Schuldenfalle Neue Seidenstraße?
20. April 2018Das Projekt hat viele Namen: auf Deutsch meist Neue Seidenstraße, auf Englisch "One Belt one Road" oder "Belt and Road Initiative".
Wie immer man es auch nennt, es ist ein gewaltiges Vorhaben: Zwei Handelswege entstehen, um China besser mit anderen Ländern zu verbinden - einmal über Land, einmal auf dem Seeweg. Die Routen führen durch mehr als 60 Länder in Asien, Europa und Afrika.
Ebenso gewaltig sind die Kosten für die nötige Infrastruktur: Umgerechnet 1000 Milliarden US-Dollar sollen in den Bau von Straßen, Häfen und Kraftwerken gesteckt werden.
Finanziert wird das zum großen Teil über den eigens eingerichteten Seidenstraßen-Fonds der chinesischen Regierung und die Asiatische Infrastruktur-Investmentbank (AIIB), eine multilaterale Entwicklungsbank, die 2014 auf Initiative Chinas gegründet wurde und aktuell 61 Mitgliedsländer hat.
Win-Win-Situation?
Neue Handelswege, Ausbau der Infrastruktur in unterentwickelten Ländern, gesicherte Finanzierung - Chinas Führung bewirbt das Großprojekt als klassische Win-Win-Situation für alle Beteiligten.
Doch es gibt auch Kritik. Die Europäer bemängeln vor allem, dass ihre Firmen bei den Aufträgen für den Infrastrukturbau kaum zum Zuge kommen.
Denn China knüpft seine Kreditzusagen oft an die Bedingung, dass chinesische Firmen bei Bauprojekten den Zuschlag erhalten. "Diese Firmen sollen dann auch Chinesen beschäftigen und, soweit möglich, chinesische Komponenten und Rohstoffe einkaufen", sagt Thomas Eder vom Berliner Mercator Institute for China Studies (Merics).
Die Folge: In den asiatischen und afrikanischen Ländern der Neuen Seidenstraße sinkt der Anteil der Europäer am Handel und an den Investitionen, so Eder zur DW.
Abhängigkeit durch Überschuldung
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die ärmeren Länder, die mit chinesischer Hilfe ihre Infrastruktur ausbauen. Sie würden sich für die Bauprojekte stark verschulden und dadurch wirtschaftlich abhängig, so eine Studie des Center for Global Development, eine US-amerikanische Denkfabrik mit Sitz in Washington D.C..
Acht Länder sind demnach besonders gefährdet: in Asien Pakistan, Tadschikistan, Kirgisistan, die Mongolei, Laos und die Malediven, in Europa Montenegro, in Afrika Dschibuti. Seitdem sich diese Länder an der Neuen Seidenstraße beteiligen, ist ihre öffentliche Verschuldung stark gestiegen, und China hält einen Großteil der Schulden, so die Studie.
Beispiel Pakistan
Der chinesisch-pakistanische Wirtschaftskorridor (CPEC) gilt als Vorzeigeprojekt der Neuen Seidenstraße. Er umfasst ein 3000 Kilometer langes Netzwerk aus Straßen, Eisenbahnstrecken, Gaspipelines und Kraftwerken, das sich von Westchina bis an die pakistanische Küste erstreckt und im neu gebauten Tiefseehafen Gwadar seinen Abschluss findet.
Das Center for Global Development schätzt das gesamte Investitionsvolumen auf etwa 62 Milliarden US-Dollar. Rund 80 Prozent des Geldes soll dabei aus China kommen, und China verlangt etwa fünf Prozent Zinsen.
Großprojekte wie dieses können in einigen asiatischen Ländern, aber "insbesondere in Pakistan" dazu führen, dass sich ohnehin vorhandene Probleme bei der Regierungsführung verstärken, "vor allem bei wirtschaftlicher Haftung und Korruption", heißt es in einer gemeinsamen Studie des Stockholmer Internationalen Friedensforschungsinstituts SIPRI und der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung.
