Frauen suchen ihre Männer aus
4. September 2017Möchten Frauen eine Familie gründen, werden sie aktiv. Funktioniert das im unmittelbaren Umfeld nicht, ist der Traummann nicht dabei, muss eben woanders gesucht werden.
Das ist heute so und das war offensichtlich schon vor 4000 Jahren so.
Anhand zahlreicher Skelette haben Forscher mehrerer deutscher Institute herausgefunden, dass sich in der Bronzezeit junge Frauen, ab dem Alter von 17 Jahren, auf eine lange Wanderschaft gemacht haben, um eine Familie zu gründen. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie in den "Proceedings" der US-nationalen Akademie der Wissenschaften (PNAS).
"Alles deutet daraufhin", sagt Philipp Stockhammer von der Ludwig-Maximilians-Universität München, "dass in der Bronzezeit Frauen extrem mobil waren". Das hätten schon vorangegangene Studien angedeutet. Bislang gilt noch immer die Vorstellung, der Mann sei als Krieger in die Fremde gezogen, während die Frauen zu Hause blieben. Doch genau das Gegenteil sei der Fall, versichert Stockhammer, der Leiter der Studie, "bei Männern fanden wir so gut wie keine vergleichbaren Belege."
Emanzipierte Bronzezeit-Frauen
Philipp Stockhammer findet das hochspannend. Nicht nur, dass die Frauen damit unbewusst für eine Genpoolauffrischung gesorgt haben. Er vermutet, dass die Frauen auch jede Menge Wissen in ferne Gebiete gebracht haben. Zum Beispiel über Werkzeuge oder Techniken der Metallverarbeitung.
Denn jungen Damen, deren Skelett die Forscher auf Friedhöfen des bayrischen Lechtals fanden, kamen alle aus stark besiedelten Gebieten - vermutlich aus der Gegend zwischen dem heutigen Leipzig und Halle oder aus Böhmen. Diese Regionen, sagt Stockhammer, waren damals sehr weit entwickelt im Bereich der Metallurgie. Den Weg ins Lechtal sind die Frauen wahrscheinlich gelaufen, immerhin um die 500 bis 600 Kilometer, zu Fuß.
Woher die Wissenschaftler wissen, woher die Frauen kommen? Ihre Backenzähne verraten es. Denn jeder Mensch lagert in seinen ersten Lebensjahren kleine Mengen Strontium in den Knochen und den Zähnen an. Dort bleibt das chemische Element auch lange nach dem Tod erhalten. Selbst Jahrtausende später können Forscher anhand des Strontiumgehalts in den Zähnen sagen, was ein Mensch gegessen hat und woher er stammt.
Eigenartig ist, dass im Lechtal keine Nachkommen der zugewanderten Frauen gefunden wurden. Dabei sei es unwahrscheinlich, so Stockhammer, dass die Frauen keine Kinder hatten. Er vermutet, dass die Kinder weggeschickt wurden. Um sich zu vernetzen oder Wissen weiterzutragen. So genau wird man das nie wissen. Aber Philipp Stockhammer ist sicher, dass er den Skeletten noch das ein oder andere spannende Geheimnis entlocken wird.