Italiens neue Abschiebepraxis
4. Februar 2009Die Mehrheit der auf Lampedusa festgehaltenen Flüchtlinge soll bis Ende des Monats abgeschoben werden. Das ist der Plan des italienischen Innenministers Roberto Maroni. Sie sollen nach Tunesien und Libyen gebracht werden - obwohl die meisten Flüchtlinge nicht aus diesen Ländern stammen. Aber: Von dort haben sie ihre Überfahrt Richtung Europa gestartet und das genügt dem Minister. "Um die illegale Einwanderung zu bekämpfen, darf man nicht zu gutherzig sein. Im Gegenteil: gemein muss man sein, streng und gesetzestreu", sagt Maroni.
Die neue Abschiebepraxis: zügig abschieben
Applaus gab es für dieses öffentliche Statement nur von seinen Parteikollegen. Roberto Maroni ist führender Kopf der "Lega Nord". Die rechts-populistische Partei hatte die Abschiebepraxis der Regierung von Romano Prodi im Wahlkampf vor einem Jahr immer wieder als "zu lax" gegeißelt.
Nun sitzt mit Maroni ein Vertreter der Lega an der entscheidenden Stelle - und die Folgen bekommen Einwanderer ohne Papiere zu spüren. "Die Maßnahmen der Regierung müssen vor allem garantieren, dass Asylgesuche mit der nötigen Strenge überprüft werden und dass diejenigen, die kein Bleiberecht erhalten, zügig abgeschoben werden", sagt Maroni und bringt damit die neue italienische Abschiebepraxis auf den Punkt.
Lampedusa ist überfüllt
Statt die Bootsflüchtlinge auf Aufnahmelager in ganz Italien zu verteilen, sollen sie so lange auf der Insel bleiben, bis ihre Identität festgestellt und über ihr Asylgesuch entschieden wurde.
Das UNO-Flüchtlingskommissariat und internationale Menschenrechtsorganisationen haben aber Bedenken angemeldet. Es ist schwer vorstellbar, dass ein Asylanspruch innerhalb der gesetzlich zulässigen 48 Stunden Verweildauer im Auffanglager sorgfältig geprüft werden kann.
Tatsächlich warten die Flüchtlinge bereits heute tage- und wochenlang auf ihre Weiterreise auf das italienische Festland. Dessen ungeachtet verteidigt Roberto Cota, Fraktionssprecher der "Lega Nord" im Parlament, die Politik des Innenministers. Es sei richtig, die illegalen Einwohner auf Lampedusa festzuhalten. "Unsere Botschaft an die Schlepper lautet: Es gibt kein Durchkommen!"
Forderungen an die EU
Gemeinsam mit Griechenland, Malta und Zypern hat Italien einen Forderungskatalog an die EU geschickt, der mehr gemeinsame Anstrengungen verlangt, um mit dem Flüchtlingsstrom zurecht zu kommen. So soll die EU-Agentur "Frontex", die für die Sicherung der EU-Außengrenzen zuständig ist, mit mehr finanziellen Mitteln ausgestattet werden. Die EU soll sich als Einheit bemühen, Rücknahmeabkommen mit den Herkunftsländern der Flüchtlinge zu schließen. Die Aufnahme von Bootsflüchtlingen durch die anderen EU-Mitgliedsstaaten fordern die vier Mittelmeerstaaten nicht. Es würde der aktuellen politischen Linie widersprechen.
Die Oppositionsparteien im italienischen Parlament kritisieren die Zustände auf Lampedusa, lassen allerdings kein grundsätzliches Abweichen von der eingeschlagenen Linie des Innenministers erkennen. Allein die weit links angesiedelten Oppositionsparteien treten für eine andere, von humanitären Erwägungen geprägte Immigrationspolitik ein.
Sie unterstützen die Ärzte und Pfleger, die in dieser Woche in Rom öffentlich gegen den neusten Vorschlag der "Lega Nord" in Sachen Immigrationsbekämpfung protestiert haben. So sollen Ärzte, die Einwanderer ohne Aufenthaltsgenehmigung in Notfällen behandeln, von ihrer Schweigepflicht entbunden werden und ihre Patienten bei der Polizei melden können.
Keine Optionen für Flüchtlinge
Unvereinbar mit den Menschenrechten findet das der Anwalt Pietro Massarotto, der ein kostenloses Rechtsberatungszentrum für Einwanderer gegründet hat. "Wer keine Aufenthaltsgenehmigung hat, hat kein Recht auf einen Hausarzt, aber er kann sich an die Notaufnahme jedes staatliche Krankenhaus wenden", sagt er.
Ob er das noch tut, wenn das Vorhaben der "Lega Nord" im Parlament Zustimmung findet, darf jedoch bezweifelt werden.