Nadal gewinnt French-Open-Finale gegen Djokovic
11. Oktober 2020Zuerst der Jubel auf dem roten Sand von Roland Garros, dann glitzernde Tränen in den Augen - so konzentriert Rafael Nadal während des Turniers Spiel um Spiel gewann, so emotional war er im Augenblick des Triumphs. Und trotzdem fand er die passenden Worte für seinen besiegten, ewigen Rivalen Novak Djokovic. "Was Du und Dein Team im Tennis leisten, ist etwas ganz Besonderes. Ich hoffe, wir treten noch einige Jahre gegeneinander auf dem Platz an!"
Seinen Dank richtete er auch an das Publikum und angesichts der Corona-Pandemie an die Organisatoren: "Danke, dass das Turnier unter diesen schwierigen Bedingungen stattfinden konnte." Hier zu gewinnen bedeutet in so einem schweren Jahr alles für mich. Roland Garros bedeutet alles für mich." Nadal hat damit seinen insgesamt 100. Sieg auf der roten Asche von Paris eingefahren und in seinem selbsterklärten "Wohnzimmer" alle Finalspiele gewonnen.
Demonstration der Stärke
Einen Tag nach den Titelgewinnen des deutschen Doppels Kevin Krawietz und Andreas Mies und der Polin Iga Swiatek im Damen-Einzel erlebten die French Open ein Herren-Einzel der Superlative: Nadal setzte sich mit einer glanzvollen Vorstellung mit 6:0, 6:2, 7:5 durch und zog mit seinem 20. Grand-Slam-Sieg in der ewigen Bestenliste mit Roger Federer aus der Schweiz gleich. Djokovic steht bei 17 Majortiteln.
Was die beiden Final-Protagonisten in der ersten halben Stunde darboten, war Sandplatz-Spektakel par excellence. Von Beginn an war es eine Machtdemonstration von Nadal. Nach 41 Minuten stand es 5:0 für ihn, obwohl Djokovic nicht einmal schlecht spielte. Nach einer Dreiviertelstunde nutzte Nadal unter dem wegen Regens geschlossenen Dach den Satzball zum 6:0.
Der Mann, der auch am Ende des Jahres die Nummer eins der Tenniswelt sein wird, spielte dabei nicht schlecht. Er spielte sogar am Limit. Dennoch hatte Djokovic gegen den besten Sandplatzspieler der Welt keine Chance. Djokovic hatte in diesem Jahr alle Spiele gewonnen, die Australian Open geholt - nur bei den US Open flog er im Achtelfinale raus, weil er einen Ball weggeschlagen, dabei eine Linienrichterin getroffen hatte und daraufhin disqualifiziert wurde. Nun musste er seine vierte Finalniederlage in der französischen Hauptstadt hinnehmen.
Duell der Erzrivalen
Im Duell zwischen den beiden geht es aber immer mehr als nur den Sieg. Während Djokovic aus seiner Titelgier keinen Hehl macht und selbstbewusst erklärt: "Zu versuchen, die historische Nummer eins zu werden, ist ein großes Ziel. Ich glaube, dass ich die meisten Slams gewinnen und den Rekord für die längste Nummer eins brechen kann", ist Nadal von diesem Ziel "nicht besessen", wie er Anfang des Jahres sagte: "Wenn Roger (Federer) oder Novak vor mir ist, dann geht das Leben auch weiter."
Es ist auch das Duell zweier ganz unterschiedlicher Persönlichkeiten: Nadal ist eher ein Spielertyp wie Roger Federer: ein zurückhaltender Gentleman, der allenfalls mit seinen Marotten auf dem Platz auffällt: dreimal den Schläger an den Fuß klopfen, ein Zupfer am rechten Ohr, dann einer am linken, noch ein paar Male den Ball auftupfen lassen, um dann mit brachialer Gewalt den Aufschlag zu präsentieren. Es ist seine Art, sich zu fokussieren. Und er bleibt konzentriert, auch in diesem Finale vor dem Breakball zum 4:1 im zweiten Satz nach einem bemerkenswerten Ballwechsel. Keine Jubelfaust, kein Schrei - stattdessen ernstes Gesicht und Kämpfermiene.
Djokovic dagegen strebt nach Ruhm, Anerkennung, Aufmerksamkeit und Show. Als er im dritten Satz noch einmal heranzukommen schien, pushte er das Publikum, klatschte in die Hände, jubelte laut. In anderen Partien schlug er auch schon mal wütend Bälle weg, verlor Geduld und Nerven. Der Serbe gilt eher als Tennis-Rüpel, sorgte mit der von ihm organisierten Adria-Tour und Partyszenen inmitten der Pandemie für Negativschlagzeilen und versetzte die Branche mit der Gründung einer neuen Spielergewerkschaft in Aufruhr. Nadal und Federer sprachen sich sofort offen gegen diese Idee aus.
Tennis vom anderen Stern
Kein anderes Duell im Profitennis gab es zudem öfter - zum 56. Mal standen sich die beiden gegenüber. 29 Siege hat Djokovic vorzuweisen, auf Sand hat Nadal deutlich die Nase vorn. Und obwohl sich dieses Mal die Bedingungen in Paris im Vergleich zu früheren Turnieren, die regulär im Mai/Juni ausgetragen werden, geändert haben und der Sand nasser und schwerer war, der Ball damit weniger hoch abspringt, hatte Nadal keine Umstellungsprobleme.
So stark Djokovic in den anderen Partien in diesem Jahr gespielt haben mochte - auf dem Court Philippe Chatrier fand er seinen Meister. Djokovics Ex-Trainer Boris Becker schwärmte bei Eurosport: "Ich habe Rafael Nadal noch nie besser Tennis spielen sehen auf Sand." "Rafa" verdiene alle Superlative, erklärte auch Djokovic. "Was Du auf diesem Court machst, ist unglaublich. Ich habe es heute am eigenen Leib gespürt. Ich wurde heute definitiv von einem besseren Spieler dominiert", lobte der "Djoker" seinen Rivalen, der auf dem Sand in Paris auch in diesem Jahr unschlagbar blieb.