Gourmets im Weltall
11. Februar 2010Kartoffelsüppchen mit Majoran, Kalbsbäckchen mit Pfifferlingen an Balsamico-Essig-Sauce, Zwetschgen im Zimtsud. Das ist das neue Space-Food des Starkochs Harald Wohlfahrt. Serviert hat er es in einem Kölner Nobelhotel mehreren Testessern. Unter ihnen war einer, der sich besonders gut auskennt: der ehemalige Astronaut Professor Ernst Messerschmidt. Dem schmeckte das ausgeklügelte Drei-Gänge-Menü hervorragend. Gewohnt war er bisher was ganz anderes: Während seiner einwöchigen Mission im All 1985 gab es nämlich fast ausschließlich Tütensuppen und Instant-Gerichte. Dagegen sei das neue deutsche All-Menü aus der weltraumtauglichen Dose ein kulinarischer Quantensprung, schwärmte Messerschmidt.
Im Weltraum schmeckt das Essen anders
Andere anwesende Testesser waren teilweise nicht ganz so begeistert. Das Kartoffelsüppchen sei noch ok, die Kalbsbäckchen erinnerten aber eher an Hundefutter als an gehobene Küche, lautete ein Testurteil.
Dass es manchem Erdbewohnern nicht so recht munden wollte, ist für Messerschmidt allerdings leicht zu erklären: Space-Food muss nämlich ganz anders gekocht werden als für irdische Gaumenfreuden: "Wenn Astronauten lange im All sind, dann haben sie Knochenschwund, zehn bis zwanzig Mal stärker als auf der Erde. Salz verstärkt diesen Prozess noch. Deshalb darf man keine salzigen Speisen essen, sollte Salz sogar ganz vermeiden." Salz muss der Sternekoch deshalb durch andere Gewürze ersetzen. Dazu kommt, dass die Geschmacksnerven der Astronauten in Schwerelosigkeit nicht so gut funktionieren wie auf der Erde. Deshalb muss stärker gewürzt werden, um einigermaßen Geschmack ins Essen zu bringen.
Erster Test im All war erfolgreich
Der belgische Astronaut Frank de Winne hat das deutsche Weltraummenü im vergangenen Jahr auf der Internationalen Raumstation ISS in 350 Kilometern Höhe als erstes unter realistischen Bedingungen getestet - und für lecker befunden.
Dieser erfolgreiche Test war die Initialzündung für die Europäische Raumfahrtbehörde ESA, ihre Anstrengungen für eine bessere Verpflegung der Astronauten zu intensivieren.
Momentan können sich die ISS-Raumfahrer lediglich aus US-amerikanischen und russischen Produkten eine Menüliste zusammenstellen, die sie während der sechs Monate auf der ISS zu sich nehmen. Die ESA möchte nun ebenfalls Teil des kulinarischen Standard-Programms werden, um ihre Astronauten auch mit heimischen Produkten versorgen zu können.
Essen im All sei nämlich äußerst wichtig, betont Guillaume Weertz von der ESA: "Das ist für uns eine psychologische Unterstützung. Das hilft unseren Astronauten, sich etwas wohler zu fühlen und wenn die Leute sich wohl fühlen, arbeiten sie auch besser."
Doch der Weg auf die offizielle ISS-Speisekarte ist schwer. Bis zu eineinhalb Jahre dauert die Entwicklung eines Weltraum-Menüs von der Idee bis zur Zulassung durch die Weltraumagenturen. Neben kulinarischen und ernährungswissenschaftlichen Aspekten ist besonders die Verpackung problematisch. Die muss robust, gut zu entsorgen und vor allem leicht sein - die All-Speisen dürfen nicht zu viel wiegen. Ein Kilogramm Material, das ins Weltall transportiert werden muss, kostet derzeit etwa 22.000 US-Dollar. Um jedes Gramm wird deshalb hart gefeilscht.
Sechs Köche in Startposition
Die Pläne der ESA für eine europäische Speisekarte auf der ISS sind allerdings noch Zukunftsmusik. Bisher gibt es keinen Zeitplan. Trotzdem hat die Welttraumagentur bereits sechs europäische Sterneköche aus sechs unterschiedlichen Ländern im Boot. Mit dabei ist Marc Häberlin, Drei-Sterne-Maitre aus dem Elsass. Er tüftelt bereits an einem Menü, das ausschließlich aus elsässischen Spezialitäten bestehen soll. Mitte des Jahres soll es fertig sein; wann es dann auf der ISS zu genießen sein wird, bleibt abzuwarten.
Autor: Peter Schultz
Redaktion: Kay-Alexander Scholz