Wer regierte Berlin nach dem Zweiten Weltkrieg?
16. September 20111948: Der Kalte Krieg eskaliert. Die Sowjetunion blockiert die Versorgung Berlins. Die Menschen leiden. Lebensmittel werden knapp. Die Westmächte reagieren mit einer spektakulären Luftbrücke. "Rosinenbomber" versorgen die Berliner. Am 9. September 1948, auf dem Höhepunkt der Blockade, hält der SPD-Politiker Ernst Reuter seine berühmte Rede vor dem zerstörten Reichstag. Reuter appelliert an die Solidarität des Westens: "Ihr Völker der Welt, ihr Völker in Amerika, in England, in Frankreich, in Italien! Schaut auf diese Stadt und erkennt, daß ihr diese Stadt und dieses Volk nicht preisgeben dürft und nicht preisgeben könnt!"
Die Appelle von Reuter und anderen westdeutschen Politikern sind erfolgreich. Die westlichen Allierten entscheiden sich, Berlin nicht aufzugeben. Im Dezember 1948, noch während der sowjetischen Blockade, wird Reuter zum ersten Bürgermeister des Westteils der Stadt gewählt.
Eine Stadt - zwei Systeme
Die Spaltung Berlins zeigte sich auch in der Verwaltung. Die Sowjetunion hatte 1948 in Ostberlin mit Friedrich Ebert junior einen ihr genehmen eigenen Oberbürgermeister eingesetzt. Daraufhin wandelte Westberlin die Amtsbezeichnung seines Oberbürgermeisters in "Regierender Bürgermeister" um.
Die Blockade Berlins durch die Sowjetunion dauerte bis Mai 1949. Ernst Reuter blieb Regierender Bürgermeister Westberlins bis zu seinem pötzlichen Tod durch einen Herzanfall im Jahr 1953.
Reuters Nachfolger wurde zunächst der CDU-Politiker Walter Schreiber. Nach Neuwahlen im Dezember 1954 übernahmen aber erneut die Sozialdemokraten die Führung der Stadt. Der SPD-Mann Otto Suhr kümmerte sich vor allem um den Wiederaufbau des im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstörten Berlins. Suhr starb 1957 an Leukämie.
Wandel durch Annäherung
Nach Suhrs Tod folgte die Amtszeit des wohl prominentesten Politikers auf dem Posten des Regierenden Bürgermeisters: Der spätere Bundeskanzler Willy Brandt leitete von 1957 bis 1966 die Geschicke der Stadt. In seine Amtszeit fielen der tiefe politische Einschnitt des Mauerbaus 1961 und die Kuba-Krise im Jahr 1962. Sowjetischen Expansionsansprüchen erteilte er eine klare Absage.
Gleichzeitig setzte er von Anfang an auf Verständigung und Annäherung zwischen Ost und West. "Wandel durch Annäherung" hieß dieses Prinzip, das Brandt auch als Bundeskanzler weiterverfolgte.
Auch nach dem Wechsel Willy Brandts in die Bundespolitik blieb die SPD in Berlin an der Macht. Erst 1981 schafften die CDU und ihr Spitzenkandidat Richard von Weizsäcker die Wende. Er setzte als Regierender Bürgermeister neue politische Akzente. Er schuf in der Stadt, in der auch damals schon ein überproportional hoher Anteil an ausländischen Mitbewohnern zu verzeichnen war, das Amt des Ausländerbeauftragten. Gleichzeitig setzte er die Entspannungspolitik fort. Im September 1983 traf er mit Erich Honecker in Ostberlin zusammen - es war der erste offizielle Besuch eines Berliner Regierenden Bürgermeisters bei einem SED-Generalsekretär. 1984 wechselte auch von Weizsäcker in die Bundespolitik und wurde Bundespräsident.
Ende der Teilung
Von Weizsäckers Nachfolger Eberhard Diepgen (CDU) regierte bis 1989. Das Ende seiner Amtszeit wurde von Parteispenden- und Korruptionsaffären überschattet. Der SPD-Politiker Walter Momper übernahm das Regierungsruder. Momper erlebt, wovon viele seiner Vorgänger nur geträumt hatten. Am 9. November 1989 fiel die Berliner Mauer. Die geteilte Stadt wuchs wieder zusammen.
Ein Jahr später fanden die ersten Gesamtberliner Wahlen statt. Inzwischen war jedoch Mompers Koalition mit der Alternativen Liste auseinandergebrochen. Eberhard Diepgen siegte bei der Wahl und kehrte in das Amt des Regierenden Bürgermeisters zurück. Er leitete die erste Regierung des wiedervereinigten Berlin. Seine große Koalition mit der SPD hielt mehr als zehn Jahre. Doch im Juni 2001 kündigten die Sozialdemokraten das Bündnis mit der CDU auf. Am 16. Juni 2001 wurde Eberhard Diepgen schließlich von Klaus Wowereit als Regierender Bürgermeister abgelöst.
Die Oberbürgermeister im Osten Berlins
Den 13 Regierenden Bürgermeistern im Westen Berlins standen seit 1948 nur vier Oberbürgermeister im Osten der Stadt gegenüber. Friedrich Ebert junior kümmerte sich als erster Oberbürgermeister Ost-Berlins vor allem um den Aufbau der zerstörten Stadt. Ebert amtierte von 1948, dem Beginn der administrativen Spaltung Berlins, bis 1967. Ihm folgten Herbert Fechner und 1974 Erhard Krack, der am 15. Februar 1990 zurücktrat. Weil er für die Fälschungen der Ost-Berliner Kommunalwahl im Jahr 1989 mit verantwortlich war, wurde Krack 1993 zu zehn Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Von März bis Dezember 1990 amtierten Christian Hartenhauer und Tino Schwierzina als Übergangsbürgermeister.
Autor: Nils Naumann, Günther Birkenstock
Redaktion: Arne Lichtenberg, Hartmut Lüning