Initiative gegen den atomaren Knall
25. Februar 202030 Jahre nach dem Kalten Krieg gibt es wieder einige Entwicklungen im Bereich der Atomwaffen, die Anlass zur Sorge bereiten: Die USA, Russland und China modernisieren ihre Arsenale. Iran reichert nach dem De-facto-Scheitern des Atomabkommens immer mehr Uran an. Und Nordkorea testet Sprengköpfe und Raketen, um nukleare Drohgebärden gegen seine zahlreichen Gegner zu richten.
Die Bedrohung durch Nuklearwaffen, darin sind sich viele Experten einig, ist wieder größer geworden. Damit das nicht so bleibt, kommen an diesem Dienstag Vertreter von 16 Staaten in der Nähe von Berlin zusammen. Sie wollen auf Einladung von Bundesaußenminister Heiko Maas die Beratungen fortsetzen, die sie im vergangenen Juni in Stockholm begonnen hatten.
Vorschläge für New York
Indirekt geht es in Berlin um das wohl wichtigste Instrument der Weltgemeinschaft, um die nukleare Bedrohung in Schach zu halten: den Atomwaffensperrvertrag, auf Englisch "Non-Proliferation Treaty" (NPT). Dieses Abkommen wird alle fünf Jahre turnusgemäß überprüft. In zwei Monaten kommen dazu die Vertreter der 190 Vertragsstaaten vier Wochen lang in New York zusammen.
Schwedische Diplomaten mahnten bei der Vorbereitung zu dieser Konferenz: "Die NPT-Gemeinschaft darf 2020 nicht mit leeren Händen auftauchen." Deshalb ergriff Schwedens Regierung die Initiative und rief die Stockholm-Initiative ins Leben, um gemeinsam Vorschläge für die große Konferenz in New York zu entwickeln.
Konserviertes Kräfteverhältnis
Der Atomwaffensperrvertrag ist der diplomatische Versuch, die atomaren Kraftverhältnisse aus dem Jahr 1967 dauerhaft einzufrieren. Bis dahin hatten fünf Staaten bereits eine Atombombe gezündet: die USA, Frankreich, China, Großbritannien und die damalige Sowjetunion. Sie verpflichteten sich in dem Abkommen, ihr technisches Wissen nicht an Drittstaaten weiterzugeben. Alle anderen Vertragsstaaten sagten zu, keine eigenen Kernwaffen zu entwickeln. Alle Unterzeichner, also auch die fünf offiziellen Atommächte, bekennen sich zu Verhandlungen mit dem Ziel einer vollständigen Abrüstung.
Der Atomwaffensperrvertrag ist völkerrechtlich bindend, und nur wenige Staaten nehmen nicht teil: Die südasiatischen Nachbarn Indien und Pakistan streiten seit ihrer Unabhängigkeit 1947 um das Kaschmirtal und halten einander auch mit Atomwaffen in Schach. Sie hatten bereits vor dem Inkrafttreten des Vertrags 1970 an eigenen Kernwaffen gearbeitet. Selbiges gilt auch für Israel - diese drei Staaten sind inoffizielle Atommächte abseits des Vertrages. Der vierte Nichtunterzeichner ist der noch sehr junge Südsudan; seit seiner Unabhängigkeit 2011 hat das afrikanische Land jedoch dringendere Probleme als ein eigenes Atomprogramm.
Eine Sonderrolle hält Nordkorea inne: Der ostasiatische Staat hat 2003 seinen Austritt aus dem NPT erklärt, um eigene Atomwaffen zu entwickeln. Im Januar drohte auch Iran, aus dem Abkommen auszusteigen. Seit die USA das Atomabkommen mit Teheran einseitig aufkündigten, stehen die Zeichen in der islamischen Republik wieder auf atomare Aufrüstung.
Die zwei Gruppen von Stockholm
Die 16 Teilnehmer des Stockholm-Formats sind allesamt keine Atommächte, aber einen Unterschied gibt es: Länder wie Schweden, Neuseeland und Äthiopien sind komplett atomwaffenfrei. Länder wie Kanada, Südkorea oder auch Deutschland verfolgen als NATO-Mitglieder eine Politik der erweiterten nuklearen Abschreckung: Sie praktizieren sogenannte nukleare Teilhabe, indem sie Atomwaffen der NATO-Partner in Einsätze einbeziehen könnten, ohne selbst welche zu besitzen.
Auch in Deutschland, auf dem Luftwaffenstützpunkt Büchel in Rheinland-Pfalz, lagern US-amerikanische Atomsprengköpfe. Demzufolge haben NATO-Länder einen anderen Ausgangspunkt als komplett atomwaffenfreie Staaten. Das internationale Parlamentariernetzwerk für atomare Abrüstung (PNND), lobte deshalb die Zusammensetzung von Stockholm: "Die Initiative könnte helfen, die Kluft zwischen nuklearen und nichtnuklearen Staaten zu überbrücken."
Viel zu tun in Berlin
Tatsächlich wurden schon in Stockholm einige konkrete Vorschläge erarbeitet, die die 16 Teilnehmer in New York anbringen wollen: Zum Beispiel wollen sie die Vorwarnzeit erhöhen, die vor dem Einsatz einer Atomwaffe auf gegnerisches Territorium verstreichen muss.
Alle Atommächte sollen sich zudem zu einer "No first use policy" bekennen, also einer Militärdoktrin, die einen atomaren Erstschlag ausschließt. Die Stockholm-Initiative hofft auch, dass die Überprüfungskonferenz der ausdrücklichen Formulierung zustimmt, dass "ein Atomkrieg nicht gewonnen werden kann und niemals geführt werden darf".
Nach dem Treffen in Stockholm erklärten die Teilnehmer: "Unser gemeinsames Ziel ist eine Welt ohne Atomwaffen." Nun wollen sie in der Villa Borsig bei Berlin weiter an ihren Vorschlägen feilen - damit sie ab dem 27. April bei der Atomwaffensperrvertragskonferenz in New York tatsächlich nicht mit leeren Händen auftauchen.