EU will Griechenland abermals helfen
11. Mai 2011Olli Rehn, der eher spröde wirkende EU-Währungskommissar aus Finnland, ließ die Marschrichtung der Griechenland-Retter wenigstens ein bisschen erkennen. Rehn sagte am Dienstag (10.05.2011) in Straßburg, Mitte nächster Woche werde man die Fakten und Zahlen zu Griechenland auf dem Tisch haben und dann entscheiden. Internationaler Währungsfonds, Europäische Kommission und Europäische Zentralbank prüfen derzeit die Bücher in Athen. Klar ist, laut Rehn, dass die Schuldenlast Griechenlands "signifikant" ist. Spekulationen über eine Umschuldung oder neue Hilfspakete wies er zurück. Aus der Umgebung des Kommissars heißt es allerdings, dass die EU-Finanzminister in der kommenden Woche die Laufzeiten für Notkredite der EU weiter strecken wollten, und zwar von siebeneinhalb auf zehn Jahre. Die Zinsen von derzeit fünf Prozent könnten weiter abgesenkt werden, um Griechenland mehr Zeit zu geben, seinen Staatshaushalt zu sanieren und wirtschaftliche Reformen umzusetzen.
Zweiter Rettungsschirm?
Das allein wird aber nicht reichen. Da sind sich die meisten Ökonomen einig. Trotz der bisherigen Notkredite steigen die Zinsen, die Griechenland Käufern von Staatsanleihen zahlen muss. In der EU wird deshalb ein weiterer Rettungsschirm für Griechenland in einer Höhe von 40 bis 60 Milliarden Euro vorbereitet. Er käme zu den 110 Milliarden Euro hinzu, die Griechenland vor einem Jahr bis zum Jahr 2012 zugesagt worden waren. Die Staatsverschuldung Griechenlands steigt weiter an, eine Trendwende wird erst nach 2013 erwartet. In diesem Jahr schrumpft die Wirtschaft noch, ein leichtes Wachstum wird erst für das kommende Jahr prognostiziert.
Private Gläubiger beteiligen?
Die Europäische Union könnte versuchen, große private Gläubiger ebenfalls zu einer Streckung ihrer Kredite oder zum teilweisen Verzicht auf Forderungen zu veranlassen. Diese freiwillige Umschuldung erhöht die Chance für die beteiligten Banken, ihr Geld tatsächlich eines Tages wirklich zurück zu bekommen. "Eine grundsätzliche Restrukturierung der Staatschulden scheint wegen des hohen Engagments der Banken derzeit ausgeschlossen", erklärte der Chef des großen deutschen Versicherungskonzerns Allianz. Deutsche Banken, wie die verstaatlichte Hypo Real Estate und die Commerzbank, müssten bei einem Schuldenschnitt von 50 Prozent rund 25 Milliarden Euro abschreiben, behauptet der Wirtschaftsforscher Gustav Horn im Magazin "Stern". Jürgen Stark der Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB) sagte in mehreren Interviews, eine Umschuldung, einer harter Schnitt, bringe nicht die Lösung der Probleme, die Griechenland zu bewältigen habe. Wer von Umschuldung rede, müsse auch die Konsequenzen für das Bankensystem, für die Europäische Zentralbank und die Wirtschaftsleistung des betroffenen Staates nennen. Die EZB hält selbst griechische Staatsanleihen in Höhe von 50 Milliarden Euro. Sie würde also bei einer Umschuldung selbst schwere Verluste machen.
Gezielte Gerüchte
Klaus Regling, der Chef des Europäischen Rettungsfonds in Luxemburg, brachte noch eine weitere Variante ins Spiel. Regling meinte, gerade Banken, die nicht in Griechenland engagiert seien, würden einen harten Schuldenschnitt propagieren, weil sie an dann anfallenden Bankgebühren ordentlich verdienen könnten.
Die Finanzminister der EU werden sich im Falle Griechenlands zunächst wohl mit einer Diskussion der Lage begnügen. Radikale Beschlüsse, ja Beschlüsse überhaupt sind am kommenden Montag (16.05.2011) und Dienstag noch ausgeschlossen, so der deutsche Finanzstaatssekretär Jörg Assmussen in Berlin. Ob neue Hilfspakete für Griechenland in allen EU-Mitgliedsstaaten mitgetragen würden, ist offen. In Deutschland rumort es in der Regierungskoalition von Bundeskanzlerin Angela Merkel ganz heftig. Viele Finanzpolitiker der FDP und der konservativen Parteien sehen Gefahren für den deutschen Staatshaushalt. In Finnland scheitert im Moment die Bildung einer neuen Regierung an den EU-Rettungsschirmen. Die rechtspopulistische Partei "Wahre Finnen" lehnt Notkredite zum Beispiel auch an Portugal ab. Deshalb muss sich der designierte konservative Ministerpräsident einen neuen Koalitionspartner und eine neue Mehrheit im Parlament suchen.
Portugal kommt an den Tropf
Das Hilfspaket für das überschuldete Portugal soll am Dienstag von den EU-Finanzministern beschlossen werden. Es wird 78 Milliarden Euro an Kreditzusagen umfassen. Portugal kann sich nicht mehr auf dem privaten Kapitalmarkt finanzieren. Das Hilfspaket wurde mit einer Regierung in Lissabon ausgehandelt, die seit Ende März nur noch geschäftsführend im Amt ist. Anfang Juni wird ein neues Parlament gewählt. Auch Portugal drohen ähnlich wie Griechenland harte Sparmaßnahmen.
Irland will niedrigere Zinsen
Im dritten Krisenland, in Irland, gibt es ein wenig Hoffnung. Die Wirtschaft Irlands soll in diesem Jahr mit zwei Prozent stärker wachsen als bislang vermutet. Irland musste Ende letzten Jahres unter den EU-Rettungsschirm schlüpfen und 85 Milliarden Euro hauptsächlich zur Stützung seiner maroden Banken beantragen. Nach einem Regierungswechsel in Dublin versucht der neue Premierminister Enda Kenny jetzt, bessere Konditionen für die Notkredite durchzusetzen. Kenny will die gleichen Laufzeiten und Zinssätze, die auch für Griechenland gelten. Als Gegenleistung verlangt die EU aber eine Erhöhung der extrem niedrigen Unternehmenssteuern in Irland, was Kenny strikt ablehnt. Eine Entscheidung über eine Senkung der Zinsen erwartet der irische Finanzminister Michael Noonan beim Treffen kommende Woche in Brüssel noch nicht.
Finnland blockiert derzeit die Aufstockung des aktuellen EU-Rettungsfonds von nominell 280 auf 440 Milliarden Euro. Dazu müssten die einzahlenden Staaten einstimmig größere Bürgschaften und Garantien übernehmen. Die Partei "Wahre Finnen" lehnt das für Finnland ab. Die Frage ist jetzt, wie und wann eine neue handlungsfähige Regierung in Helsinki gebildet werden kann.
Autor: Bernd Riegert (rtr, dpa, afp)
Redaktion: Sonila Sand