Schwierige Verhandlungen über Waffenkontrolle
18. Juli 2012"Die höchst möglichen internationalen Standards" will die UNO für den Handel mit Waffen festlegen. Vertreter von Nichtregierungsorganisationen (NGO) fordern deshalb die Einführung einer sogenannten "Goldenen Regel" für die Kontrolle des Handels mit Rüstungsgütern. Der Verkauf von Panzern, Pistolen oder Munition "darf nicht genehmigt werden, wenn mit den Waffen Menschenrechte verletzt werden oder wenn das humanitäre Völkerrecht verletzt wird, wenn damit Angriffskriege geführt werden oder die regionale Stabilität bedroht ist", erläutert Robert Lindner von Oxfam-Deutschland die Kriterien. Er nimmt als Beobachter an der UN-Verhandlung in New York teil.
Nachdem die ersten beiden Wochen "ziemlich chaotisch" verlaufen seien, so Lindner gegenüber der Deutschen Welle, werde die Zeit jetzt knapp, um die Streitpunkte bis Ende Juli aus dem Weg zu räumen.
Michael Ashkenazi vom Internationalen Konversionszentrum Bonn (BICC) sieht einen der Knackpunkte in der Frage "ob und in welchem Ausmaß die UNO oder eine andere Institution das in der UN-Charta festgeschrieben Recht der Staaten auf Selbstverteidigung regulieren darf." Denn zum Recht auf Selbstverteidigung gehöre selbstverständlich auch das Recht, Waffen zu diesem Zweck zu kaufen, so der Rüstungsexperte Ashkenazi. "Und wenn wir anfangen, gegen dieses Recht in Frage zu stellen, dann stellen wir einen grundlegenden Aspekt der UN-Charta in Frage."
Dass der Handel mit Angriffswaffen wie Panzern und Flugzeugen ebenso geregelt werden muss wie der Verkauf von Kleinwaffen, sei unter den Verhandlungspartnern in New York "relativ unstrittig", so Robert Lindner. Aber schon über die Frage, ob auch Munition unter die Genehmigungspflicht fallen soll, gibt es Streit. Unter anderem lehnen die USA diesen Vorschlag vehement ab. Gleiches zeichne sich ab bei der Einordnung von Ausrüstungen für Polizei und Sicherheitskräfte, "also Tränengas und Sicherheits-Equipment, die für Menschenrechtsverletzungen ganz besonders eingesetzt werden, wie man beim sogenannten arabischen Frühling gesehen hat", erläutert Oxfam-Experte Lindner.
Milliarden-Umsätze sichern Millionen Jobs
Das Geschäft mit dem Tod ist lukrativ: Mit dem Verkauf von Panzern, Artillerie, Kampfjets, Kriegsschiffen, Gewehren, Pistolen und Munition setzten die hundert größten Firmen im Jahr 2010 mehr als 410 Milliarden US-Dollar um, so das renommierte Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI in seinem Jahresbericht 2012. Viele dieser Waffen wurden in Krisenstaaten geliefert, wo sie bewaffnete Konflikte erst möglich gemacht oder verschärft und verlängert haben. Aktuelles Beispiel ist Syrien - das Assad-Regime stützt sich vor allem auf importierte russische Waffen.
Die größten Waffenexporteure sind die fünf Vetomächte im UN-Sicherheitsrat: USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien. Gemeinsam mit Deutschland und Italien teilen sie sich fast den gesamten Markt: Nach Angaben von SIPRI liefern sie wertmäßig 80 Prozent aller weltweit gehandelten Rüstungsgüter. In den USA arbeiten mindestens drei Millionen Menschen in der Rüstungsindustrie; in Deutschland sind es immerhin rund 80.000.
Wahrung von Geschäftsinteressen
Zu denen, die sich gegen strenge Regulierungen aussprechen, zählen auf Herstellerseite Russland und die USA sowie der Hauptabnehmer von Rüstungsgütern: Indien. Dabei sind die Gründe ganz unterschiedlich, so Michael Ashkenazi. "Die USA sind der Waffenexporteur Nummer eins in der Welt und sie sind mehr als unglücklich darüber, dass der Handel jetzt von außen geregelt werden soll." Man müsse allerdings anerkennen, so Ashkenazi, dass die USA bis zu einem gewissen Grad bereits ein ziemlich gutes Regulierungssystem haben, um den Missbrauch von Waffen zu verhindern. Aber es gehe hier in erster Linie um die Geheimhaltung von Geschäftsinteressen.
Zu den erklärten Gegnern eines robusten Vertrages zur Kontrolle des Waffenhandels zählt auch China. "China verkauft Waffen an Gott und die Welt", stellt Ashkenazi fest. "Das Land ist allerhöchstens bereit, die Regulierung von Zwischenhändlern zu akzeptieren, weil Peking seine Geschäfte sowieso nicht über Mittelsmänner abwickelt. China verhandelt in der Regel direkt mit den Regierungen."
Öffentlichkeit herstellen
Um diese Strukturen aufzubrechen, fordern NGOs vor allem mehr Transparenz. "Es muss öffentlich darüber berichtet werden", meint Lindner. Es sei nicht ausreichend, wenn alle Staaten ihre Genehmigungsentscheidungen lediglich an ein Vertragssekretariat berichten, oder sich die Staaten auf vertraulicher Basis gegenseitig informieren. "Dann würde die Öffentlichkeit nichts davon erfahren." Öffentliche Berichterstattung sei ganz wichtig. "Das ist eine Art indirekte Sanktionierung: Wenn es öffentlich wird, dann kann man durch 'naming and shaming' - also öffentliches Anprangern - auch Druck ausüben", sagt Lindner.
Eine große Hürde gilt es zudem noch zu nehmen: Der Vertrag muss einstimmig angenommen werden. Die Verabschiedung des Waffenhandelskontrollvertrages ist für den 27. Juli vorgesehen.