Kalter Krieg?
27. April 2007
In Oslo hat sich nun auch der russische Außenminister Sergej Lavrov zum Rüstungsstreit mit den USA zu Wort gemeldet. "Wir können nicht unbesorgt bleiben, wenn die militärische Infrastruktur der NATO immer näher an unsere Grenzen herankriecht», sagte er und kritisierte scharf die US-Pläne für ein Raketenabwehrsystem in Polen und Tschechien. Er bestätigte, dass Moskau sogar einen Ausstieg aus dem Vertrag zur Begrenzung der konventionellen Streitkräfte plane. "Wir werden uns ganz aus dem Vertrag zurückziehen, sofern es keine Bewegung gibt", sagte Lavrov. NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer zeigte sich nach einem Treffen mit Lavrov "besorgt und sehr enttäuscht"
Condoleezza Rice, die amerikanische Außenministerin, will beim Treffen der NATO mit ihrem russischen Kollegen Sergej Lavrov weiterhin Klartext reden: Beide, Russland und die USA, seien von Mittel- und Langstreckenraketen aus dem Iran und anderen Staaten bedroht. Die russische Kritik, die USA könnten russische Atomraketen abfangen, wies Condoleezza Rice bei dem Treffen zurück: "Die Idee, dass zehn Abfangraketen und ein Radar in Osteuropa die sowjetische nukleare Abschreckung gefährden, ist völlig albern", sagte Rice.
Obwohl sie von "Sowjets" sprach, betonte sie, man sei nicht mehr in den achtziger Jahren oder im Kalten Krieg. Die US-Außenministerin bot Russland zum wiederholten Mal umfassende Informationen und eine Beteiligung am Raketenabwehrschild an, den die USA seit einigen Jahren zum Schutz ihres Territoriums aufbauen. Sie wolle das US-Vorgehen, wie sie sagte, "für die Russen zu entzaubern".
Entzauberung für die Russen
Das Raketenabwehrsystem bedrohe das strategische Gleichgewicht zwischen Ost und West, hatte der russische Präsident Wladimir Putin derweil in seiner Rede zur Lage der Nation in Moskau kritisiert. Als Konsequenz kündigte er an, den Vertrag über konventionelle Rüstung in Europa auf Eis zu legen. Außerdem drohte er, seine Zustimmung zur möglichen Unabhängigkeit des Kosovos von einer Einigung in der Abwehrfrage abhängig zu machen.
Beschluss: Schutz des Territoriums
Die NATO hatte bereits beim letzten Gipfeltreffen in Riga beschlossen, das gesamte NATO-Terretorium gegen mögliche Angriffe durch Staaten wie Iran oder Nordkorea zu schützen. Umstritten ist nur, in welcher Form: Durch den amerikanischen Abwehrschild wäre das NATO-Mitgliedsland Türkei zum Beispiel nicht abgedeckt.
Die NATO berät daher nun über ergänzende Systeme, so NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer: "Es geht vor allem um die Nationen, die eher von Kurz- und Mittelstreckenraketen als von Langstreckenwaffen bedroht sind." Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier warnte angesichts der sich fortsetzenden Auseinandersetzungen vor allzu scharfer Rhetorik: Beide Seiten seien aufeinander angewiesen, wenn sie in vielen Krisenherden im Nahen und Mittleren Osten oder Afghanistan etwas bewirken wollten, mahnte er.