Schlagstockeinsatz: Urteil nach Polizeigewalt in Frankreich
20. Januar 2024Was Théo Luhaka vor knapp sieben Jahren widerfuhr, ist brutal: Ein Polizist hatte ihm einen Schlagstock in den Anus gerammt. Die gewaltsame Festnahme des damals 22 Jahre alten schwarzen Franzosen hatte im Februar 2017 landesweit für Empörung gesorgt. Im Raum Paris kam es zu Protesten und Krawallen. Nun hat ein Gericht in Bobigny vor den Toren von Frankreichs Hauptstadt ein Urteil gegen drei der beteiligten Beamten verhängt: Wegen vorsätzlicher Gewalt wurden sie zu Bewährungsstrafen verurteilt.
Das Geschworenengericht verhängte Strafen zwischen drei und zwölf Monaten. Außerdem sollen zwei der Beamten für zwei beziehungsweise fünf Jahre nicht als Polizisten arbeiten dürfen. Ihre Anwälte hatten mit legitimer Verteidigung argumentiert und auf Freispruch gepocht. Der Vorfall war in Frankreich zu einem Symbol für Polizeigewalt geworden.
Marc-Antoine C., der Polizist mit dem Schlagstock, sagte aus, dass er Luhaka nicht habe verletzen wollen. "Er wollte zwei Kollegen zu Hilfe kommen, die in Schwierigkeiten waren, weil sich der junge Mann wehrte", verteidigte sein Anwalt Thibault de Montbrial den Polizisten.
"Was als Kontrolle begann, endete in einem zerstörten Leben", hatte Staatsanwalt Loïc Pageot gesagt. Luhakas Verletzung hatte eine lebenslange Behinderung zur Folge. Er ist psychisch angeschlagen und trotz zweier Operationen inkontinent.
Geringeres Strafmaß als gefordert
Mit dem Strafmaß blieben die Richter unter den Forderungen der Staatsanwaltschaft. Die hatte für die drei beteiligten Polizisten Bewährungsstrafen von bis zu drei Jahren gefordert. Die Höchststrafe für eine mutwillige Körperverletzung mit bleibenden Schäden liegt in Frankreich bei 15 Jahren Haft.
Auslöser der Gewalt war eine Polizeikontrolle nahe einem für Drogenhandel bekannten Ort in der Pariser Vorstadt Aulnay-sous-Bois. Luhaka hatte sich nichts zuschulden kommen lassen, sich aber gegen seine Festnahme gewehrt.
Der Hauptangeklagte räumte während des Prozesses ein, dass ein erfolgter Schlag ins Gesicht des jungen Mannes "nicht regelkonform", sondern dem "Stress" der Situation geschuldet gewesen sei. Der Stoß mit dem Schlagstock hingegen sei ein Akt gewesen, den er "in der Polizeischule gelernt", aber zuvor nur selten eingesetzt habe. Er habe lediglich "auf den Oberschenkel" gezielt, sagte Marc-Antoine C. in dem Prozess.
"Ich habe nicht gemerkt, dass ihm etwas wehtat. Er hat seinen Schmerz nicht geäußert", sagte der Polizist, der den Festgenommenen im Auto auf die Polizeiwache begleitet hatte. Zu diesem Zeitpunkt hatte Théo Luhaka eine zehn Zentimeter tiefe Wunde neben dem Schließmuskel und blutete stark. Auf der Hinterbank des Polizeiwagens fanden sich Blutspuren.
Polizeigewerkschaft sieht Diffamierung
Luhaka hatte betont, dass er sich als Opfer einer sexuellen Misshandlung sah: "Ich fühlte mich vergewaltigt", sagte er vor Gericht. Der Vorwurf der Vergewaltigung wurde jedoch fallengelassen, weil der Polizist nach Einschätzung der Ermittler nicht die Absicht gehabt hatte, ihn zu penetrieren.
Der heute 29-jährige Luhaka hatte sich vor seiner Festnahme keines Vergehens schuldig gemacht. "Die Gewalt, die einen solchen Schaden anrichtet, ist durch nichts zu rechtfertigen", hatte sein Anwalt Antoine Vey erklärt.
Die drei Polizisten waren nach einer internen Untersuchung in ihre Heimatregionen versetzt worden. Keiner von ihnen war bis zum Prozess vom Polizeidienst ausgeschlossen worden.
Linda Kebbab von der Polizeigewerkschaft Unité SGP Police bezeichnete nach dem Urteil den Vergewaltigungsvorwurf als Diffamierung, die sieben Jahre lang zu einer Kriminalisierung ihrer Kollegen geführt habe. Es habe nie eine Vergewaltigung gegeben, und das habe die Beweisaufnahme von Anfang an gezeigt. "Und trotz alledem wollen einige die Köpfe von Polizisten als Trophäen", so die Gewerkschafterin.
Die französische Menschenrechtsbeauftragte Claire Hédon hatte nach einer mehrjährigen Recherche 2020 angeprangert, dass die Polizisten intern nur mit milden Sanktionen belegt worden waren. Sie zeigte zudem auf, dass einer der Polizisten dem auf dem Boden liegenden Mann sein Knie in den Nacken gedrückt hatte - ein Vorgehen, das durch den Tod des Schwarzen George Floyd in den USA drei Jahre später eine hohe Symbolwirkung bekam.
AR/jj (afp, dpa, rtr)