Bananenrepublik?
29. Juni 2009Es war eine Szene wie aus vergangen geglaubten Zeiten: Am Sonntag (28.06.2009) im Morgengrauen nahm ein Kommando der honduranischen Armee die Privatresidenz von Präsident Manuel Zelaya 20 Minuten lang unter Beschuss. Einer seiner Leibwächter soll dabei ums Leben gekommen sein. Dann nahmen maskierte Soldaten den 56-jährigen Zelaya fest, der noch im Pyjama war. "Das ist ein Staatsstreich im Stil der 1960er Jahre", empörte sich Ecuadors Präsident Rafael Correa.
Tatsächlich beherrschen Panzer das Straßenbild der Hauptstadt Tegucigalpa, wie 1973 in Chile und 1976 in Argentinien. Auch Honduras blickt auf eine lange Tradition der militärischen Umsturzversuche zurück, in den 1970er Jahren vor allem zugunsten der Interessen von US-Bananenkonzernen, die dem Land den Beinamen "Bananenrepublik" einbrachten.
Der lange Arm der USA
Dort wurden, wie auch in den anderen mittelamerikanischen Staaten Nicaragua oder Panama Politik und Staatsgeschäfte über Jahrzehnte durch den Einfluss der großen Südfruchtexporteure "United Fruit Company" (Chiquita) und Standard Fruit Company (Dole) bestimmt. Die wirtschaftliche Macht dieser US-amerikanischen Unternehmen war weitaus größer als die politische Macht der Regierungen oder gar der Bevölkerung dieser Länder. Staatsstreiche wurden, wie in ganz Lateinamerika, von der US-Regierung offen oder verdeckt unterstützt.
In den 1980er Jahren, als Honduras zur Demokratie zurückkehrte, verlagerten sich die Interessen: Damals nutzten die USA unter Präsident Ronald Reagan das Land als Basis für den Kampf der Contras gegen die linken Sandinisten in Nicaragua und die Verfolgung Linker durch Todesschwadronen - das Land erhielt dafür im Gegenzug Wirtschaftshilfe.
Im Gegensatz zu damals hat das Ausland den gewaltsamen Machtwechsel in Honduras jetzt nicht hingenommen. US-Präsident Barack Obama äußerte sich "tief besorgt" über die
Lage, ein US-Regierungsvertreter sagte, Washington werde den Nachfolger Zelayas nicht anerkennen. Und in seltener Einstimmigkeit verurteilte die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) den Staatsstreich in Zentralamerika und forderten die Wiedereinsetzung Zelayas. Auch Chávez reagierte: Er beschuldigte das "nordamerikanische Imperium", hinter dem Machtwechsel in Honduras zu stecken. Venezuela und weitere links regierte Länder in Lateinamerika stünden in "Kampfbereitschaft".
In der Reihe mit Lateinamerikas Linken
Im Gegensatz zum Ausland begrüßten in Honduras viele die Absetzung Zelayas. Der Menschenrechtsbeauftragte des Landes, Ramón Custodio, sprach von einem legalen Machtwechsel. Das Militär habe nur geholfen, die verfassungsgemäße Zivilregierung wiederherzustellen, die unter Zelayas zunehmend autoritärer Regierung nicht mehr funktioniert habe. "Wir kehren zur verfassungsgemäßen Ordnung zurück. Es war unmöglich, mit dieser autoritären Person weiterzumachen", sagte er. Im Exil in Costa Rica widersprach Zelaya: "Wegen einer Volksbefragung lässt sich kein Staatsstreich rechtfertigen." Zelaya war kurz vor dem Beginn eines von ihm gewollten Referendums am Sonntag festgenommen worden. Die Armee stoppte die Abstimmung, mit der der Präsident den Weg für eine Verfassungsänderung ebnen wollte, die eine Wiederwahl des Staatschefs ermöglicht.
Zelaya war ursprünglich als Kandidat der Konservativen Liberalen Partei angetreten. Mit fortschreitender Amtszeit stieß er aber viele Landsleute vor den Kopf, da er das Land schrittweise in das Lager der linken Staaten Lateinamerikas führte. Zunächst schloss er sich dem von Venezuela geschaffenen und gegen die USA gerichteten Bündnis Alba an. Bereits 2007 hatte er die Beziehungen zu Kuba wieder aufgenommen, die Honduras 1961 wegen der kubanischen Revolution abgebrochen hatte. Und vor wenigen Monaten wurde er bei seinem zweiten Besuch in Kuba erstmals von Revolutionsführer Fidel Castro empfangen. Dieser gehörte zu den ersten, die Zelaya am Freitag, als der politische Konflikt eskaliert war, ihre Unterstützung zugesagt hatten. Auch Venezuelas Präsident Hugo Chávez sprang ihm zur Seite. "Das ist nicht nur ein Frontalangriff auf das honduranische Volk, sondern auf alle Völker in Lateinamerika." (ina/ap/afp/dpa/epd)