Schwachstelle von "Alptraum-Bakterium" entdeckt
22. Juni 2021Seit Jahren suchen Forschende nach einem wirksamen Mittel gegen Pseudomonas aeruginosa, das nicht von ungefähr zu den "Nightmare Bacteria", also zu den Albtraum-Bakterien zählt. Denn diese hartnäckigen Keime können vor allem in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen zu einer tödlichen Bedrohung werden.
Die gefährlichen Keime finden sich vor allem an feuchten Bereichen, auf Oberflächen, in Wasserrohren, an Wasserhähnen oder Waschbecken, in Toiletten oder Spülmaschinen, in Beatmungsgeräten und Kathetern.
Allgegenwärtig und widerstandsfähig
Über kontaminierte Gegenstände und Oberflächen oder durch den direkten Kontakt von Mensch zu Mensch überträgt sich das Pseudomonas aeruginosa-Bakterium; es reicht bereits eine geringe Dosis, um einen Menschen zu infizieren.
Eine solche Keim-Infektion kann Lungenentzündungen, Wund- und Harnwegsinfektionen oder im schlimmsten Fall eine lebensgefährliche Sepsis verursachen. Gefährdet sind vor allem diejenigen, die ohnehin geschwächt sind, wie ältere Menschen und Säuglinge oder eben Krankenhauspatienten.
Krankenhäuser oder Pflegeeinrichtungen können oftmals nicht viel machen, denn der Erreger kann mit nur wenig Feuchtigkeit auf Oberflächen bis zu 16 Monate lang überleben. Und vor allem ist er äußerst widerstandsfähig, nicht nur gegen Desinfektionsmittel. Der Überlebenskünstler kann zudem die Wirkstoffe in Antibiotika in unwirksame Bausteine umwandeln. Das macht den Keim gegen die verfügbaren Antibiotika resistent.
Ohne Regulator wird das Bakterium harmlos
Zum ersten Mal ist es nun Forschenden der Universität Genf gelungen, eine entscheidenden Schwachstelle bei dem Keim zu identifizieren. Dabei handelt es sich um einen bislang unbekannten Regulator der Genexpression.
Das ist der Vorgang, bei dem die genetische Information umgesetzt und für die Zelle nutzbar gemacht wird. Wird dabei dieser Regulator dem Keim entzogen, schwächt sich das Bakterium sehr schnell und sehr deutlich ab. Veröffentlicht wurde die Entdeckung in einem Artikel in der Fachzeitschrift "Nucleic Acid Research".
Die Forschenden um Martina Valentini, die leitende Forscherin in der Abteilung für Mikrobiologie und Molekularmedizin an der medizinischen Fakultät der Uni Genf, konzentrierten sich dabei auf eine ganz spezifische RNA-Helikase. Solche Helikasen sind Enzyme, die in Lebewesen oder auch Viren die Struktur der doppelsträngigen Nukleinsäuren verändern, in dem sie die Basenpaarung bei den doppelten DNA- oder RNA-Strängen auflösen.
Das entsprechende Enzym beim Pseudomonas-aeruginosa-Bakterium kommt auch bei vielen anderen Krankenhauskeimen vor, aber man kannte bislang noch nicht dessen Funktion. "Wir wollten verstehen, welche Rolle diese Helikase spielt, insbesondere in Bezug auf die Pathogenese der Bakterien und ihre Anpassung an die Umwelt", sagt Martina Valentini in einer Mitteilung der Uni Genf.
Wirksamkeit in Motten-Larven getestet
Um zu verstehen, wie die Bakterien einen lebenden Organismus infizieren, wählten die Forschenden die Larven von der Großen Wachsmotte (Galleria mellonella). Das angeborene Immunsystem von Insekten ähnelt in entscheidenden Punkten dem Immunsystem von Säugetieren. Die Große Wachsmotte gilt dabei als Modellinsekt bei der Untersuchung der Interaktion zwischen Erreger und Wirt.
Wurden die Larven mit den Pseudomonas-aeruginosa-Bakterien infiziert, überlebten von ihnen 20 Stunden nach der Infektion weniger als 20 Prozent. Wurde den Pseudomonas-aeruginosa-Bakterien dagegen jenes RNA-Helikase-Gen entzogen, blieben über 90 Prozent der Larven am Leben. "Die modifizierten Bakterien wurden fast harmlos, blieben aber sehr lebendig", sagt Stephane Hausmann, ein wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung für Mikrobiologie und Molekulare Medizin an der medizinischen Fakultät der Uni Genf und Erstautor der Studie.
Suche nach geeignetem Wirkstoff
Da der Regulator als eine entscheidenden Schwachstelle des Keims gefunden ist, können die Forschenden gezielt bereits vorhandene Wirkstoffe und Medikamente untersuchen, die das jetzt entdeckte Enzym selektiv blockieren könnte.
Ist ein wirksames Medikament gefunden, würde dieses "Alptraum-Bakterium" harmlos. Allerdings wird man den hartnäckigen Keim wohl nicht ausrotten können, dafür ist sind die Bakterien zu wandlungsfähig. "Denn wenn wir versuchen, die Bakterien um jeden Preis zu töten, werden sie sich anpassen, um zu überleben, was das Auftreten resistenter Stämme begünstigt", so Martina Valentini, die leitende Forscherin in der Abteilung für Mikrobiologie und Molekularmedizin an der medizinischen Fakultät der Uni Genf.