Schlechte Stimmung in der Truppe
24. Januar 2012Zustand passabel, Laune miserabel - dieses Bild zeichnet der Wehrbeauftragte vom Zustand der Bundeswehr im Jahr 2011. Mehr als 4800 Eingaben von Soldaten haben Hellmut Königshaus erreicht, außerdem hat der Wehrbeauftragte des Bundestags viele Kasernen besucht und sich die Sorgen der Soldaten angehört. "Grundsätzlich stabil" seien die Streitkräfte, resümierte Königshaus am Dienstag (24.01.2012) in seinem Jahresbericht, aber geprägt von "schlechter Stimmung und tiefgreifender Verunsicherung."
Umbrüche bei der Bundeswehr
Die gedrückte Stimmung hat viel mit der Neuausrichtung der Bundeswehr zu tun: Es wird gekürzt, umgebaut und verkleinert. Das macht es den Soldaten schwer, eine Karriere bei der Bundeswehr zu planen und führt zu großen Belastungen im Alltag. "Etwa 70 Prozent der Soldatinnen und Soldaten pendeln zwischen ihrem Wohn- und Dienstort", bemängelte Königshaus, viele von ihnen mehrere Hundert Kilometer. Die Folge seien hohe Scheidungsraten, viele Soldaten könnten kein soziales Umfeld aufbauen oder unterhalten. "Das ist eine gefährliche Entwicklung, die dringend gestoppt werden muss."
Der Wehrbeauftragte zeigte sich enttäuscht, dass das neue Stationierungskonzept des Verteidigungsministers keine Abhilfe schaffe. Auch künftig würden Standorte nicht so zusammengelegt, dass mehr Soldaten bei ihren Familien wohnen könnten. Königshaus fand aber auch lobende Worte für den Verteidigungsminister: Thomas de Maizière habe der Bundeswehr finanziell etwas Luft verschafft und Gelder freigeschaufelt. "Ohne neue Handlungsspielräume im Verteidigungsetat wird die Neuausrichtung der Bundeswehr nicht gelingen", warnte Königshaus.
Nicht attraktiv genug für Freiwillige
Das Jahr 2011 brachte einen weiteren Einschnitt für die Bundeswehr: Nach mehr als 50 Jahren fiel die Wehrpflicht weg, stattdessen nimmt die Bundeswehr nun Freiwillige auf. Dabei konkurriert sie auf dem Arbeitsmarkt mit anderen Arbeitgebern. Gutes Personal könne die Bundeswehr nur gewinnen, wenn der Dienst attraktiv sei. Das sei aber bisher in weiten Bereichen nicht der Fall, sagte Königshaus und bemühte einen Vergleich: "Allein das Schaufenster in einem Laden genügt nicht. Wenn Sie den Laden betreten, muss der Laden so attraktiv sein, dass sie auch drin bleiben und sich mit den Produkten dort befassen wollen."
Wie in jedem Jahresbericht waren auch die Auslandseinsätze wieder ein zentrales Thema. Sieben deutsche Soldaten fielen 2011 im Auslandseinsatz, 63 wurden verwundet. Vor diesem Hintergrund sei eine umfassende, praxisnahe Vorbereitung auf den Einsatz notwendig, die aber nicht immer gegeben sei.
Es sei auch nicht akzeptabel, dass sich die Soldaten Teile ihrer Ausrüstung für den Auslandseinsatz selbst kaufen müssten. "Das muss aufhören", forderte Königshaus, der außerdem gravierende Defizite im Lufttransport anprangerte. Da die Bundeswehr zu wenige Hubschrauber habe, müssten die Verbündeten einspringen, um verwundete deutsche Soldaten in Afghanistan zu bergen. In der Heimat habe sich die Absicherung verwundeter Soldaten hingegen deutlich verbessert.
Weniger rechtsextremistische Vorfälle
Der Wehrbeauftragte ist nicht nur der "Sorgenonkel" der Soldaten, er ist auch das Auge und Ohr des Parlaments in der Truppe. Im Auftrag des Bundestags kontrolliert er die Streitkräfte und hat dabei das Thema Rechtsextremismus besonders im Blick. In diesem Punkt könne er Entwarnung geben, sagte Königshaus. Im Jahr 2011 sei die Zahl der gemeldeten Vorfälle im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen.
Insgesamt listet der Jahresbericht 63 sogenannte Propagandadelikte auf - darunter fällt der Hitlergruß oder das Hören von Musik mit rechtsextremistischen Texten. Verbindungen zu den einschlägigen Szenen außerhalb der Bundeswehr seien nicht festgestellt worden. Königshaus berichtete von zwei weiteren Fällen, in denen Gewalt im Spiel gewesen sei. Dabei seien die Untersuchungen aber noch nicht abgeschlossen. Einer der betroffenen Soldaten sei bereits aus der Bundeswehr entlassen worden.
Autorin: Nina Werkhäuser
Redaktion: Bettina Marx