"Life of Pi - Schiffbruch mit Tiger" in deutschen Kinos
19. Dezember 2012Seitdem "Life of Pi - Schiffbruch mit Tiger" Ende September 2012 die Filmfestspiele von New York eröffnete, ist viel über diesen außergewöhnlichen Film geschrieben worden. Das 3-D-Leinwandabenteuer des taiwanesischen Meisterregisseurs Ang Lee gilt inzwischen als heißester Kandidat für die Oscar-Verleihung 2013. Der 59-jährige Lee, bekannt durch Filme wie "Tiger and Dragon" und "Brokeback Mountain", hat die eigentlich als unverfilmbar geltende Romanvorlage des Kanadiers Yann Martel so bildgewaltig und doch sensibel inszeniert, dass der Film weltweit alle Rekorde gebrochen hat.
Vor allem die Hauptdarsteller, der erst 17-jährige indische Newcomer Suraj Sharma und die Bollywood-Größen Tabu und Irrfan Khan, bekamen viel Lob. Die renommierte Filmkritikerin Shubhra Gupta aus Neu Delhi betont, dass auch zuvor Bollywood-Stars in internationalen Produktionen zu sehen waren. "Doch gab es für sie nur eine bestimmte Art von Rollenangeboten. Und das wird sich mit 'Life of Pi' sicherlich wandeln."
Der Traum von Hollywood
Im vergangenen Jahr hatte Bollywood-Star Anil Kapoor eine Mini-Rolle in Tom Cruises "Mission Impossible 4" ergattern können. Kapoor war immerhin ganze zehn Minuten zu sehen. Bei Irrfan Khan in "The Amazing Spider-Man" waren es nur knapp sieben Minuten. Und Bollywood-Legende Amitab Bachchan sagte mit viel Humor über seinen Sekundenauftritt in "The Great Gatsby" mit Tobey Maguire und Leonardo Di Caprio: "Wer einmal runter auf seine Popcorntüte schaut, um sich zu bedienen, wird mich schon verpasst haben."
Generell waren bisher die Megastars des Bollywood-Kinos in Hollywood-Produktionen auf Rollen beschränkt, die dem Klischee vom indischen Taxifahrer, Computeringenieur oder einflussreichen Geschäftsmann mit seinem kaum zu verstehenden Akzent entsprachen, sagt Filmkritikerin Shubhra Gupta: "Der Grund ist einfach nachzuvollziehen. In Hollywood werden die Filme natürlich für das eigene Publikum geschrieben, das hellhäutige Gesichter erwartet. Das ist in Indien nicht anders. Die Bollywood-Filme richten sich auch an ein eher nordindisches Publikum."
Hinzu komme das Image des indischen Bollywoodkinos, so Gupta. "Es gibt nun einmal kulturelle Charakteristika. Dem Bollywoodkino wird nachgesagt, dass es nur aus Musik und Tanz besteht. Und so kommt schnell die Frage auf, ob indische Schauspieler überhaupt in der Lage sind, in Hollywood- oder anderen internationalen Produktionen mitzuspielen." Gupta glaubt, dass es im Westen noch am Verständnis für die indische Art, Filme zu machen, mangelt. Zudem sind Popularität und Reichweite des Bollywood-Kinos bisher noch vornehmlich auf Asien beschränkt.
Abenteuergeschichte und religiöse Parabel
Nach der Weltpremiere von "Life of Pi" wurde der Film als Verbindung von einer beeindruckenden Geschichte und authentischen Charakteren beschrieben - perfekt inszeniert von Ang Lee. Die Stärke des Romans, wie auch des Films, liegt darin, dass er einerseits eine Abenteuergeschichte ist, gleichzeitig aber auch eine Art philosophisch-religiöse Parabel.
"Life of Pi" erzählt die Geschichte des Jungen Piscine Molitor Patel, genannt Pi. Pi - gespielt von Suraj Sharma - ist der Sohn eines Zoodirektors im indischen Pondicherry. In Pondicherry und in der südindischen Stadt Munnar wurde auch gedreht. Als die Familie nach Kanada auswandern will, nehmen sie ihre Tiere auf das Schiff mit. In einem Sturm kentert das Schiff. Schlussendlich überleben nur Pi und der Tiger.
Tabu spielt die Mutter des jungen Pi. Den älteren Pi, der die Geschichte in der Rückschau erzählt, verkörpert Irrfan Khan. Dieser bezeichnete die Arbeit mit Regisseur Ang Lee bei der Weltpremiere als wunderbare Erfahrung. "Es war aber auch hart. Ang Lee verlangte von mir eine spezielle Energie und das musste ich umsetzen. Es war etwas ganz anderes, als in einem Hindi-Film zu arbeiten. Dort kann man einfach zum Set gehen und Spass haben."
Große Zukunft
Doch je internationaler die Themen sind, umso multikultureller wird auch die Besetzung werden, vermutet Filmkritikerin Shubhra Gupta. Klare Grenzen im Hinblick auf Umsetzung und Zielgruppen werden verschwimmen: "Es ist ein Prozess, der vielleicht nun mit "Life of Pi" angestoßen wurde. Wenn ein Film in einem Land gedreht wird, der auch in anderen Ländern gut läuft, dann werden die Märkte größer. Und dann überlegen sich die Produzenten, wie man den Markt noch größer machen könnte - zum Beispiel durch die geschickte Besetzung von Rollen. Das steigert den Gewinn." Und so werden auch die Namen vieler Bollywoodstars wohl bald nicht nur den Liebhabern des indischen Kinos ein Begriff sein.