Russische Journalisten in Haft: Bettwanzen, Enge, Dunkelheit
17. Oktober 2024Die inhaftierten Journalisten Konstantin Gabow und Sergej Karelin, denen in Russland Unterstützung einer "extremistischen Organisation" vorgeworfen wird, haben über die schwierigen Bedingungen ihrer Untersuchungshaft in Moskau berichtet. Die beiden wurden Anfang Oktober ins Gefängnis "Matrosskaja Tischina" ("Matrosenruhe") verlegt, das wegen seiner Haftbedingungen bei Menschenrechtsorganisationen berüchtigt ist.
"Die Zelle ist überfüllt. Ein anderer Insasse und ich schlafen auf dem Boden", schrieb Konstantin Gabow in einem Brief, dessen Kopie der DW vorliegt.
"Tagsüber sitzen wir auf einer Bank ohne Rückenlehne, da wir keinen Platz haben. Die Matratze, die Decke und das Kissen sind abgenutzt, und es gibt Bettwanzen. Die Atmosphäre hier ist bedrückend", so der Journalist.
Vor seiner Festnahme im April arbeitete Gabow als Producer für die Nachrichtenagentur Reuters. Zuvor war er auch für DW-Studio Moskau tätig.
"Es fühlt sich an, als ob ich in einem Keller festgehalten werde. (Es gibt nur) ein kleines Fenster irgendwo oben im Raum", so Gabow im Brief weiter.
"Null Privatsphäre": Vier Kojen für acht Inhaftierte
Auch der Kameramann Sergej Karelin, der früher für die Nachrichtenagentur Associated Press und für die DW in Moskau gearbeitet hat, berichtet über unwürdige Haftbedingungen.
"Ich wurde in Zelle 246 verlegt – vier Kojen für acht Personen", schreibt der Journalist in einem Brief an die Zeitung "Nowaja Gaseta". Die überzähligen Häftlinge würden "auf Klappliegen mit einem Loch in der Mitte" schlafen, alle "nebeneinander, der Kopf des Einen neben den Füßen des Anderen".
Karelin beschwert sich über "null Privatsphäre" in seiner Zelle. "Die Anklagepunkte gegen die Inhaftierten in dieser Zelle sind schwerwiegend, einer lautet auf Landesverrat. Aber die Jungs hier sind jung, nur einer ist älter", schreibt Karelin weiter.
Vorwurf: Mitwirkung an einer "extremistischen Organisation"
Karelins Rechtsanwältin Katerina Tertuchina bezeichnet die Haftbedingungen als "Folter". Unter diesen Umständen könne sich ihr Mandant nicht auf seinen Prozess vorbereiten.
Gabow, Karelin sowie zwei weitere Journalisten – Antonina Faworskaja und Artjom Kriger – stehen wegen Mitwirkung bei einer "extremistischen Organisation" vor Gericht.
Ihnen wird vorgeworfen, das Team des verstorbenen Kreml-Kritikers Alexej Nawalny unterstützt zu haben. Sie sollen Foto- und Video-Material für Nawalnys Youtube-Kanal erstellt haben. Ihnen drohen sechs Jahre Gefängnis. Die Angeklagten weisen die Vorwürfe zurück.
Der YouTube-Kanal "Nawalny LIVE" wird auch nach dem Tod des Oppositionspolitikers von Mitarbeitern der "Anti-Korruptionsstiftung" (FBK) betrieben. FBK gilt den russischen Behörden als "extremistische" Gruppe. Ihre Mitarbeiter und Unterstützer werden in Russland strafrechtlich verfolgt.
Am 17. Oktober fand eine weitere Verhandlung im Prozess gegen die Journalisten hinter verschlossenen Türen statt. Vor der Festnahme hatten Faworskaja und Kriger für die unabhängige Nachrichtenagentur "Sota Vision" gearbeitet und über Gerichtsprozesse gegen politische Gefangene berichtet.
Faworskaja hatte die Prozesse gegen Nawalny beobachtet und die Strafkolonie "Polarwolf" in der Siedlung Charp besucht. Alexej Nawalany war am 16. Februar 2024 in dem Straflager am Polarkreis zu Tode gekommen.
Nach seiner Beisetzung dokumentierte Faworskaja, wie Menschen am Friedhof Blumen niedergelegten. Bei einem ihrer Friedhofsbesuche wurde sie am 17. März festgenommen. Einen Monat später dann wurden Karelin und Gabow verhaftet; Artjom Kriger folgte im Juni.