Schriftsteller Hermann Kant gestorben
14. August 2016Hermann Kant hatte seine Schriftstellerei stets in den Dienst seiner politischen Überzeugungen gestellt, was ihm viel Kritik einbrachte. So war er nicht nur einer der erfolgreichsten Autoren der DDR, sondern auch lange Jahre Präsident des DDR-Schriftstellerverbandes und Mitglied im Zentralkomitee der SED.
Geboren 1926 in Hamburg, zog Kant 1940 mit seiner Familie wegen der drohender Bombenangriffe ins ostdeutsche Parchim. Nach der Schule machte er zunächst eine Ausbildung zum Elektriker. Im Dezember 1944 wurde er eingezogen und geriet von 1945 bis 1949 in polnische Gefangenschaft. Im Arbeitslager Warschau wurde er erstmals politisch aktiv: Er beteiligte sich an der Gründung des Antifaschismus-Komitees. 1949 kehrte er nach Deutschland zurück und trat in der DDR der SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands) bei.
Nachdem er sein Abitur an der Greifswalder Arbeiter- und Bauernfakultät absolviert hatte, studierte Kant von 1952 bis 1956 Germanistik an der Humboldt-Universität in Ost-Berlin. Nach dem Examen arbeitete er als wissenschaftlicher Assistent am Germanistischen Institut der Humboldt-Universität und als Redakteur der Studentenzeitung "tua res" und der Zeitschrift "Neue Deutsche Literatur".
Verklärtes und doch kritisches Bild der DDR
Seine Beiträge und Bücher zeugten von seiner politischen Überzeugung. Unter anderem publizierte er literatur- und kulturkritische Beiträge im SED-Parteiorgan "Neues Deutschland". 1965 erschien sein bekanntester Roman "Die Aula", in dem Kant mit viel Ironie die Aufbaujahre der DDR verklärte.
Dennoch wird das Buch in der DDR rasch populär. Es war Pflichtlektüre an den dortigen Schulen und wurde in mehr als 20 Sprachen übersetzt, fand aber auch Beachtung im Westen. Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki bemerkte dazu: "Das Buch ist letztlich ein vollkommen verlogenes Buch, denn es zeigt die DDR als ein Land des Lächelns. Als ein glückliches, wunderbares Land des Lächelns. Aber es ist ein Buch, das, anders als die Bücher vieler Autoren dieser Zeit, doch etwas Kritisches über die DDR zu sagen versucht."
"Der Aufenthalt" - literarische Verarbeitung der Schuldfrage
1977 erschien "Der Aufenthalt", das gemeinhin als das literarisch wertvollste Werk Kants gilt. Darin verarbeitete der Autor die Frage nach individueller Schuld im Krieg. Er selbst musste nur für vier Wochen an die Front, erlebte danach aber vier Jahre Kriegsgefangenschaft. Kant versuchte sein ganzes Leben, seine Mitschuld zu tilgen, indem er sich politisch engagierte. So machte er Karriere in der DDR und saß im Zentralkomitee der SED. Als Präsident des Schriftstellerverbandes warf er nach der Ausbürgerung von Wolf Biermann elf unliebsame Schriftsteller aus dem Verband, unter ihnen Stefan Heym und Jurek Becker.
Nach der Wende geriet Kant unter anderem wegen des Ausschlusses dieser Schriftsteller in die Kritik. Außerdem konnte ihm nachgewiesen werden, dass er von 1963 bis 1976 als inoffizieller Mitarbeiter für den Staatssicherheitsdienst (Stasi) tätig war. Gegen diesen Vorwurf strengte Kant 1990 erfolgreich eine Unterlassungsklage an. Kant blieb dabei, unschuldig zu seine, obwohl Literaturwissenschaftler und Journalist Karl Corino in seinem Buch "Die Akte Kant" aus rund 2000 Stasi-Akten eindeutig Kants IM-Tätigkeit dokumentiert hatte.
Hermann Kant war noch bis ins hohe Alter schriftstellerisch tätig. Zuletzt ging es ihm gesundheitlich sehr schlecht. Nach einem Sturz wohnte er unter Betreuung in einer Wohnung in Neustrelitz.
ash/gri (dpa, Munzinger)