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Standortfaktor Rassismus

Julia Elvers-Guyot23. August 2007

Ostdeutschland will ausländischen Unternehmen gute Standort-Bedingungen bieten. Doch die Hetzjagd auf Inder in Sachsen kratzt am Image. Nun ist die Sorge groß, ausländische Investoren könnten abgeschreckt werden.

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Der indische Produktionsleiter Surjit Singh Sethi mit dem für die Sikhs typischen Turban in der Produktionshalle des Flanschenwerks Bebitz (Flansche = Verbindungsglied zwischen zwei Stahlrohren)
Das Flanschenwerk Bebitz in Sachsen-Anhalt ist seit 2004 unter indischer FührungBild: picture-alliance/dpa

Die Hetzjagd von Mügeln bewegt die Gemüter in ganz Deutschland - und darüber hinaus. Ein Blogger notierte im webnews-Blog: "Die Ost-Länder beschweren sich, dass es dort keine Arbeit gibt, aber wenn ausländische Unternehmen dort investieren wollen, schrecken sie vor solchen Vorfällen zurück - und investieren entweder in ein anderes Bundesland oder aber auch gar nicht mehr in Deutschland."

Wirken sich ausländerfeindliche Übergriffe in Ostdeutschland tatsächlich auf die Standortentscheidungen ausländischer Investoren aus? Neben vielen Politikern äußerte sich am Mittwoch (22.8.) auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) besorgt. "Wenn es zu solchen Vorfällen kommt, dann ist das immer eine Belastung - auch für das Investitionsklima in Deutschland", sagte Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des DIHK gegenüber DW-WORLD.DE.

"Berührungsängste mit dem Standort Deutschland"

Gerade im Hinblick auf die deutsche Geschichte würde das Ausland auf Vorfälle wie in Mügeln besonders sensibel reagieren; daher dürften sie nicht klein geredet werden, so Dercks. "Wir sind in Deutschland in besonderem Maße auf ausländische Investitionen angewiesen - und vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels eben auch auf ausländische Fachkräfte."

Die DIHK habe in ähnlichen Situationen von Seiten ausländischer Investoren und Arbeitskräfte bereits Berührungsängste mit dem Standort Deutschland festgestellt. Natürlich gäbe es genügend Gründe, die für eine Investition in Deutschland sprächen, "aber das sind einfach nicht nur zu kritisierende und verwerfliche Aktivitäten, sondern auch unnötige Belastungen für die Suche der Unternehmen nach Forschern, Fach- und Führungskräften", sagte Achim Dercks.

Langfristiger Imageschaden?

Natürlich wurde die Hetzjagd von Mügeln auch in Indien registriert. Bei der Deutsch-Indischen Handelskammer gingen bereits Anrufe von besorgten indischen Mitgliedern ein, die vorhaben, Messeveranstaltungen in Deutschland zu besuchen. "Was das Image Deutschlands im Ausland angeht, sind solche Vorfälle sehr kontraproduktiv", sagt Dirk Matter, Leiter der Deutsch-Indischen Handelskammer in Düsseldorf. Und Indien ist ein wichtiger Handelspartner: 250 indische Unternehmen sind in Deutschland angesiedelt - die Bundesrepublik ist der größte Außenhandelspartner Indiens innerhalb der EU.

Eine Person im Schutzanzug präsentiert einen 8-Zoll-Wafer des kalifornischen Halbleiterherstellers AMD in Dresden
Der Dresdner Chiphersteller AMD beschäftigt viele AusländerBild: dpa

Es lässt sich schwer ausmachen, wie viele ausländische Firmen sich aufgrund von Ausländerfeindlichkeit oder Rechtsextremismus in Deutschland von ihren Investitionsvorhaben abbringen lassen. "Weder unserem Ministerium noch der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Sachsen ist ein Fall bekannt, in dem ein Investor aus diesen Gründen zurückgetreten ist", sagt Katja Mäder, Pressesprecherin am Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit (SMWA). "Die letzte Anfrage, die es diesbezüglich mal gab, war vor zehn Jahren - aber die Firma ist dann auch trotzdem gekommen."

"Harte" Standortfaktoren im Blickpunkt der Investoren

Bei den Gesprächen mit Investoren würden andere Themen wie zum Beispiel gut qualifiziertes Fachpersonal im Vordergrund stehen, aber "was wir natürlich nicht sagen können, ist, ob jemand schon im Vorfeld von einem Investitionsvorhaben absieht und uns gar nicht erst fragt", so Mäder weiter.

Die Bundesagentur "Invest in Germany" soll im Auftrag der Bundesregierung ausländische Investoren anwerben. Sie bestätigt die Erfahrungen, die das sächsische Wirtschaftsministerium gemacht hat: Ausländerfeindlichkeit war in Gesprächen mit Investoren bisher kein Thema. Entscheidend wären eher so genannte harte Standortfaktoren: "Wie viele Steuern zahle ich? Wie schnell kriege ich eine Baugenehmigung? Bekomme ich die Leute, die ich brauche? Bekomme ich eventuell Fördermittel?" sagt Eva Henkel, Sprecherin von "Invest in Germany".

"Weltoffenes Sachsen"

Vom Gastarbeiter zum Chef: Zwei Vietnamesen vor einem Geschäft für Kunstblumen
Vom Gastarbeiter zum Chef: Zwei Vietnamesen vor einem Geschäft für KunstblumenBild: picture-alliance/dpa

Eva Henkel schließt die Möglichkeit nicht aus, dass sich diese Einstellung in Zukunft ändern könnte: "Gut möglich, dass Vorfälle wie in Mügeln vielleicht künftig das Klima beeinträchtigen werden und Investoren sagen: 'Ne, da möchten wir uns nicht ansiedeln, wenn wir damit rechnen müssen, dass unsere Mitarbeiter dort solchen Übergriffen ausgesetzt sind'."

Um das zu verhindern - und weil es sich schließlich nicht nur um eine ökonomische, sondern vor allem menschliche Frage handelt, wie mit Ausländern umgegangen wird -, hat das Land Sachsen im Jahre 2004 ein Landesprogramm namens "Weltoffenes Sachsen" aufgelegt, um demokratische Kultur zu fördern. Mit jeweils 1,7 Millionen Euro in diesem und im nächsten Jahr werden Projekte und lokale Initiativen vor Ort unterstützt, die sich der Frage Stärkung von Demokratie und Toleranz widmen.