Natürlich erhoffen sich beide Seiten Vorteile von dem Projekt. Für China ist der Wirtschaftskorridor eine Verbindung zu arabischen Ölquellen und auch zum afrikanischen Kontinent, auf dem China sehr aktiv ist. Pakistan hofft auf wirtschaftlichen Aufschwung und viele neue Arbeitsplätze.
Sollte sich die pakistanische Wirtschaft jedoch schlechter entwickelt als geplant, könnte das Land wegen der gestiegenen Schulden in Schwierigkeiten geraten.
Welche Folgen das haben kann, zeigt der Fall Sri Lanka. Nachdem das Land seine Schulden nicht mehr bedienen konnte, bot ihm China einen Schuldenerlass an. Im Gegenzug wurde der Seidenstraßen-Hafen Hambantota für 99 Jahre an ein chinesisches Staatsunternehmen vermietet.
Beispiel Griechenland
In Europa stehen einige Länder im Fokus Chinas, weil sich das Land über sie Zugang zum europäischen Markt verspricht. Griechenland sei "das Tor Chinas nach Europa", sagte schon 2014 der damalige chinesische Ministerpräsident Li Keqiang.
Mehr als sieben Milliarden Euro hat China bereits in Griechenland investiert, weitere Milliarden sollen folgen. Als Vorzeigeprojekt gilt mittlerweile die einst umstrittene Übernahme des Hafens von Piräus durch die chinesische staatliche Reederei Cosco im Jahr 2016. Cosco will den Hafen zum größten im Mittelmeer ausbauen, der Frachtumschlag hat dank der Lieferungen aus China bereits deutlich zugelegt. Rund um den Hafen sind Logistikzentren und Lager entstanden - und damit auch neue Arbeitsplätze für die gebeutelten Griechen.
Eine weitere strategische Investition: 2016 übernahm die staatliche Elektrizitätsgewerkschaft Chinas einen Anteil von 24 Prozent am teilprivatisierten griechischen Stromnetzbetreiber ADMIE.
Beide Seiten betonen neben den wirtschaftlichen auch die kulturellen Aspekte und ermuntern Behörden und Unternehmen, hier aktiv zu werden. So unterzeichneten 2017 das nationale chinesische Seidenmuseum und die Kulturstiftung der griechischen Piräus-Bank ein Abkommen mit dem Zweck, den bilateralen Kulturaustausch zu fördern.
Beispiel Serbien
Serbien ist im Gegensatz zu Griechenland kein Mitglied der EU, aber immerhin offizieller Beitrittskandidat. Eine Brücke über die Donau gilt hier als die bislang größte chinesische Investition. Von den Gesamtkosten von 170 Millionen Euro wurden rund 145 Millionen über einen Kredit der China Exim-Bank finanziert, die Bauarbeiten übernahm eine chinesische Firma.
Doch die Brücke ist nur der Auftakt für größere Projekte. Für umgerechnet 1,6 Milliarden Euro sollen die Firmen "China Railways International" und "China Construction Company" eine schnelle Bahnstrecke zwischen Belgrad und Budapest bauen. Schon heute brüsten sich die Staatschefs von Serbien und Ungarn mit dem Vorzeigeprojekt, das 2023 abgeschlossen sein soll.
Nicht nur wirtschaftliche Ziele
Trotz einiger Risiken sind die chinesischen Investitionen in vielen Ländern sehr willkommen, weil sie wirtschaftlichen Schub versprechen. Hinzu kommt, dass China mit den Investitionen keine politischen Auflagen verknüpft.
Trotzdem geht es China bei der Neuen Seidenstraße nicht nur um Wirtschaft und Handel, sondern letztlich auch um politischen Einfluss, so die Studie von Ebert-Stiftung und Sipri.
Die Europäer wären daher gut beraten, eine eigene strategische Vision zu entwickeln, um sinnvoll auf das Großprojekt reagieren zu können, schreiben die Autoren. Davon sei bisher allerdings nichts zu sehen. "Im Moment spricht Brüssel nicht mit einer Stimme und hat auch keine strategische Antwort", heißt es in der Studie.