Schiefergas soll im Boden bleiben
4. Juli 2014Es ist ein heiß umstrittenes Thema, das Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Umweltministerin Barbara Hendricks jetzt möglichst schnell gesetzlich regeln wollen. Beim Fracking wird Gestein in 1000 bis 5000 Metern Tiefe mit hohem hydraulischen Druck aufgebrochen. In der Regel wird dazu ein flüssiges Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien in den Boden gepresst. Dadurch entstehen Risse im Gestein, durch die Gas entweichen und über Bohrrohre an die Oberfläche gelangen kann.
In den USA wird das Verfahren in großem Stil genutzt, um Schiefergas zu fördern. Das Land erlebt seitdem einen regelrechten Gas-Boom, muss aber auch mit den Risiken einer Verunreinigung des Grund- und Trinkwassers sowie zunehmenden Erdbeben leben. Welche Potenziale im deutschen Untergrund schlummern, darüber gehen die Schätzungen stark auseinander. Das Umweltbundesamt spricht von 1,3 Billionen Kubikmetern, die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe geht von 2,3 Billionen Kubikmetern Gas aus. Damit könnte der deutsche Bedarf immerhin 13 bis 27 Jahre lang gedeckt werden.
Weitgehendes Verbot geplant
Die SPD-Minister Hendricks und Gabriel wollen die Risiken jedoch nicht eingehen. "Fracking zur Förderung von Schiefer- und Kohleflöz-Gas wird es zu wirtschaftlichen Zwecken auf absehbare Zeit in Deutschland nicht geben", so lautet die zentrale Aussage ihres jetzt vorgelegten gemeinsamen Eckpunktepapiers. Es seien die strengsten Regeln, die es in diesem Bereich jemals gegeben habe, betonte Hendricks am Freitagmittag in Berlin.
Wer das Papier genau liest, der entdeckt allerdings einige Schlupflöcher. Zwar räumt die Regelung dem Schutz der Gesundheit und des Trinkwassers höchste Priorität ein. Das Verbot der Gasförderung soll über das Wasserhaushaltsgesetz aber nur für Fracking-Vorhaben oberhalb von 3000 Metern gelten. Zudem kann eine Erprobung der Technologie erlaubt werden, wenn sichergestellt ist, dass die Frackflüssigkeit nicht das Grundwasser gefährdet.
Das Gesetz soll zunächst bis 2021 gelten und dann "auf die Angemessenheit der Verbotsregelung überprüft werden". Fracking-Vorhaben in tiefen und dichten Erdgasvorkommen (sogenanntes 'Tight Gas'), die in Deutschland seit den 1960er Jahren durchgeführt werden, bleiben hingegen grundsätzlich erlaubt.
Opposition protestiert
Die Grünen reagieren mit scharfer Kritik auf das Eckpunktepapier. Ihr Fraktionsvize Oliver Krischer spricht von einem "Fracking-Ermöglichungsgesetz". Seine Partei erwarte "eine Regelung, die Fracking in Deutschland nicht zulässt und keine Schlupflöcher, die so groß sind wie Scheunentore".
"Fracking muss ohne jegliche Ausnahmen verboten werden“, fordert der Linken-Abgeordnete Hubertus Zdebel, der Mitglied im Bundestags-Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit ist. Es sei "Augenwischerei", bei dem Eckpunktepapier von einem Verbot zu sprechen. "Unter dem Deckmantel eines angeblichen Verbotes soll eine Regelung durchgesetzt werden, die Fracking weitgehend erlauben würde." Nach Schätzungen des Bundesamtes für Geologie und Rohstoffe würde die vorgesehene Beschränkung die Förderung der Hälfte aller unkonventionellen Gasvorkommen in Deutschland erlauben, so Zdebel.
Mit Fracking verbundene erhebliche Risiken seien mit den vorgesehenen Auflagen keineswegs auszuschließen, kritisiert der Linken-Politiker. Bestehende Informationsmängel bei Umweltverträglichkeitsprüfungen und die verbleibenden beträchtlichen Risiken, wie unkontrollierbare Methan-Austritte, würden ignoriert. "Auch die Verklappung des giftigen 'Flow-Backs', und des Lagerstättenwassers im Untergrund geht die Regierung mit dieser Regelung nicht an", so Zbedel.
Die Wirtschaft hofft
Der Bundesverband der Deutschen Industrie BDI hofft hingegen, dass über Pilotprojekte erwiesen wird, dass Fracking ohne nachhaltige Umweltschäden möglich ist.
"Momentan wissen wir noch nicht alles über Vorkommen und Förderprozess. Aber Erkenntnisse gewinnen wir nicht durch Warten oder Verbote. Ich bin davon überzeugt: Was wir jetzt brauchen, sind verantwortungsvolle Pilotprojekte", schrieb BDI-Präsident Grillo diese Woche in einem Gastbeitrag in der Rheinischen Post. "Es ist an der Zeit, dass die Politik dem technologischen Fortschritt in einem verantwortungsvollen Rahmen eine Chance gibt. Durch Wissenschaft und Öffentlichkeit begleitete Pilotvorhaben liefern neue Erkenntnisse - und die Basis, um klug endgültig zu entscheiden."
Im Bundesumwelt- und im Bundeswirtschaftsministerium soll während der Sommermonate an einem Gesetzentwurf gearbeitet werden. Geplant ist, die notwendigen Änderungen im Wasserhaushaltsgesetz und Bergrecht im frühen Herbst im Kabinett vorzulegen. Danach würde das Gesetz in den Bundestag gehen und dort in den zuständigen Ausschüssen beraten werden.
Es ist davon auszugehen, dass das Gesetzesvorhaben in den kommenden Wochen und Monaten heftig diskutiert werden wird. Bierbrauer, Mineralwasserhersteller und Wasserversorger laufen Sturm gegen zu weiche Regelungen. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) machte jüngst klar: "Solange ich in Nordrhein-Westfalen Ministerpräsidentin bin, wird es hier kein Fracking für die unkonventionelle Erdgasförderung geben."