Satte Mehrheit für Muslimbrüder in Ägypten
3. Dezember 2011Eigentlich sollte der Präsident der Wahlkommission am späten Freitagabend (02.12.2011) in Kairo das Ergebnis der ersten Runde der Parlamentswahlen in Ägypten präsentieren. Doch nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP sagte Abdel Mose Ibrahim den wartenden Journalisten: "Das Dossier ist sehr umfangreich, ich habe keine Energie mehr." Er empfahl den Pressevertretern, selbst die Ergebnisse für die Wahlkreise durchzugehen. Lediglich zur "historischen" Wahlbeteiligung äußerte sich Ibrahim. 62 Prozent der vorerst 17,5 Millionen Wahlberechtigten hätten ihre Stimme abgegeben, das sei die höchste Wahlbeteiligung "seit der Zeit der Pharaonen". Gewählt wird bis zum 10. Januar in drei Etappen. Zunächst wird in Kairo, Alexandria und sieben weiteren Provinzen gewählt. Dafür haben die Stimmberechtigten Zeit bis Dienstagabend. Insgesamt sind rund 50 Millionen der 85 Millionen Ägypter aufgerufen, die 498 Abgeordneten im Parlament zu bestimmen.
Islamisten vorne
Die neue Ära Ägyptens steht offensichtlich ganz im Zeichen der Islamisten. Nachdem zu Beginn der Woche in Kairo und Alexandria sowie in sieben ländlichen Provinzen gewählt worden ist, scheint zumindest der Trend klar zu sein: Nach inoffiziellen Angaben erhielt die Partei der Muslimbrüderschaft "Partei der Freiheit und Gerechtigkeit" mehr als 40 Prozent der Stimmen. Auf dem zweiten Platz landet demnach die radikal-islamische Salafistenpartei Al-Nur. Die von linken und liberalen Parteien gebildete Ägyptische Allianz liegt in den meisten Bezirken auf dem dritten Platz.
Mit Gott verbundene Zivilisation
Die Salafisten forderten am Freitag (02.12.2011) nochmals strengere religiöse Regeln in Ägypten. "Gott gibt die Antworten auf die Frage, was richtig und was falsch ist", sagte der Sprecher der Nur-Partei, Jusseri Hamad. Im Land des Islams könnten die Menschen nicht selbst entscheiden, was erlaubt und was verboten sei.
Das Oberhaupt der Muslimbrüder, Mohammed Badia, hatte noch am Donnerstag erklärt, es sei die Stärke der islamischen Zivilisation, "dass sie eine mit Gott verbundene Zivilisation ist". In einer islamischen Gesellschaft müsse niemand Hunger leiden. Alle könnten in Frieden und Sicherheit leben.
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte sich kürzlich bei einem Besuch in Kairo eine Abfuhr von den Muslimbrüdern geholt. Er hatte die Türkei - einen zwar von Islamisten regierten, aber säkularen Staat - als Vorbild gepriesen.
Wahlen in restlichen Provinzen
In mehreren Bezirken kommt es am kommenden Montag zu einer Stichwahl. Danach soll in den übrigen 18 Provinzen gewählt werden. Die genaue Verteilung der 498 Sitze wird am 13. Januar bekanntgegeben. Die vordringliche Aufgabe des Parlaments wird die Formulierung einer neuen Verfassung sein.
Ende Juni 2012 wird dann ein neuer Präsident gewählt. Danach soll sich der regierende Militärrat, der seit dem Sturz des früheren Machthabers Husni Mubarak die Zügel im Staat in der Hand hält, aus der Politik zurückziehen.
Rolle des Militärs weiter umstritten
Viele Ägypter befürchten indes, dass die Armee nicht freiwillig auf Macht und Einfluss verzichten wird. Vor der Bekanntgabe der Wahlergebnisse hatten sich in Kairo erneut Jugendliche zum Protest gegen den Militärrat versammelt.
Auf dem zentralen Tahrir-Platz forderten sie den sofortigen Rücktritt des Gremiums. Außerdem wurde der 42 Menschen gedacht, die im November bei Auseinandersetzungen mit der Polizei getötet worden waren.
Autor: Thomas Grimmer / Sabine Faber (afp,dpa,rtr)
Redaktion: Martin Schrader / Herbert Peckmann