Schwerer Stand
26. August 2010Investigativer Journalismus gilt als eine der anspruchsvollsten und schwierigsten journalistischen Tätigkeiten. Es erfordert viel Kraft, Zeit und auch Mut, um zum Beispiel Fälle von Korruption in Staat und Wirtschaft aufzudecken. Schon deshalb ist die Zahl der Journalisten, die investigativ arbeiten, eher gering.
In Deutschland seien es rund 100, so Jörg Schmitt, Redakteur des Politmagazins "Der Spiegel". Weil seine Zeitschrift eine Auflage von einer Million hat und genügend zahlende Anzeigekunden, ist sie in der Lage, aufwändige Recherchen zu finanzieren. Eineinhalb Jahre lang konnten Jörg Schmitt und zwei seiner Kollegen beispielsweise das Schmiergeldsystem der Firma Siemens untersuchen. Nachdem der Artikel erschienen ist, wurden Staatsanwaltschaften im In- und Ausland tätig. Viele Siemensmanager mussten ihren Hut nehmen. Die Basis für diese Recherchen war das Spiegel-Archiv. Alleine dort arbeiten etwa 80 Journalisten.
Probleme der Transformationsstaaten
Für die 24-jährige Jelena Jorgacevic aus Belgrad eine unvorstellbare Zahl. Im Archiv des Wochenmagazin "Vreme", bei dem sie arbeitet, arbeitet nur ein Angestellter - Geld für aufwändige Recherchen gibt es nicht. Trotzdem könne man als Journalist über Korruptionsfälle recherchieren und auch veröffentlichen. Doch man müsse sich der Risiken bewusst sein: "Wenn man darüber schreibt, bekommt man Feinde. Und vielleicht ist das Phänomen der Korruption in Transformationsstaaten viel stärker als anderswo. Wir haben zurzeit mehr Korruption und insofern als Journalist, der darüber schreibt, auch mehr Feinde."
Während Serbien auf Platz 62 in der Rangliste der Pressefreiheit der Nichtregierungsorganisation "Reporter ohne Grenzen" liegt, belegt Belarus gerade mal Rang 151. Dem Regime von Präsident Alexander Lukaschenko wird vorgeworfen, dass es Zensur, Willkür und Gewalt gegen Journalisten anwendet. Trotz dieser Zustände möchte die 20-jährige Studentin Julia Schenderowitsch später als investigative Journalistin arbeiten: "Ich erwarte nicht, dass es einfach sein wird - auch wenn die Regierung wechselt. Die Menschen haben inzwischen die Angewohnheit, nicht zu reden. Sie haben vor allem Angst davor, dass ihr Name in den Medien veröffentlicht wird. Das hängt mit den Erfahrungen aus der Sowjetzeit zusammen und dem Fehlen von Demokratie während der letzten 20 Jahre."
Zwischen Geld und Durchhaltevermögen
Das Hauptproblem für die mangelnde Pressefreiheit in ihrem Land sieht die Ukrainerin Olga Woroschbyt in der starken Verflechtung von Wirtschaft und Politik: Zeitungen und Fernsehen gehörten meist Unternehmern, die politisch aktiv sind oder mit Politikern eng zusammenarbeiten. Eine kritische Berichterstattung sei deshalb in diesen Medien kaum möglich. Die 20-Jährige arbeitet als freie Journalisten für die unabhängige Internetseite "SPAS.IN.UA". Ihrer Meinung nach stecken ukrainische Journalisten in einem Dilemma: "Entweder sie machen guten Journalismus und verdienen damit kein Geld. Oder sie wollen Geld verdienen und befolgen deshalb die Linie des Besitzers ihrer Zeitung oder ihres Fernsehkanals. Freier Journalismus findet im Internet statt", so Olga Woroschbyt.
Auch die Rumänin Adelina Nicolescu beurteilt die Lage in ihrer Heimat kritisch. Die 18-Jährige will zwar als Journalistin arbeiten, aber vermutlich nicht in Rumänien. "Es ist zwar gut, das Gefühl zu haben, man tut etwas, um etwas zu verändern. Ich glaube aber nicht, dass ich die Leidenschaft hätte, die notwendige Zeit aufzubringen, um Dinge in Rumänien zu verändern", sagt sie.
Tipp vom Profi
Die jungen Journalisten aus Ost- und Südosteuropa sprachen bei einem Jugend Medien Workshop in Potsdam (23.-26-08.2010), der Teil der internationalen Medienkonferenz M100 Sanssouci Colloquium ist, über ihre Erfahrungen. Spiegel-Redakteur Jörg Schmitt, der ein Modul leitete, ermunterte seine jungen Kollegen dazu, investigativ zu arbeiten - auch wenn es nicht immer einfach sei. "Ich glaube, das Wichtigste ist, die Gesetze zu kennen, welche Rechte auf Information man hat, welche Stellen einem Auskunft geben müssen, aber auch zu wissen, wo in solchen Ländern die Fallstricken und Grenzen einer Berichterstattung liegen", sagt Schmitt. Wenn man die kenne und sich daran entlang hangle, dann helfe das sicherlich sehr weiter.
Autor: Panagiotis Kouparanis
Redaktion: Mirjana Dikic