Eugene Boateng: Authentizität durch Herkunft
30. Oktober 2021Eugene Boateng ist der neue Shooting Star beim deutschen Film. Doch der Erfolg lässt ihn seine Wurzeln nicht vergessen. Kurzbiografien des 1985 in Düsseldorf geborenen Schauspielers erwähnen stets die Straße, in der Eugene Boateng aufwuchs: die Kiefernstraße, die in den 1980er-Jahren Aktivisten der linken Szene Unterschlupf bot. Sie wurde bekannt durch die Hausbesetzungen der Werkshäuser des ehemaligen Klöckner Stahlwerks. Mitte der 80er kam sie wegen ihrer vermeintlichen Verbindungen zur linksterroristischen Gruppe RAF in Verruf.
"Die Kiefernstraße hat mich geprägt - und ich erwähne das auch immer. Denn wenn du in dieser Straße gewohnt hast, dann wirst du automatisch als arm abgestempelt - als jemand, der in einer gefährlichen Straße wohnt", so Boateng zur DW. Doch diese Straße habe auch Leute aus vielen verschiedenen Kulturen zusammengebracht.
Diese Menschen mit all ihren unterschiedlichen Hintergründen hätten es geschafft, eine starke Gemeinschaft zu formen. Eine Gemeinschaft der Anderen - denn sie alle seien Opfer von Vorurteilen gewesen und hätten sich regelmäßig gegen Angriffe der rechten Szene verteidigen müssen. Die Gemeinschaft habe zu seiner Identität beigetragen, worauf er bis heute stolz sei, so Boateng.
Inspiriert von einem Familienheld
Seine Eltern kommen beide aus Ghana. Ungeachtet der harten Lebensumstände zogen sie eine Familie mit acht Kindern groß - ein weiterer Aspekt, der ihn motiviert habe, sich in seinem Leben allen Herausforderungen zu stellen, erzählt der Schauspieler.
Wenn man ihn nach Vorbildern fragt, nennt Eugene Boateng zuallererst seinen Vater: "Er war immer ein Held für mich, weil ich einfach dachte: 'Wie der alles meistert, das ist großartig.' Und ich will auch in der Lage sein, alles zu meistern und das Beste für mich und meine Familie herauszuholen."
Es war immer Boatengs Traum, die Geschichte seines Vaters eines Tages in einem Film zu erzählen. Als er zum ersten Mal das Drehbuch von "Borga" in die Finger bekam, erinnerte ihn das sehr daran, wie sein Vater und sein Onkel einst in der Hoffnung auf ein besseres Leben nach Deutschland kamen. Immer unter dem Druck, die in Ghana zurückgebliebenen Familienmitglieder finanziell zu unterstützen.
Boateng schloss sich dem Filmprojekt als Koproduzent an - und übernahm unter der Regie von York-Fabian Raabe auch die Hauptrolle. "Borga" läuft seit dem 28.10.2021 in den deutschen Kinos.
Der Mythos vom besseren Leben anderswo
Die Geschichte des Films beginnt in Ghanas Hauptstadt Accra und erzählt von Kojo. Der Junge wächst im Armenviertel Agbogbloshie auf, wo er auf einer Mülldeponie Altmetall sammelt und für kleines Geld verkauft. Anerkennung vom Vater gibt es dafür kaum.
Als Erwachsener kehrt Kojo seiner Heimat den Rücken zu und geht in der Hoffnung auf ein besseres Leben nach Deutschland. Er möchte ein "Borga" werden - so nennt man in Ghana Menschen, die es weit weg von Zuhause zum Erfolg gebracht haben.
Der Film stellt schnell klar, dass der Traum, in Europa reich zu werden, um dann in der Heimat als "Borga" zu gelten, selten wahr wird. Stattdessen verstricken sich viele verzweifelte Migranten in kriminellen Machenschaften.
"Borga" ist nicht der erste Film, der die Geschichte eines Migranten in Deutschland aus dessen Perspektive erzählt. Aber dieser Film bediene nicht die üblichen Klischees, die schwarze Deutsche darauf reduzieren, Drogendealer und Kriminelle dazustellen, so Boateng. "Was hier sehr, sehr wichtig ist: Die Geschichte wird aus meiner Perspektive erzählt", betont er. "Das ist eine afrikanische Perspektive, das ist eine schwarze Perspektive. Das hat es in Deutschland einfach noch nie gegeben."
Authentischer Ansatz: Die afro-deutsche Perspektive
Eugene Boateng hat die authentische Herangehensweise an den Film maßgeblich gefördert: "Für mich ist wichtig, dass wir endlich Geschichten erzählen, die einfach wirklichkeitsgetreu sind", betont er. "Also vor allem Geschichten mit afrikanischen Darstellern, mit schwarzen Darstellern."
Boateng ist auch dafür verantwortlich, dass ein Großteil der Dialoge im Film auf "Twi" stattfindet, seiner Muttersprache, die von rund 80 Prozent aller Ghananer gesprochen wird. Für einen deutschen Film ist das ein ungewöhnlicher Ansatz, der ihm aber das gewisse dokumentarische Etwas verleiht.
Die Idee zu "Borga" basiert denn auch auf einem früheren Dokumentarfilm von Regisseur York-Fabian Raabe. 2013 drehte er während seiner Recherchen über Elektromüll, der auf den Deponien in Accras Armenviertel Agbogbloshi landet, den preisgekrönten Kurzfilm "Children of Sodom". Der trostlose Ort diente auch in "Borga" als Kulisse bei den Dreharbeiten.
Schon im Vorfeld zum Kinostart hat "Borga" mehrere Preise gewonnen, darunter den New Berlin Film Award für die beste Regie, den Heimat Europa Film Festival Award und gleich vier Trophäen beim Filmfestival Max Ophüls Preis, unter anderem für den besten Spielfilm und den gesellschaftlich relevantesten Film.
Im September wurde Eugene Boateng beim Deutschen Schauspielpreis für seine Darstellung in "Borga" in der Kategorie "Bester Schauspieler in einer Hauptrolle" ausgezeichnet. Eine glänzende Karriere scheint weiter vorprogrammiert - auch wenn ihn seine Wurzeln nie abheben lassen.
Adaption aus dem Englischen: Nikolas Fischer und Suzanne Cords