Der Ton wird rauher
28. Januar 2012Sparen, Kürzen, Konsolidieren - das ist das europäische Motto zur Zeit, vor allem in Ländern wie Griechenland oder Portugal. Aber diese Politik hat auch zu sozialen Spannungen und Arbeitslosigkeit geführt. Deswegen wollen die Staats- und Regierungschefs am Montag (30.01.2012) beraten, wie sie Gegengewichte schaffen. Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble sagte am vergangenen Dienstag in Brüssel, es werde vor allem um Wettbewerbsfähigkeit gehen, "denn alle Maßnahmen zur Stärkung der Finanzen hängen ja auch davon ab, dass die wirtschaftliche Entwicklung in Europa in allen Mitgliedsländern stabil ist."
Wettbewerbsförderung statt "Fahrradständer auf dem Lande"
Die EU will dem Wachstum wieder auf die Sprünge helfen, aber nicht mit guten, alten Konjunkturprogrammen, denn das würde die Schuldenberge nur weiter erhöhen. Stattdessen könnten Brüsseler Fördertöpfe wie die Regional- und Strukturförderung angezapft und Mittel umgewidmet werden. Hier sei auch die Kommission in der Pflicht, so der deutsche Außenminister Guido Westerwelle am Freitag in Brüssel. Seiner Meinung nach werden ohnehin EU-Gelder verschwendet. "Ich halte nichts davon, dass aus europäischen Mitteln des Strukturfonds Fahrradständer auf dem Lande gebaut werden." Stattdessen solle man die Gelder einsetzen, "um die Wettbewerbsfähigkeit der schwächeren Länder in Europa zu verbessern".
EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy fordert in seinem Einladungsschreiben vor allem zu Maßnahmen gegen die Jugendarbeitslosigkeit auf, zu einer stärkeren Nutzung des Binnenmarktes und zu Hilfen für kleine und mittlere Unternehmen.
Angst vor "Fass ohne Boden"
Diese offizielle Thematik klingt nicht besonders strittig. Die wirklich heißen Eisen dürften aber auch angefasst werden, zumindest hinter den Kulissen. Eines davon ist die Höhe des ständigen Euro-Rettungsfonds ESM, der den provisorischen Fonds EFSF ablösen soll. Während etwa der italienische Ministerpräsident Mario Monti, IWF-Chefin Christine Lagarde oder die EU-Kommission zu einer deutlichen Erhöhung raten, drückt die deutsche Regierung auf die Bremse. Sie will an einer Obergrenze von 500 Milliarden Euro festhalten. Außenminister Westerwelle erklärte sichtlich genervt, man könne nicht immer neue riesige Summen "ins Schaufenster stellen", bevor die betroffenen Länder nicht ihre Hausaufgaben gemacht hätten. Sonst drohe die Hilfe zum Fass ohne Boden zu werden, und der Reformanreiz gehe verloren. Deutschland verlange von anderen nicht mehr als von seinen eigenen Bürgern.
Deutschland steht mit dieser Haltung nicht allein da, wie die österreichische Finanzministerin Maria Fekter am Dienstag andeutete. “Es ist sehr, sehr schwierig, den Parlamenten in den Mitgliedsstaaten beizubringen, noch einmal einzuschießen.“ Für konsensfähig hält sie allerdings die Idee, dass die unverbrauchten Mittel aus der EFSF dem ESM hinzugefügt werden.
Fiskalpaket kommt voran
Zufrieden ist Deutschland allerdings mit den Fortschritten beim sogenannten Fiskalpakt. Beim jüngsten Gipfel im Dezember hatten sich alle EU-Staaten außer Großbritannien darauf geeinigt, sich vertraglich zu mehr Haushaltsdisziplin zu verpflichten. Es sind sogar Strafen gegen Haushaltssünder geplant, wenn auch nicht mit einem so strikten Verfahren, wie die Bundesregierung es sich vorgestellt hatte.
Es könnte bereits bei dem Gipfel am Montag eine politische Zustimmung zum Text des Fiskalpakts geben. Das weitere Verfahren wird zwar in jedem Fall noch etliche Monate dauern, doch der Prozess verläuft insgesamt schneller als erwartet. Zusammen mit dem ESM sei die EU damit gut für die Krise gerüstet, glaubt Finanzminister Schäuble. "Es kommen hier wirklich Solidarität und Solidität zusammen, indem die Probleme in den betroffenen Ländern glaubwürdig angegangen werden, indem wir eine Struktur schaffen für die europäische Währung, die dauerhaft vertrauenswürdig und handlungsfähig ist. Und die Zeit dazwischen überbrücken wir mit hinreichender Solidarität."
Die Lage in Griechenland bleibt desolat
Bleibt das ganz große Problem Griechenland, ebenfalls offiziell kein Gipfelthema. Es zeichnet sich immer deutlicher ab, dass Griechenland auch nicht annähernd die offiziellen Voraussetzungen erfüllt, um ein zweites Hilfspaket zu erhalten. Die österreichische Finanzministerin Fekter sprach aus, was viele denken. "Die politische Ebene in Griechenland muss wissen, dass wir erwarten, dass sie mehr tun muss. Es geht nicht nur darum, die Kosten zu kürzen, sondern sie müssen Strukturreformen einleiten, und da sind sie säumig." Auch die Verhandlungen mit den privaten Gläubigern um einen Schuldenschnitt kommen nicht recht voran. Doch der jüngste Bericht der Troika dürfte nicht mehr rechtzeitig zum Gipfel vorliegen.
Zahlt wieder der Steuerzahler?
EU-Währungskommissar Olli Rehn hat bereits mehrfach betont, Griechenland werde mehr Geld von den Euro-Staaten und den EU-Institutionen, also von der EFSF oder der Europäischen Zentralbank, brauchen. Und IWF-Chefin Lagarde meinte, wenn der Forderungsverzicht der privaten Gläubiger zu gering sei, müssten "die öffentlichen Institutionen in die Bresche springen". Volker Kauder, der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im deutschen Bundestag, drohte Griechenland bei "Spiegel Online" mit der Einsetzung eines "Staatskommissars", der dann über die Haushaltspolitik wachen solle. Wenn die Nerven derart blank liegen, wird man das Griechenland-Thema kaum aus den Gipfelberatungen heraushalten können.
Autor: Christoph Hasselbach
Redaktion: Sonila Sand