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Schanghai-Gruppe: Mehr als ein anti-westliches Bündnis

16. August 2007

In Bischkek traf sich die Schanghai-Organisation zum Gipfeltreffen. Seit 2001 kooperieren Russland, China und vier zentralasiatische Staaten. Vielen gilt die Gruppe als anti-westliches Bündnis. Doch es geht um viel mehr.

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Gruppenfoto 2007Bild: AP

Die Bilder ähneln sich stark, Jahr für Jahr: Da stehen der russische und der chinesische Präsident in einem aufwendig dekorierten Festsaal, umringt von ihren Amtskollegen aus vier zentralasiatischen Staaten, alle im korrekten dunklen Anzug– es ist das traditionelle Gruppenbild beim alljährlichen Gipfeltreffen der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit, kurz SOZ.

Bislang wurde die Schanghai Organisation in westlichen Medien nur am Rande zur Kenntnis genommen – eben bei den alljährlichen Gipfeltreffen, wenn sich die Präsidenten die Hände schütteln und die wachsende Bedeutung ihrer Partnerschaft betonen.

Ruf als "Anti-NATO"

In Westeuropa und den USA beobachten viele die Schanghai-Organisation mit Misstrauen. Immerhin vereinen ihre Mitgliedsstaaten insgesamt etwa ein Viertel der Weltbevölkerung sowie enorme Energieressourcen. Schlagworte wie "Anti-NATO" machen die Runde, schon ist die Rede von einem zukünftigen asiatischen Energiekartell. Diese Beschreibungen griffen aber zu kurz, meint Gudrun Wacker, Leiterin der Forschungsgruppe Asien bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin: "Es gibt immer wieder anti-amerikanische Töne in diesen gemeinsamen Deklarationen, aber die beteiligten Länder haben ein originäres Interesse an Zusammenarbeit. Es ist nicht nur so, dass sie sich praktisch gegen den Westen zusammengeschlossen hätten."

Starkes Interesse an Sicherheitspolitik

Es sind gemeinsame Probleme, die die Mitgliedsstaaten der Schanghai-Organisation verbinden. Ursprünglich gegründet wegen Grenzstreitigkeiten, liegt ein Themenschwerpunkt im Kampf gegen Terror und Separatismus. Maßnahmen gegen grenzüberschreitende Kriminalität und Drogenhandel sind weitere Themen. Uwe Halbach, Zentralasien-Experte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, bescheinigt der Schanghai-Organisation wachsende Bedeutung in der Region: "Die Schanghai-Organisation ist in der Tat in den vergangenen zwei, drei Jahren zu einem zunehmenden Fixpunkt in der Außenpolitik Russlands und auch anderer GUS-Staaten, eben der zentralasiatischen Staaten geworden. Und dabei spielt Sicherheitspolitik eine ganz vorrangige Rolle."

Kein "geschlossener Klub"

Zurzeit halten erstmals Soldaten aus allen sechs Mitgliedstaaten gemeinsame Manöver ab. Trotz dieser medienwirksamen Militärübungen ist die Schanghai-Organisation jedoch kein Verteidigungsbündnis. Es geht den Mitgliedstaaten um Wahrung ihrer eigenen Interessen – Einmischungen in innere Angelegenheiten der einzelnen Länder sind unerwünscht. Stattdessen beschwört man gutnachbarschaftliche Beziehungen. Die Schanghai-Organisation sei gegen niemanden gerichtet, erklärte der russische Präsident Wladimir Putin beim letzten Gipfeltreffen in Schanghai 2006: "Wir haben genug Erfahrungen gesammelt. Unsere Organisation hat einen offenen Charakter und sie ist keine Konkurrenz für andere Organisationen. Wir sind gegen geschlossene Klubs und Trennungslinien in der Region."

Tatsächlich genießen die Mongolei, der Iran sowie Indien und Pakistan bereits seit einigen Jahren Beobachterstatus. Mit Afghanistan gibt es eine Kontaktgruppe. Vertreter der genannten Länder sind auch zum jetzigen Gipfeltreffen eingeladen. Erstmals mit dabei sein wird der Präsident Turkmenistans, das als einziges zentralasiatisches Land kein Mitglied der Schanghai-Organisation ist. Noch nicht.

Ehrgeizige Ziele

Asien-Expertin Gudrun Wacker rechnet zwar nicht mit einer schnellen Erweiterung der Schanghai-Organisation, sieht aber klare Anzeichen für eine dauerhafte Existenz der Gruppe: "2001, nach dem 11. September haben eigentlich sehr viele Beobachter ein frühes Ende dieser Schanghaier Organisation prophezeit und haben gesagt: Der 11. September hat gezeigt, dass diese Organisation überhaupt nicht richtig handlungsfähig ist. Aber seither, muss man sagen, haben eben China und Russland sich sehr stark bemüht, die Organisation auf eine solide Basis zu stellen, auch institutionell, und deshalb entfaltet sie auch eine gewisse Wirkung."

Verstärkte Kooperation im Energiesektor, die Gründung einer Entwicklungsbank für regionale Investitionen, langfristig eine Freihandelszone - viele der gemeinsamen Pläne sind noch Zukunftsmusik. Aber sie zeigen: Die Schanghai-Organisation ist mehr als nur ein angeblich "anti-westliches" Bündnis. Selbst dann, wenn auch beim diesjährigen Gipfel nicht viel mehr an die Öffentlichkeit dringt als das traditionelle Gruppenbild.

Britta Kleymann
DW-RADIO/Osteuropa, 15.8.2007, Fokus Ost-Südost