Keine Zukunft?
27. April 2014Als Dlingiziwe Ngubane vor 20 Jahren zum ersten Mal wählen durfte, war er voller Hoffnung, dass sich für ihn endlich etwas verbessern würde. Er wurde bitter enttäuscht. "Wir wollten den politischen Wandel auch in unserem Leben spüren. Aber wir haben immer noch kein fließendes Wasser oder Strom", sagt er.
Heute ist Ngubane 74 Jahre alt und lebt in Mtunzini, einem abgeschiedenen Dorf in der südafrikanischen Provinz KwaZulu-Natal, eine halbe Autostunde von der Provinzhauptstadt Pietermaritzburg entfernt. Die meisten der 2000 Bewohner leben in Lehmhütten. Geteerte Straßen sucht man hier vergebens.
Wem gehört das Land?
Ihren Lebensunterhalt verdienen sich die Menschen von Mtunzini als Tagelöhner bei weißen Farmern in der Gegend und indem sie ihre eigenen kleinen Felder bestellen. Einige der Kinder hier müssen täglich vier Stunden laufen, um höhere Grund- und weiterführende Schulen besuchen zu können.
"Wir haben damals auch gehofft, dass wir endlich das Land zurückbekommen, auf dem meine Vorfahren schon seit über 200 Jahren leben. Auch darauf warten wir noch immer", sagt Ngubane. Doch trotz aller Enttäuschung wollen er und seine Familie auch im Mai wieder wählen gehen. "Ich träume davon, dass meine Kinder und Enkel eine gute Ausbildung bekommen, damit sie ihre Lebenssituation verbessern und eines Tages Krankenschwester, Lehrer oder Arzt werden können", sagt er. "Ich will nicht, dass sie ihr Leben lang andere Leute bedienen, so wie wir es tun."
Vermächtnis der Apartheid
Siyabonga Sithole arbeitet für AFRA, einen Verein, der sich für ländliche Entwicklung einsetzt und für Gemeinden, die während der Apartheid diskriminiert und an den Rand gedrängt wurden. "Diese Menschen haben viele Jahre lang für Landbesitzer gearbeitet - ohne Gehalt", erklärt Sithole. "Sie haben vielleicht die Erlaubnis bekommen, etwas vom Feld zu ernten oder Vieh zu halten als Ausgleich für ihre Arbeit. Heute haben sie es sehr schwer - das ist das Vermächtnis der Apartheid." Südafrika habe die Menschen auf dem Land vergessen, so der Aktivist.
Mangosuthu Buthelezi leitete während der Apartheid das KwaZulu-Homeland und ist jetzt Vorsitzender der Zulu-Oppositionspartei Inkatha Freedom Party. Er erkennt durchaus an, dass einige Gemeinden in ländlichen Gegenden noch nicht völlig frei sind. Er sagt, er unterstütze Landenteignungen, die schwarzen Gemeinden dabei helfen sollen, ihre Lebensbedingungen zu verbessern. "Einige politische Parteien wollen die Enteignungen ohne einen Ausgleich durchsetzen, aber meine Partei glaubt, dass Land mithilfe von fairen Kompensationszahlungen umverteilt werden kann", so Buthelezi.
Korruption und Ineffizienz
Seiner Meinung nach ist vor allem die Korruption in Regierungskreisen schuld daran, dass die Landbevölkerung so vernachlässigt wird. "Ich glaube, wenn wir die Korruption an der Wurzel packen, werden wir es schaffen, lebenswichtige Dinge wie Strom, fließendes Wasser, vernünftige Straßen, Schulen und Krankenhäuser für die Menschen in ländlichen Gegenden bereitzustellen."
Diese Meinung teilt auch Paulus Zulu, Professor an der KwaZulu-Natal-Universität in Durban. Er weist außerdem auf die mangelnde Effizienz in Regierungsstellen hin, die eigentlich Dienstleister für die ländlichen Gemeinden sein sollten. "Wenn wir Korruption und Ineffizienz ausmerzen und die Qualität von Bildungsangeboten steigern, könnten wir die Lage der meisten Menschen verbessern", so Zulu. "Wir sind eines der reichsten Länder der Welt und es gibt keinen Grund, warum wir nicht essentielle Dienstleistungen für die ländlichen Gebiete bereitstellen können."
Der Ministerpräsident der KwaZulu-Natal-Provinz, Senzo Mchunu, hingegen betont, dass die Regierung eine Menge getan habe, um die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern. Er räumt aber auch ein, dass noch viel zu tun sei. "Wir bemühen uns, die Lücke zwischen städtischen und ländlichen Gegenden zu schließen. Diese Lücke ist eine Spannungslinie, die während der Apartheid entstanden ist", sagt Mchunu. Die Regierung bemühe sich nach Kräften, die Infrastruktur zu verbessern, aber "wir können nicht alle Wünsche in nur 20 Jahren erfüllen." Die Menschen in Mtunzini müssen also weiter hoffen - auf ihren Anschluss ans moderne Südafrika.