Deutscher Schicksalstag
8. November 2007Am 9. November jährt sich zum 18. Mal der Tag des Mauerfalls in Berlin. Ein Ereignis, das die Welt veränderte. Kein Jahr später, am 3.Oktober 1990, war Deutschland nach 41 Jahren Teilung wieder vereinigt. Mit dem Verschwinden der zweiten Diktatur auf deutschem Boden, mit dem Ende der DDR, verschwand das komplette real-sozialistische Lager in Europa von der politischen Landkarte. Der Ost-West-Konflikt war beendet. Der 9.November 1989 war ein fürwahr schicksalhafter Tag in der Geschichte Deutschlands und Europas.
Anfang und vorläufiges Ende der Demokratie in Deutschland
Im historischen Kalender der Deutschen ist der 9.November allerdings ein gleich mehrfach bedeutendes Datum. 1918 rief der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann von einem Balkon des Berliner Reichstags die Republik aus. Die Monarchie unter Kaiser Wilhelm II. war am Ende: "Das Alte und Morsche, die Monarchie, ist zusammengebrochen. Es lebe das Neue, es lebe die deutsche Republik!", rief Scheidemann.
Doch die junge Demokratie in Deutschland hatte es von Anfang an schwer. Linke und Rechte wollten sie so schnell wie möglich beseitigen. Am 9.November 1923 marschierten in München Nationalsozialisten auf die Feldherrnhalle zu. Anführer war Adolf Hitler, der zehn Jahre später ganz legal die Macht in Deutschland übernehmen sollte und die Welt in ihre größte Katastrophe stürzte: den Zweiten Weltkrieg.
Synagogen in Flammen
Auf dem Weg dorthin wurden die Juden in Deutschland Stück für Stück entrechtet, bevor sie von 1942 an systematisch vernichtet wurden. Am 9.November 1938, also noch vor dem Beginn des Zweiten Weltkriegs, brannten im gesamten Deutschen Reich die Synagogen, jüdische Geschäfte wurden geplündert. Etwa 100 Juden wurden ermordet, rund 26.000 wurden in Konzentrationslager gebracht. Das Pogrom wurde zynisch "Reichskristallnacht" genannt. Sie war so etwas wie eine "frühe Generalprobe" für den Holocaust. Der 9.November 1938 ist in der Reihe der schicksalhaften Tage das grauenvollste Datum.
Freudentaumel in Ost- und Westdeutschland
Ein größerer Kontrast zum 9. November 1989, dem Tag des Mauerfalls, ist kaum denkbar. "Wahnsinn" war das häufigste zu hörende Wort in dieser Nacht, als sich für die Menschen in der DDR unverhofft die Grenze öffnete. Schon seit Monaten hatte es zwar Proteste gegen die Alt-Herren-Riege im Ostberliner Politbüro der Staatspartei SED gegeben. Tausende waren über Ungarn und bundesdeutsche Botschaften in osteuropäischen Ländern geflüchtet. Der Druck, Reise-Erleichterungen für alle DDR-Bürger zu gewähren, wuchs von Tag zu Tag. Doch damit hatte niemand gerechnet: Als auf einer internationalen Pressekonferenz in Ost-Berlin entsprechende Regelungen verkündet und als "sofort wirksam" bezeichnet wurden, gab es kein Halten mehr. Zigtausende stürmten die innerstädtischen Grenzübergänge im geteilten Berlin.
Ein Zurück zu den alten Zeiten und Zuständen konnte es nach dieser Nacht der Nächte nicht geben. Das erste Loch in der Berliner Mauer brachte das ganze marode System schnell zum einstürzen. Zum vierten Mal wurde an einem 9. November in Deutschland Geschichte geschrieben - diesmal voller Glück. Daran können auch die vielen Schwierigkeiten nichts ändern, die in Deutschland auf den Mauerfall und die Wiedervereinigung folgten. Die innere Einheit herzustellen dauert eben viel länger, als die staatliche zu vollziehen.