Merkel: Patrouillenboote für Angola
14. Juli 2011Für Bundeskanzlerin Angela Merkel scheint die Sache klar zu sein. Der mögliche Verkauf der Boote hat ihrer Meinung nach nichts mit einem anrüchigen Waffengeschäft zu tun, sondern mit dem legitimen Interesse eines Landes, seine maritimen Grenzen und seine Küsten zu schützen. "Deshalb glaube ich nicht, dass wir hier im umfassenden Sinne Aufrüstung betreiben", betonte Merkel während ihres Kurzbesuchs in der angolanischen Hauptstadt Luanda.
Noch ist nichts unterschrieben und amtlich, aber der Plan sieht vor, dass Deutschland zwischen sechs und acht Patrouillenboote der Bremer Werft Lürssen an das ölreiche, südwestafrikanische Land liefert. Die Boote kosten je nach Ausstattung zwischen zehn und 25 Millionen Euro. Das Gesamtvolumen des Geschäfts könnte also einen dreistelligen Millionenbetrag ausmachen. Für den Rüstungsexperten Marc von Boemcken vom Internationalen Konversionszentrum in Bonn (BICC) ist schon allein die Summe ein Problem.
Waffen statt Bildung?
Angola sei im Vergleich zu anderen afrikanischen Ländern ein hochgradig militarisiertes Land, erklärte von Boemcken am Donnerstag (14.07.2011) im Gespräch mit der Deutschen Welle. Ein großer Teil der Staatsausgaben gehe in den Militärhaushalt und nicht in wichtige Bereiche wie Bildung und Gesundheit. "Insofern wäre es aus entwicklungspolitischen Gesichtspunkten aus unserer Sicht angebracht, dass Angola seine Militärausgaben verringert und die Sozialausgaben erhöht", sagt von Boemcken. "In dem wir Rüstungsgeschäfte mit Angola abschließen, unterstützen wir diesen Prozess nicht. Wir machen das Gegenteil."
Zwischen 1975 und 2002 tobte in Angola ein bestialischer Bürgerkrieg. Die Narben sind noch lange nicht verheilt, auch wenn der Ölboom und das rasante Wirtschaftswachstum vieles überdecken. Angela Merkel hat während ihrer Gespräche in der angolanischen Hauptstadt Luanda betont, dass es ein erklärtes politisches Ziel sei, afrikanische Armeen besser auszubilden und auszurüsten. Es sei in deutschem Interesse, wenn ehemalige Bürgerkriegsarmeen wie die angolanische in der Lage seien, regionale Konflikte auf dem Kontinent regional zu befrieden. Für die Bundeskanzlerin ist Angola trotz vorhandener Defizite ein Land, "das sich anstrengt" und "das sich für Stabilität einsetzt".
Doch auch Michael Brzoska, wissenschaftlicher Direktor des Hamburger Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik, mahnt zur Vorsicht. Er sieht die mögliche Ausbildung angolanischer Streitkräfte kritischer als die geplante Lieferung der Patrouillenboote.
Die Ausbildung afrikanischer Soldaten für UN-Friedensmissionen sollte seiner Meinung nach ausschließlich im "Kofi-Annan-Centre" in Ghana stattfinden. Eine direkte Ausbildung in Angola berge immer die Gefahr, "dass diese Streitkräfte, die dann von Deutschen ausgebildet sind, auch im Inneren eingesetzt werden. Und das sehe ich bei diesen Patrouillenbooten eben nicht, deswegen würde ich da einen Unterschied machen."
Piraterie im Fischfang
Brzoska hält Angola für ein problematisches Empfängerland. "Es gibt eine autoritäre Regierung, und es gibt sehr viel Korruption. Aber es gibt legitime Interessen, die auch mit militärischen Mitteln durchgesetzt werden müssen." Die mögliche Lieferung deutscher Grenzsicherungsboote sieht der Hamburger Friedensforscher deswegen durchaus als einen nachhaltigen Beitrag zur Entwicklung Angolas.
"Das Land hat große Probleme damit, seine Küstengewässer vor der Piraterie zu schützen. Es geht hier um Piraterie in dem Sinne, dass dort Schiffe ohne jede Autorisierung die Gewässer leer fischen." Angola verliere dadurch jedes Jahr wertvolle Nahrungsmittel und viele Millionen Euro. Deswegen sei das Geschäft aus Sicht der deutschen Rüstungsexportpolitik "durchaus genehmigungsfähig".
Regionale Rüstungsdynamik
Von Boemcken tut sich schwer mit dieser Argumentation. Angola sei mit der Demokratischen Republik Kongo und mit Kongo- Brazaville in zwei ungelöste, maritime Territorialkonflikte verwickelt. Dabei gehe es vor allem um weitere Ölvorkommen vor der südwestafrikanischen Küste. "Durch Lieferung dieser Patrouillenboote an Angola laufen wir Gefahr, die regionale Rüstungsdynamik zu befeuern und den Konflikt zu militarisieren."
Der Rüstungsexperte vertritt vehement die Meinung, dass keine deutschen Waffenexporte in Länder gehen dürfen, die gegen Menschenrechte verstoßen - völlig unabhängig davon, um welche Waffensysteme es sich dabei handelt. Angola ist für Marc von Boemcken so ein Land, weil es von Präsident José Eduardo dos Santos autokratisch und repressiv regiert werde. Auch der Ölreichtum komme nur einigen wenigen zu gute. Der Wissenschaftler erinnert außerdem daran, dass Angola den Bürgerkrieg in der benachbarten Demokratischen Republik Kongo angeheizt habe, "um sich Rohstoffe zu sichern".
Kein generelles Nein
Der Bonner Wissenschaftler will jedoch nicht missverstanden werden. Er lehne Waffengeschäfte mit Entwicklungsländern nicht prinzipiell ab. Eine Grundvoraussetzung dafür sei, dass der Rüstungsexport eingebunden sei in einen größeren Reformprozess der Sicherheitskräfte. Ziel müsse immer die Demokratisierung der Streitkräfte, ihre demokratische Kontrolle und der Schutz der Menschenrechte sein. "Wenn die Rüstungsexporte also in einem größeren entwicklungspolitischen Kontext geliefert werden, dann kann auch ein Rüstungsgeschäft seine Berechtigung haben. Aber das sehe ich im Fall von Angola nicht als gegeben an."
Auch Brzoska ist der Meinung, dass Waffenlieferungen an Entwicklungsländer Sinn machen können. "Allerdings muss man sehr stark darauf achten, dass sie nicht dazu genutzt werden, um autoritäre Regierungen zu stärken." Außerdem dürften sie vom Unfang her nicht so groß sein, dass sie Entwicklung behindern.
Arabischer Schatten
Noch ist das Geschäft nicht abgeschlossen. Der Bundessicherheitsrat wird den geplanten Export der Patrouillenboote nach Angola überprüfen und absegnen müssen. Einen weiteren umstrittenen Rüstungsexport kann sich die Regierung von Angela Merkel nach dem Panzerdeal mit Saudi-Arabien allerdings nicht leisten.
Vorgesehen ist in diesem Fall die Lieferung von 200 Leopard-2-Panzern an das saudische Königshaus. Diese Panzer könnte man im Gegensatz zu den Küstenschutzbooten sehr wohl im Inneren einsetzen.
Autorin: Sandra Petersmann
Redaktion: Martin Schrader