deren neue Vorsitzende Ella Pamfilowa sei eine renommierte Menschenrechtlerin. Doch für grundlegende Reformen bleibe bis zur Duma-Wahl kaum Zeit. "Das ist eine langfristige Aufgabe", so Melkonjanz.

"Nur scheinbar freie Wahlen"

Petra Stykow, Professorin an der Ludwig-Maximilians-Universität München mit Schwerpunkt politischer Systeme in Ostmitteleuropa und Eurasien, wies im Gespräch mit der DW darauf hin, dass es in Russland durchaus Regeln gebe, die einen sauberen Wahlablauf sicherten. "Die Schizophrenie des Regimes in Russland liegt darin begründet, dass ein Schein geschaffen werden soll", betonte sie.

Das Gefährliche am Regime in Russland ist ihr zufolge, dass es "viel subtil-autoritärer ist, als wir wahrnehmen". Es gebe größtenteils sogar demokratische Regeln, die den politischen Prozess steuerten. "Doch andererseits laufen dahinter unkontrollierbarere Prozesse ab. Selbst dieses Spielen damit, dass man nicht genau weiß, ob das, was gesagt wird, die Wahrheit ist oder wieder ein Vorwand, selbst das gehört dazu", sagte Stykow.